Die Fabelmans

Originaltitel
The Fabelmans
Land
Jahr
2022
Laufzeit
151 min
Genre
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Matthias Kastl / 22. März 2023

Eine genauso simple wie warmherzige Geschichte rund um einen filmverrückten jungen Protagonisten im optimistischen Spirit der frühen Spielberg-Jahre – hatten wir das nicht schon einmal? Mit "Super 8" gelang J.J. Abrams ("Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers", "Mission Impossible 3") im Jahr 2011 ja bereits eine wundervolle Liebeserklärung an dessen großes Regie-Idol, die den kindlichen Abenteuergeist von Steven Spielbergs Frühwerken noch einmal auf der großen Leinwand zum Leben erweckte. Der Meister selbst hatte sich da bereits schon immer stärker deutlich ernsteren Stoffen ("München", "Krieg der Welten") zugewendet und spätestens der Misserfolg von "BFG - Big Friendly Giant" lies befürchten, dass Spielberg vielleicht gar nicht mehr in der Lage war das Kind in sich wieder hervorzuholen.

Mit "Die Fabelmans" unternimmt Steven Spielberg nun aber die wohl persönlichste Reise seiner so beeindruckenden Filmografie und findet, inspiriert von der eigenen Kindheit, zu fast schon vergessen geglaubten Tugenden zurück. Der mehrfach Oscar-nominierte Film (u.a. "Bester Film", "Beste Regie" und "Beste Hauptdarstellerin") ist eine warmherzige und einfühlsame Hommage an Spielbergs Jugend, die mit einem wundervollen Darstellerensemble und einer einfühlsamen Regiearbeit glänzt. Dabei gelingt dem Film ein fast perfekter Mix aus berührender Tragik und kindlicher Begeisterung, der genau die richtigen emotionalen Knöpfe drückt, um selbst den kaltherzigsten Zeitgenossen am Ende mit einem Lächeln in den eigenen Kindheitserinnerungen schwelgen zu lassen.   


Inspiriert von seinen eigenen Erinnerungen gewährt Spielberg uns im Film einen Blick in das Leben der jüdischen Familie Fabelman in den 1950er und 1960er Jahren in Amerika. Nach einem lebensverändernden Kinobesuch in seiner frühen Kindheit ist der junge Sammy Fabelman (Gabriel LaBelle) geradezu davon besessen Filmemacher zu werden. Mit diesem Hobby trifft aber auf die Skepsis seines Vaters Burt (Paul Dano, "There Will Be Blood", "The Batman"), einem begabten aber sehr verkopften Computeringenieur. Mehr Unterstützung erfährt Sammy dagegen von seiner Mutter Mitzi (Michelle Williams, "Blue Valentine", "Shutter Island"), deren emotionale und künstlerische Seite im krassen Gegensatz zum Logik liebenden Charakter ihres Ehemannes steht. Sammy ahnt noch nicht, dass während seine Liebe für das Filmemachen immer weiter wächst, die zwischen seinen Eltern immer mehr zu bröckeln beginnt.

Spielberg hat ja schon immer darauf hingewiesen, dass er die Scheidung seiner Eltern
mehr als einmal in seinen Filmen verarbeitet hat. Die Verantwortung, die er für seine kleinen Geschwister hierbei übernehmen musste, inspirierte in zu "E.T." und das am Ende von "Die unheimliche Begegnung der dritten Art" ausgerechnet eine Mischung aus Technik (Leidenschaft des Vaters) und Musik (die Mutter war Konzertpianistin) erfolgreich zur Verständigung zwischen zwei gegensätzlichen Fraktionen genutzt wird ist wohl auch kein Zufall. Nun hat der mehrfach preisgekrönte Regisseur seiner Kindheit aber gleich einen kompletten Film gewidmet. "Die Fabelmans" weist wirklich sehr starke autobiographische Züge auf und darum verwundert es auch nicht, dass Spielberg ihn erst nach dem Tod seines Vaters in 2020 (die Mutter starb bereits 2017) angegangen ist.


Auch wenn das Drama rund um das Auseinanderleben von Mutter und Vater das emotionale Herz des Filmes bildet, nutzt Spielberg den Film ebenso dazu das Aufblühen seiner Leidenschaft für das Filmemachen zu dokumentieren. Einige der unterhaltsamsten Sequenzen sind dann auch Sammys mit Freunden durchgeführte Dreharbeiten zu Western - und Weltkriegsverfilmungen (alles tatsächliche Kurzfilme Spielbergs, die sehr detailverliebt eingefangen wurden), deren kreativer B-Movie-Charme und kindliche Begeisterung einem immer wieder ein Lächeln auf die Lippen zaubert. Doch Spielberg nutzt Sammys Leidenschaft fürs Filmemachen, gemeinsam mit Mitzis unterdrückter Leidenschaft für das Piano, auch für etwas nachdenklichere Töne. So kommt er immer wieder auf das Dilemma von Künstlern zu sprechen, die am Ende meist schmerzhaft zwischen einem erfüllten Privatleben und der Ausübung ihrer Leidenschaft wählen müssen.

Es ist dann aber auch typisch Vintage-Spielberg, dass die Botschaft des Filmes bezüglich dieses Dilemmas mit "Folge deinem Herzen auch wenn es wehtut" sehr simpel ausfällt. Aber genauso gelingt es Spielberg, wie eben auch in seinen Frühwerken, diese simple Botschaft so herzerwärmend zu verpacken, dass der Zyniker in einem direkt den Rückzug erklärt. Dies liegt vor allem an der einfühlsamen Charakterzeichnung von Vater, Mutter und Sohn, die einem sehr schnell ans Herz wachsen. Drei herzensgute Figuren, die sich ihrer eigenen Defizite durchaus bewusst sind und alles versuchen dagegen anzukämpfen, aber am Ende selbst mit besten Intentionen das Auseinanderbrechen der Familie nicht verhindern können. Genau das macht die Konflikte und die Tragik dahinter aber erst so richtig bewegend und viel berührender, als wenn man hier einen klassischen Antagonisten mit in den Mix geworfen hätte.


Gestützt wird das ganze von drei unglaublich einfühlsamen und angenehm unaufgeregten Schauspielleistungen, bei der wir neben der Oscar-nominierten Michelle Williams hier auch Paul Dano hervorheben wollen. Der gibt so überzeugend den liebevollen Nerd, der eigentlich viel zu gut für die Welt ist und fast schon verzweifelt um den Erhalt des Familienglücks kämpft, dass er einem spätestens gegen Ende das Herz bricht. Und dann wäre da noch Newcomer Gabriel LaBelle, der nicht nur optisch stark an Spielberg erinnert. Wer sich ein bisschen mit Spielbergs Jugenderinnerungen beschäftigt hat kann nur den Hut davor ziehen, wie LaBelle die Mischung aus dessen Schüchternheit auf der einen und dessen entschlossener Leidenschaft für sein Hobby auf der anderen Seite hier glaubhaft auf die Leinwand bringt. Die besten Szenen des Filmes sind dann auch die Momente, in denen Spielberg seinen Darstellern Raum zum Glänzen gibt. So ruht er gefühlt immer dann eine Ewigkeit mit seiner Kamera auf den Gesichtern seine Protagonisten, wenn diese gerade realisieren, dass ihnen das Leben aus den Händen zu gleiten droht. Da gibt es dann auch für das Publikum keine Chance zu entkommen und da erwischt sich dann auch der Rezensent dabei, wie er sich verstohlen eine Träne aus dem Auge wischt.

Am Ende zeigt sich einfach mal wieder, dass Spielberg ein richtig gutes Händchen für junge Darsteller und den Umgang mit ihnen hat. Wundervoll zu sehen im späteren Verlauf des Filmes bei anfangs sehr klischeehaft wirkenden Ereignissen an einer Schule in Kalifornien. Hier wird Sammy erst gemobbt und dann von einer erzkonservativen Mitschülerin verführt. So simpel und vertraut diese Szenen auch sind, das Auftreten der Figuren ist so liebevoll und warm umgesetzt, dass man aus dem Grinsen gar nicht mehr rauskommt. Und so verzeiht man dem Film dann auch manch andere kleine Schwäche, wie den Auftritt von Seth Rogan, der nicht genug Zeit bekommt, um sein Komiker-Image abzuschütteln und gefühlt immer ein bisschen wie ein Fremdkörper wirkt.


Am Ende ist "Die Fabelmans" ein wundervoller und sehr persönlicher Film geworden, der  auf der einen Seite sehr reif und erwachsen wirkt, dann aber auch voller kindlichem Optimismus steckt. Mit anderen Worten, perfektes Spielberg-Kino. Und dann gelingt dem Film, auch dank eines wundervollen Cameos, auch noch ein wundervoller Schlussakkord, der vor allem Filmliebhaber ziemlich strahlen lassen dürfte. So ist es dann fast ein bisschen schade, dass der Meister für diese warmherzige Liebeserklärung an die eigene Kindheit nicht noch einmal eine Oscar-Statue in die Hand gedrückt bekommen hat. Am Ende muss er sich aber nicht grämen, hat er doch schon genug davon in der Vitrine stehen und ist inzwischen der einzige Regisseur, der in sechs unterschiedlichen Jahrzehnten für einen Oscar nominiert wurde. Und angesichts dieses Filmes sind wir optimistisch, dass vielleicht ja noch ein weiteres hinzukommt.  

 

Bilder: Copyright

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