Der 13-jährige Joe Lamb (Joel Courtney) und seine besten Freunde wollen unter Führung von Möchtegern-Nachwuchs-Regisseur Charles (Riley Griffiths) die Sommerferien 1979 in ihrer lauschigen Kleinstadt damit verbringen, einen eigenen Amateur-Spielfilm zu drehen. Das ist trotz Charles' Obsession für das "production value" seines geplanten Zombie-Streifens und Joes einsetzender Aufregung bei der Besetzung der einzigen weiblichen Rolle mit der Schulschönheit Alice (Elle Fanning aus "Somewhere") nur bedingt spannend, entwickelt sich aber urplötzlich zu einem unglaublichen Abenteuer, als die Kinder-Clique bei einem nächtlichen Dreh zufällig zu Zeugen eines riesigen Zugunglücks wird. Dieses ist bei näherer Betrachtung nicht nur ziemlich mysteriös (es handelte sich um einen Armee-Transport, und die Jungs in Uniform sind sehr erpicht darauf, dass niemand erfährt, was sie da transportiert haben), sondern zieht auch äußerst mysteriöse Ereignisse nach sich. Auf einmal verschwinden im ganzen Ort Elektrogeräte, Automotoren und Stromleitungen, und alle Hunde der Stadt scheinen mit einem mal ausgebüchst zu sein. Joe und seine Freunde wollen dahinter kommen, was die Armee vor ihnen und dem ganzen Ort zu verbergen versucht, während sie die verstärkte Militärpräsenz im Ort geschickt als "production value" für ihren Zombiefilm benutzen.
"Super 8", das neue Werk des weithin für mindestens semi-genial befundenen J.J. Abrams (u.a. verantwortlich für die bahnbrechenden TV-Hits "Alias", "Lost" und "Fringe", den letzten "Mission: Impossible"-Film und den grandiosen Relaunch von "Star Trek"), ist ein Film wie aus einer anderen Zeit. Und das liegt nicht nur daran, dass er 1979 spielt und uns im Zeitalter von Mobiltelefonen mit eingebauter Digitalkamera gänzlich anachronistisch mit ein paar Jungfilmern und ihrer Passion fürs vorsintflutliche Super8-Videoformat kommt. Es liegt vor allem daran, dass "Super 8" den Geist von Filmen aus dieser Zeit atmet, ihn richtiggehend wieder auferweckt, und dabei so erfolgreich ist, dass man ihn - wenn man über die moderne Tricktechnologie hinweg sieht - glatt für einen Film aus den frühen 80ern halten könnte. Präzise: Für einen Film des jungen Steven Spielberg.
Dass Spielberg selbst hier als einer der Produzenten agierte, wirkt da fast ein bisschen befremdlich, denn eigentlich müsste der gute Steven beim Betrachten dieses Films permanent vor Verlegenheit rote Bäckchen bekommen, so unverhohlen zollt ihm "Super 8" Tribut; ihm, dem magischen Kinoerzähler, der von den 70ern auf die 80er mit "Unheimliche Begegnung der dritten Art" und "E.T." dem Publikum wieder das kindliche Staunen beibrachte. Und so durchzieht Abrams' Film nicht nur die sanfte Nostalgie einer eigenen Kindheitserinnerung (es ist sicher kein Zufall, dass die filmverrückten Helden hier genauso alt sind wie es der filmverrückte Abrams selbst im Jahr 1979 war), sondern auch die liebevolle Eleganz einer ehrfürchtigen Hommage.
In der Art, wie Abrams hier die Motive, Bildsprache und Themen des frühen Spielberg aufnimmt und in neuer Verpackung wiederaufbereitet, verbirgt sich nicht nur größtes handwerkliches Geschick, sondern auch ein deutliches Bedürfnis, auf diese Weise jenem Mann Dankbarkeit und tiefsten Respekt zu zollen, dessen Filme Abrams' eigene Kindheit offenbar maßgeblich mitgeprägt haben. Der Geist des jungen Spielberg, diesem ewigen Kind unter den Kino-Fantasten des New Hollywood, wabert hier durch fast jede Szene, von offensichtlichen Details wie direkten Einstellungs-Zitaten aus "Unheimliche Begegnung…" über die gen Ende immer deutlicher werdenden motivischen Parallelen zu "E.T." bis hin zu der Art und Weise, wie Abrams seine jungen Helden zeichnet und einfängt.
Wie kaum ein Filmemacher (präzise: wie kaum einer seit Spielberg) nimmt Abrams seine kindlichen Figuren trotz ihres geringen Alters als eigenständige Persönlichkeiten vollkommen ernst, verzichtet auf Klischees und fängt seine Charaktere sehr glaubwürdig ein in dem Spannungsfeld zwischen unschuldiger Kindheit und beginnender Pubertät, ohne sich auch nur eine Sekunde über sie lustig zu machen. Selten hat man vorpubertäre Jungs so überzeugend ergriffen gesehen wie in jener Szene, als Alice sich bei der ersten Probe für ihren dramatischen Amateurfilm-Monolog unerwartet als Oscar-reife Superschauspielerin erweist.
Diese den gesamten Film umspannende Spielberg-Hommage ist natürlich "nur" eine Meta-Ebene, die man auch leicht übersehen kann, aber selbst wenn einem die Feinheiten entgehen (ist ja schon eine Weile her, dass man das letzte Mal "E.T." gesehen hat, wenn überhaupt…), so geben sie "Super 8" doch eine emotionale Resonanz, die einem konventionell gestrickten Kinder-Abenteuer-Film abgehen würde. Und um das gleich klarzustellen: "Super 8" ist KEIN Kinderfilm. Die Gleichung Abrams+Spielberg geht hier sehr treffend auf, die unschuldigen Fantastereien des einen verbinden sich mit der Vorliebe für mysteriöse Monster des anderen, und so ist "Super 8" auch durchaus treffend beschrieben als "'E.T.' trifft ‚Cloverfield'". Auch wenn die brutalen Details hier nicht ins Bild gerückt werden, an einigen Stellen geht's hier doch eindeutig gewalttätig zu, und Kinder unter 10 Jahren haben in diesem Film nichts zu suchen. Es ist eben ein Kinderfilm im alten Spielberg-Sinne: Nicht so sehr ein Film für Kinder, sondern ein Film über Kinder. Und als solcher wirklich hervorragend.
Rein oberflächlich betrachtet ist "Super 8" ein relativ einfach gestricktes, aber sehr gut ausgeführtes Monster-Mystery-Abenteuer, bei dem J.J. Abrams einmal mehr beweist, dass der ominöse Aufbau eines Geheimnisses filmisch viel mehr Spaß macht als seine Auflösung, weswegen auch "Super 8" gegen Ende ein wenig abfällt, auch wenn hier mehr mit der Effekt-Keule geschwungen wird. Das Besondere jedoch liegt hier im Detail, quasi zwischen den Zeilen der filmischen Erzählung, und so entsteht ein Film mit einem ganz eigenen Ton, einem Sinn für die kindliche Freude am Staunen und Entdecken, wie man es schon sehr lange nicht mehr gesehen hat im Kino. Ein letztlich überraschend unspektakulärer Film für einen J.J. Abrams, aber mit dem Cineasten-Herz absolut am rechten Fleck.
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