
Steven Soderbergh ist ein gleichermaßen vielbeschäftigter wie vielseitiger Regisseur. Seit dem Abschluss seiner „Ocean's“-Reihe im Jahr 2004 hat der bald 50-jährige US-Amerikaner stets mindestens einen Film pro Jahr herausgebracht. Seine Filmographie listet große Publikumserfolge wie die erwähnte Heist-Trilogie, aber auch Oscarabräumer („Traffic“), anspruchsvolle und häufig sehr politische Independentstreifen („The Good German“) und Experimentelles im Low-Budget-Sektor. Drei Monate nach seinem starbesetzten Epidemiethriller „Contagion“ startet nun sein bereits Anfang 2010 abgedrehter und nicht minder eindrucksvoll gecasteter Actionreißer „Haywire“. Zumindest wird er als ein solcher vermarktet. In Wahrheit jedoch legt Soderbergh hiermit nicht seinen ersten echten Krawumm-Film vor, sondern einen Bastard aus Arthouse und Mainstream, dem leider ein wenig die Ambitionen abgehen.
Gina Carano, Mixed Martial Arts-Meisterin und ehemals „American Gladiator“ (die Reality-Trash-Show, die im DSF lief), spielt Mallory Kane, eine gut ausgebildete CIA-Agentin, die sich ihr Geld nun als Spezialistin einer privaten „Sicherheitsfirma“ verdient. Aus irgendeinem Grund scheint man sich ihrer jedoch entledigen zu wollen, was sie während einer eigentlich harmlosen Mission in Dublin zu spüren bekommt. Mallory befindet sich nun auf der Flucht vor übel gelaunten, von Channing Tatum und Ewan McGregor verkörperten Männern, sinnt aber gleichzeitig auf Rache für den Verrat.
Auch die vielfältigst begabten Regisseure gelangen an einem gewissen Punkt an ihre Grenze – häufig scheint das Genre des Actionfilms diese zu markieren. So erprobte sich der Schweizer Marc Forster erfolgreich in den Fächern Komödie, Drama, Mystery und Familienfilm, um dann den jüngsten „Bond“ als einfallslose „Bourne“-Kopie in den Sand zu setzen. Ähnlich ergeht es nun Soderbergh nach jahrzehntelangen Abstechern in ganz unterschiedliche Genres, wobei „Haywire“ das genaue Gegenteil von „Ein Quantum Trost“ ist: ein Film ohne größeren Anspruch, was für Zwischendurch, einer unter vielen.
Für sich genommen hat das nicht viel zu sagen, zählt doch in etwa „Away We Go“ von Sam Mendes, zwischen all den anderen Filmen des neuen „Bond“-Regisseurs sicherlich der unscheinbarste, zu dessen besten Arbeiten. Doch dem altbekannten Plot um Rache und Verrat kann Soderbergh leider keine neuen Facetten entlocken, auch wenn er durchaus gekonnt zwischen verschiedenen Zeitebenen springt. Überhaupt schöpft er stark aus seinem bekannten Repertoire: die geschickten Montagen, die ausgeklügelten Pläne, die lässige Musik, aber in den entscheidenden Momenten eben auch das Unkonventionelle. Dazu zählt das unerwartete Ende einer Verfolgungsjagd ebenso wie die Tatsache, dass ein verfolgter Charakter mal eben entspannt am Strand spazieren geht.
In den wenigen Kampfsequenzen legt Soderbergh wenig Wert auf große Effekte – deshalb schweigt meistens auch die Musik – sondern auf knallharten Realismus. So wirken die Auseinandersetzungen einerseits sehr physisch und in gewisser Weise choreographiert, andererseits aber auch unperfekt und halt so wie die Prügelei zweier ausgebildeter Agenten, nicht aber zweier Übermenschen. Dieser Realismus überträgt sich auf viele Szenen, in etwa wenn Mallory auf der Flucht vor der Polizei über die Häuserdächer springt. Das macht sie natürlich schneller und athletischer als die meisten von uns das könnten, aber eben auch nicht auf eine Art und Weise, die nahe legt, dass sich Spider-Woman ihres Kostüms entledigt hätte.
Soderbergh versteht es recht gut, Spannung zu erzeugen, und wenn die Fäuste fliegen, sieht das auch meistens gut aus. Leider räumt er seinen Charakteren nur die zweite Priorität ein, obwohl ihm sicher daran gelegen war, diese nicht als bloße Kampfroboter ohne Seele auftreten zu lassen. Letztlich bleiben sie jedoch oberflächlich, weshalb die Riege an großartigen Darstellern, zu denen sich neben den erwähnten auch Michael Douglas und Antonio Banderas gesellen, kaum zeigen kann, was sie zu leisten imstande ist. Einzig Ewan McGregor gefällt als fieser Bösewicht mit ebenso fieser Frisur. Gina Carano kauft man zwar die Agentin ab, in den Dialogszenen überzeugt sie jedoch nur mäßig. Insbesondere die skeptisch zusammengekniffenen Augenbrauen mag man irgendwann nicht mehr sehen.
Nach einem großen Film wie „Contagion“ kann Soderberghs aktueller Streifen fast nur wie ein netter Spaß für Zwischendurch wirken. Und genau als solcher sollte er auch betrachtet werden, denn dann kann er das auch tatsächlich leisten: Spaß zu machen. „Haywire“ zeigt vieles, was andere schon etliche Male zuvor gezeigt haben, mit dem feinen Unterschied: Bei Soderbergh sieht das alles halt ein wenig gekonnter aus.
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