In den letzten Jahren stellte sich ja immer öfter eine Frage, zu der das Objekt selbst massiv beitrug. Die Preisfrage: Shyamalan - Schamane oder Scharlatan? Denn während sich der indisch-amerikanische Filmemacher selbst ganz eindeutig als ersteres identifiziert, sehen Publikum, Kritiker und auch Branchenmitarbeiter ihn zunehmend als letzteres. In diese Situation hat sich Shyamalan mit seinem mit ordentlich Egomanie durchsetzten Privatmystizismus selbst gebracht, resultierend im Komplettflop seines letzten Films "Das Mädchen aus dem Wasser", der bei Publikum und Kritik vollständig durchfiel (zu den wenigen Ausnahmen gehörte unsere damalige Filmszene-Kritik). Das chaotische Drumherum dieser Produktion, unfreiwillig gnadenlos im eigentlich als Werbeprojekt geplanten Buch "The Man Who Heard Voices" verewigt, zeigte dann Shyamalan als zusammen mit Michael Bay wohl größtes Ego in Hollywood.
Da wird seine Hausfirma Disney unter größtem Protest verlassen und als böse beschimpft. Ihr Verbrechen: Haben die bösen Produzenten bei Disney doch tatsächlich die Frechheit, Shyamalans heiliges Drehbuch nicht an ihrem freien Wochenende zu lesen, obwohl das laut Eigenaussage doch "keine Arbeit darstellt, sondern das Vergnügen des Tages nur steigern kann." Hat eine Schauspielerin, die Shyamalan perfekt findet, doch die Frechheit, nach mehr als dem tariflichen Mindestlohn zu fragen - schon sind ihre Schwingungen böse und ihre Mitarbeit Geschichte. Und Kinos wird dann schon mal der fest zugesagte Film in letzter Minute entzogen, weil sie den Herrn Regisseur und sein Werk nicht so hervorstellen, wie dieser es gern hätte. Kurzum: Shyamalan verlangt Götzenanbetergleiche Verehrung oder man ist umgehend einer von den Bösen.
Wäre "Das Mädchen aus dem Wasser" nun ein Riesenerfolg geworden, hätte er sich ja noch bestätigt fühlen können, so aber werden Zweifel, dass Shyamalan mit dem immer noch brillanten "Sixth Sense" ein reiner Glückstreffer gelungen ist, dem er nichts Ebenbürtiges mehr folgen lassen kann, immer lauter. Zumindest wird "The Happening" jetzt darüber entscheiden, ob er sein massives Ego, die ebenso massiven Gehaltschecks und die künstlerische Komplettkontrolle über seine Projekte rechtfertigen kann.
Und um es gleich vorwegzunehmen: Nein, das kann er nicht. Dabei hatte Shyamalan hier ein klares Zeichen gesetzt und - ob absichtlich oder nicht - all das massiv zurückgefahren, was im Vorgängerfilm nicht funktionierte: Von seiner Privatmythologie über das Finden des eigenen Platzes im Universum, die ja quasi seit "Unbreakable" sein Werk bestimmt, ist nix zu sehen. Vom Regisseur übrigens auch nicht - sein Cameo findet diesmal nur stimmlich statt. Nach dem Höhepunkt der Egomanie in "Das Mädchen aus dem Wasser", in dem sich Shyamalan selbst als Märtyrer-haften Propheten besetzte, der die Welt zum Besseren verändern wird, eine dankbare Wendung. Und es gibt diesmal - so hat es der Regisseur selbst schon vorher verkündet - auch keine Wendungen, schon gar keine finalen Plot-Twists, die alles bisher Gesehene umwerfen. Ganz im Gegenteil, gradliniger als hier war Shyamalan nie, was sich auch als Problem erweist.
Man bekommt, was man sieht. Und man sieht hier die Geschichte eines unvorhergesehenen Ereignisses, das den Nordosten der USA heimsucht. Um was genau es sich dabei handelt, darum wurde ein Riesengeheimnis gemacht, zwar erfolgreich, aber doch unnötigerweise. Denn nach einem beklemmenden Anfang (dessen beste Szenen dummerweise alle schon im Trailer zu sehen waren) liefert der Film bereits nach fünf Minuten selbst die Auflösung, worum es in dieser Geschichte gehen wird. Das macht schon ratlos, denn subtiler Aufbau ist etwas anderes, und im Grunde beraubt sich Shyamalan seiner größten Waffe, dem Aufbauen einer mysteriösen Atmosphäre. Zudem wird der ohnehin recht krude rote Hering, den der Regisseur dann auswirft (sind vielleicht Terroristen für das Geschehen verantwortlich?), dadurch komplett unterminiert, was der Story nicht zugute kommt. Denn so fehlt tatsächlich jeder doppelte Boden, man weiß nach einer Viertelstunde, wer oder was hier die Bedrohung ist, und da muss ja der Film noch eineinviertel Stunden hinter sich bringen. Diese werden, soviel sei denn doch verraten, hauptsächlich von dem Lehrer Elliott (Mark Wahlberg) und seiner Frau Alma (Zooey Deschanel) bestritten, die mit Jess (Ashlyn Sanchez), der Tochter ihres Freundes Julian (John Leguizamo) im Schlepptau vor der Bedrohung zu entkommen versuchen.
"The Happening" ist in etwa so banal wie "Signs", nur eben ohne dessen religiös-mystischen Subtext, der jenen Film ja zumindest für manche Zuschauer noch sehenswert machte. Hier dagegen ist alles schon bedenklich offensichtlich. Es gibt nicht nur keine Subtexte, selbst an Haupttext fehlt es hier an Ecken und Enden: Das Protagonistenpaar ist schwach charakterisiert, die in ihr Verhältnis eingebaute dramatische Spannung geradezu lachhaft im offensichtlichen Aufbau (eine neonfarbene Einblendung "Ehebrecherin?" über Deschanels Kopf wäre ähnlich subtil gewesen) und ihrer extrem schwachen Auflösung. Leguizamo wird komplett verschenkt, wie überhaupt diverse Nebenfiguren mit Potential. Dialoge und Storylogik sind zeitweise zum Heulen. Und die Story selbst ist erstens recht ereignislos und zweitens weder sonderlich spannend, noch besonders mitreißend inszeniert.
Shyamalan bleibt bei seinem typisch betulichen, intimen Inszenierungsstil, in dem es hauptsächlich um Atmosphäre und weniger um Action geht. Was aber im Zusammenhang mit den mysteriösen Vorgängen in einigen seiner früheren Filme noch gut funktionierte, wird hier nichts. Im Grunde ist dies eine Art Fluchtfilm, und dafür ist Shyamalans langsamer, zurückgenommener Regiestil nicht geeignet, besonders wenn es tatsächlich nichts zu enthüllen gibt.
Klar, kurze Momente, die von ihrer Atmosphäre leben, gibt es immer noch: Eine gruselige, bedrohliche Szene kurz vor Schluss macht zwar inhaltlich wenig Sinn, lässt aber nochmal Shyamalans inszenatorische Klasse aufblitzen. Aber die gesamte Sequenz in einem abgelegenen Haus verdeutlicht nur noch mal das Dilemma des neuen alten Shyamalans: Sie existiert eigentlich nur, damit der Regisseur noch mal ein paar seiner altbekannten erfolgreichen Tricks hervorholen kann.
Der Großteil des Films dagegen ist auch stilistisch so banal wie der Inhalt. Und zumindest in dem Bereich ist man von Shyamalan anderes gewohnt. Und auch wenn "The Happening" ein deutlicher Schritt zurück zum Mainstream ist - oder so hofft man zumindest beim neuen Studio 20th Century Fox -, so ist diese farblose, oftmals schlicht langweilige Inszenierung auch nicht der Weg aus der Krise. Immerhin eine Neuerung gibt es: Shyamalan setzt zum ersten Mal grafische Gewalt ein und überrascht mit ein paar recht blutigen Schockeffekten.
Spoiler folgen in diesem Absatz, in dem man doch noch mal näher auf die Story eingehen muss, die sich als fast unfassbar dümmlich erweist. Da schlägt also die Natur zurück, bedient sich dieses mal aber nicht wild gewordener Tiere, wie sie in den meisten Vorläufern im Ökohorror-Subgenre auftreten. Nein, der Planet wehrt sich durch ein selbst produziertes Nervengift, das die Leute in den Massenselbstmord treibt. Schön und gut, nicht unbedingt wahnsinnig originell, aber machbar. Dann aber geht es bergab. Nicht nur, dass Shyamalan wie angesprochen diese Idee schon direkt am Anfang verrät, er inszeniert sie auch auf absurde Art und Weise. Dass etwa Menschen dem Wind davonlaufen können, da dieser quasi wie ein Slasher auf sie zugehastet kommt, ist nun wirklich zu absurd, um noch irgendwie durchzugehen. Dreist wird auch die ohnehin schon wacklige Logik des sich gegen zu viele Menschen auf einem Haufen wehrenden Planeten je nach Belieben geändert. Einmal sind fünf Menschen auf einem Fleck zuviel und werden eliminiert, wenn es sich dabei um unsere Helden handelt ist das aber kein Problem mehr. Und das, obwohl uns der Film nur kurze Zeit später erklärt, der Planet würde sensibler werden, so dass später gar ein einzelner Mensch reicht, um attackiert zu werden.
Abgesehen von solch Absurditäten und Logikfehlern ist "The Happening" unfassbar eindimensional und naiv in seiner Ökobotschaft. Menschen behandeln den Planeten schlecht, Planet wehrt sich und schlägt zurück. Dies ist also die gesamte Tiefe von Shyamalans Abhandlung über Mensch und Natur. Also quasi eine dramatische Adaption von "Eine unbequeme Wahrheit", nur mit weniger Power Point-Präsentationen, weniger Al Gore und vor allem viel weniger Hirn. Denn man konnte von jenem Dokumentarfilm und seinen Thesen zur Erderwärmung halten, was man wollte, er war zumindest glaubwürdig und intelligent aufgebaut. Zwei Dinge, die man von "The Happening" nun wirklich nicht behaupten kann. (Spoilerende)
Aus "The Happening" wird nichts halbes und nichts ganzes und schon gar kein guter Film. Und spätestens wenn dann am Schluss erst quasi geschummelt wird und dann ein Fernsehexperte nochmal den Leuten im Film und damit auch dem wohl für dumm gehaltenen Zuschauer haarklein erklärt, was sich da wohl zugetragen hat, ist der Film rettungslos verloren. Ein Film, der seinem Publikum nicht mal die nötige Intelligenz zutraut, sich selbst einen Reim auf das Geschehen zu machen, ist fast so schlimm wie einer, der die Intelligenz des Publikums direkt beleidigt, wie zuletzt "Das Mädchen aus dem Wasser" und zumindest in Teilen auch "Signs" und "The Village".
Shyamalan sollte nun endlich seinen heiß geliebten Auteur-Status noch mal überdenken und anfangen, anstatt seiner zunehmend stümperhaften Arbeit fremde (und damit hoffentlich bessere) Drehbücher zu verfilmen. Er ist so etwas wie die Alanis Morissette Hollywoods: Einen mitreißenden Hit geliefert, sich danach des Öfteren wiederholt und zunehmend im eigenen Gestus verfangen. Wo die Dame mit der überkippenden Stimme dringend mal jemand anderen ans Songschreiben ranlassen sollte, wird es jetzt auch dringend Zeit, dass M. Night das Drehbuchschreiben jemand anderem überlässt. Bevor es für seine Karriere heißt: Gute M. Nacht. Oh, und zur Ausgangsfrage: Eindeutig Scharlatan.
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