
Die SMS Emden ist eine Legende in der deutschen Kriegsgeschichte, die allerdings aus bestens bekannten Gründen eine Geschichte ist, über deren Legenden seit 70 Jahren nicht mehr so gern geredet wird. Beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 im damaligen Stützpunkt des deutschen Kaiserreichs im chinesischen Tsingtau stationiert, erarbeitete sich dieser Kreuzer selbst beim Kriegsgegner einen sehr respektvollen Ruf,da die Besatzung der Emden nicht nur binnen zwei Monaten auf Kaperfahrt im indischen Ozean mehr als zwei Dutzend Schiffe aufbrachte und/oder versenkte, sondern dabei auch noch ein mehr als vorbildliches, geradezu ritterliches Verhalten gegenüber ihren Gegnern und Gefangenen an den Tag legte.
Dies dient für „Die Männer der Emden“ aber quasi nur als Prolog, denn die Geschichte, die hier erzählt wird, ist die zweite Legende um die Besatzung dieses Schiffs. Denn nachdem die SMS Emden in einem Gefecht mit einem weit überlegenen australischen Kriegsschiff vor den Cocos-Inseln ihr Ende fand, war ein gut 50-köpfiger Landungstrupp des Schiffs unter Führung des Kapitänleutnants Hellmuth von Mücke auf einer Insel gestrandet – und kämpfte sich von dort aus in einer abenteuerlichen Odyssee über die nächsten sechs Monate bis zurück in die Heimat durch.
Das ist eine an sich durchaus spannende Geschichte, doch man merkt „Die Männer der Emden“ schon in seinen ersten Minuten an, dass er sich nicht so ganz behaglich damit fühlt, von Durchhaltewillen und Pflichtbewusstsein deutscher Soldaten zu erzählen, ohne dieses historisch belastete Thema mit den politisch korrekten ambivalenten Untertönen zu versetzen. Gleichzeitig nimmt der Film sich von Anfang an einen Gutteil seines Spannungspotentials, denn in der ersten Szene sieht man besagten Kommandanten Hellmuth von Mücke (Sebastian Blomberg) im Zug zurück nach Berlin – nach erfolgreicher Heimkehr – während er als Off-Kommentar über das zurückliegende Abenteuer sinniert und sich fragt, ob es nicht bloß „blinder Gehorsam“ war, der ihn dazu getrieben hat, seine Männer unnachgiebig nach Hause zu führen. Sämtliche Zweifel, die beim Zuschauer im Laufe des Films am Erfolg der Odyssee aufkommen und somit für Spannung sorgen könnten, werden so schon durch die erste Szene in Luft aufgelöst. Aus erzählerischer Sicht eine denkbar ungeschickte Eröffnung, die noch dazu unter dem reichlich affektierten Vokabular des Off-Kommentars leidet.
Kein guter Start also, von dem sich „Die Männer der Emden“ im weiteren Verlauf leider nie ganz erholt. Das liegt nicht nur an der mangelnden Spannung und den auch im Rest des Films oft etwas hölzernen und ungelenken Dialogen. Das liegt vor allem an der Unentschlossenheit des Films, der sich nie so recht entscheiden mag, wie und mit welchem Fokus er seine Geschichte jetzt eigentlich erzählen will.
Da wird pflichtschuldig ein Liebes-Subplot eingebaut und dem Offizier Overbeck (Ken Duken) vor Kriegsausbruch noch schnell eine Verlobte (Felicitas Woll) verpasst, die er über den Rest des Films dann arg vermissen darf und unbedingt wiedersehen will (in dieser Kinofassung sieht man von Felicitas Woll übrigens bis kurz vor Ende nichts mehr; der Trailer des Films lässt deutlich erahnen, dass es in der 56 Minuten längeren TV-Fassung, die als Zweiteiler konzipiert ist, einen umfassenden eigenen Strang um Woll und ihre Filmfamilie gibt, der fürs Kino komplett herausgeschnitten wurde). Damit wird der Fokus des Films vom eben noch ins Zentrum gerückten Kapitänleutnant direkt wieder weggezogen zu seinem ersten Untergebenen, zumal es vornehmlich auch diesem zukommt, sich mit dem widerspenstigen anderen Offizier von Schulau (Jan Henrik Stahlberg) herumzuschlagen, der Overbeck nicht nur die Verlobte neidet, sondern auch als einziges Besatzungsmitglied die Entscheidungen des Kapitänleutnants anzweifelt und permanent kurz vorm Desertieren steht.
Genau hier verpasst der Film seine größte Chance für packendes Drama, denn obschon von Mücke in der ersten Szene selbst zweifelt, ob sein Handeln richtig war, wird das im restlichen Verlauf des Films nie wieder ernstlich infrage gestellt. Die gesamte Besatzung folgt dem Kommandanten ergeben in seine ständig lebensbedrohenden Manöver, um es zurück nach Hause zu schaffen und wieder aktiv am Krieg teilnehmen zu können. Auch wenn sich durchaus die Gelegenheit bietet, das Kriegsgeschehen daheim einfach im passablen Südsee-Paradies von Sumatra auszusitzen. Der einzige, der diese Möglichkeit offen bevorzugen darf, ist aber besagter von Schulau, und der wird von vornherein als so ein charakterloser Opportunist gezeichnet, dass man ihn eh nicht für voll nehmen kann. Die Möglichkeit einer Meuterei – was durchaus spannend hätte sein können – taucht im Prinzip nie auf.
So beschränken sich die Konflikte zwischen den Charakteren auf ein klischeebeladenes Minimum, die Spannung um den Erfolg der Reise ist nicht existent, und die theoretische Möglichkeit, sich an einem ambivalenten Porträt des beizeiten wie besessen agierenden Kommandanten von Mücke zu versuchen, wird ebenfalls nicht genutzt, da man sich lieber mehr auf den hübschen und mit stereotypem Liebeskonflikt versehenen Overbeck konzentriert und die Figur des Kommandanten damit relativ flach lässt.
So bleibt „Die Männer der Emden“ ein Film, der sich seine eigenen Möglichkeiten konsequent selbst verbaut und es am Ende auch nicht wagt, wenigstens die einfachste Variante durchzuziehen und – wenn schon Klischee, plattes Liebesdreieck und Soldaten-Pathos – eine schlichte Heldengeschichte zu erzählen, wie es die Amerikaner mit so einer Story getan hätten. Aber das geht halt nicht, weil der Kampf, in den diese Soldaten zurückzogen, eben ein falscher war. So muss politisch korrekt am Ende dann doch die Frage stehen „Wofür haben wir das alles eigentlich gemacht?“. Und der Zuschauer fragt sich trotz allem bemerkens- und definitiv lobenswerten „production value“ und der sehr guten Kameraarbeit dann eben: „Wofür hab ich mir das eigentlich angesehen?“.
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