Following

Originaltitel
Following
Jahr
1998
Laufzeit
69 min
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Simon Staake / 19. Juni 2010

 

Bill (Jeremy Theobald) ist auf den ersten Blick ein ganz normaler Londoner, hat aber ein seltsames Hobby. Er folgt wildfremden Menschen quer durch die Stadt, beobachtet sie, studiert sie. Bill ist (erfolgloser) Schriftsteller und sucht dadurch Inspiration für sein Schreiben. Eines Tages jedoch spricht ihn eines seiner ‚Verfolgeropfer' an: Der dandyhafte Cobb (Alex Haw) hat Bills Hobby entdeckt, nennt aber ein mindestens ebenso denkwürdiges Hobby sein eigen. Er bricht in fremde Wohnungen ein, allerdings nicht in erster Linie um zu stehlen, sondern um - ähnlich wie Bill - fremde Leben zu durchforschen. Cobb nimmt Bill unter seine Fittiche und beide begeben sich fortan zusammen auf Einbruchs- und Schnüffeltouren. Doch spätestens als sich Bill für eines der Einbruchsopfer (Lucy Russel) privat zu interessieren beginnt, setzt sich ein Spiel in Gang, bei dem nicht alle mit offenen Karten spielen...

Wieso ist da eigentlich nicht schon früher jemand drauf gekommen, diesen Film rauszubringen? Schließlich liegt der Kinostart von Christopher Nolans Geniestreich "Memento" nun auch schon drei Jahre zurück, und im Rahmen der damaligen (komplett gerechtfertigten) allseitigen Begeisterung wäre es ja eigentlich nur folgerichtig gewesen, den in vielen Belangen ähnlichen Erstling von Nolan, "Following", gleich im Fahrwasser mit "vom Memento-Regisseur"-Hinweis herauszubringen. Andererseits hätte man dann auch den direkten Vergleich gehabt, bei dem "Following" natürlich nur verlieren kann. Aber jetzt, mit gebührendem Abstand, kann man diese faszinierende Vorstudie formidabel genießen und sich daran erinnern lassen, dass Christopher Nolan einer von Hollywoods Guten ist.
Und auch schon von Anfang an war. Denn dieser No Budget-Film, den Nolan über ein ganzes Jahr an Samstagen drehte, weil sein Team aus Amateursschauspielern und er selbst unter der Woche noch regulären Jobs nachgingen, ist ein echter Rohdiamant. Allerdings mit Betonung auf roh. Denn natürlich sind die Schauspielleistungen bei allem Enthusiasmus nicht immer ganz überzeugend (schauspielerisches Highlight ist eindeutig Alex Haws Leistung als der aalglatte Mr. Cobb, während Jeremy Theobald eher blass bleibt) und auch die Kameraarbeit und der Schnitt (beides von Nolan höchstpersönlich) sind noch nicht so ausgefeilt und professionell wie in "Memento". Dennoch zeigt "Following" schon deutlich Nolans Interesse am nichtchronologischen, unorthodoxen Erzählen und an mysteriösen, undurchsichtigen Figuren. Und während man auch den farbigen "Memento" guten Gewissens unter dieser Rubrik laufen lassen kann, ist der im rauen Schwarz-Weiß gehaltene "Following" natürlich fast noch mehr klassischer Film Noir. Und wie stets in diesen Filmen ist hier dementsprechend auch nicht alles so wie es scheint, gibt es richtig böse Buben und klassische Femme Fatales, und der Anti-Held in der Hauptrolle findet sich in Situationen wieder, die er sich definitiv anders gedacht hatte.

Nolans Erstling begeistert vor allem mit seiner Ökonomie. An diesem Film ist kein Gramm fett zu viel, und so ist das sehnige, böse Spektakel schon nach noch nicht mal siebzig Minuten zuende. Dementsprechend setzt Nolan seinen Film konstant spannend in Szene und - und das ist sicherlich das Wichtigste - trotzdem hat der Zuschauer am Ende das Gefühl, einen kompletten Film und alles gesehen zu haben, was er sehen brauchte. Die meisten Filme sind heutzutage ja eh zu lang.
Besonderes Spannungsmittel ist neben den inhaltlichen Thrillerthemen die erwähnte Erzählstruktur. Natürlich gibt es hier keinen so guten strukturellen Grund für die nichtlinear zusammengesetzten Szenen wie dereinst in "Memento", gut gemacht ist es trotzdem. Denn nur so kann auch die so simple wie ausgefuchste Geschichte, die Nolan sich ausgedacht hat, richtig funktionieren. Da ist ein Teil der Spannungsarbeit dann das Zusammenpuzzlen der Ereignisse seitens des Zuschauers und das Raten, wie die Kleinigkeiten später zusammenpassen. Das erfordert allerdings konstante Aufmerksamkeit und am besten sieht man "Following" - wie auch "Memento" - zweimal. Besonderes Lob auch für dieses ausgefeilte, genau durchdachte Werk, da Nolan bei dem aus eigener Tasche bezahlten Budget von lachhaften 6.000 Dollar eben nicht Kilometer von Film für alle Eventualitäten verbrauchen konnte. Da musste alles minutiös geplant werden und jede Szene sitzen. Und jede Szene sitzt.

Es ist immer wieder eine Freude, nachträglich zu sehen, wie ein Talent vor seinem Durchbruch schon Ansätze späterer Klasse zeigt und einen distinktiven Stil entwickelt. Das konnte man zum Beispiel bei P.T. Anderson sehen, der "Boogie Nights" und vor allem "Magnolia" den Geheimtip "Last Exit Reno" vorausschickte. Und jetzt mit "Following" eben auch bei Christopher Nolan. Guter Film (dies), gute Sache (die verspätete Veröffentlichung), das Programmkino Eures Vertrauens erwartet Euch.

 

Bilder: Copyright

Es gibt noch einen zweiten Film mit genau derselben Handlung, allerdings in Farbe.

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