
Vielleicht wollte der Meister ja einfach nur mal wieder etwas mehr Aufmerksamkeit. Denn seitdem Steven Spielberg seine eigene Produktionsfirma "Dreamworks" am Laufen halten muss und nicht zuletzt deshalb neue Werke in Abständen von einem Jahr oder sogar weniger in die Kinos bringt, ist der frühere Eventcharakter eines "neuen Spielberg" schon ein wenig verloren gegangen. Dabei sind zwar auch die lockeren Fingerübungen aus seiner Hand wie "Catch me if You Can" oder "Terminal" immer noch überdurchschnittliche Ware, ließen Kritiker und Publikum aber zuletzt doch eher unbeeindruckt. Nun aber die Big Budget-Produktion "Krieg der Welten", ausgerechnet vom Urvater der friedlichen liebevollen Außerirdischen in "Unheimliche Begegnung der dritten Art" und natürlich "E.T.". Und dazu die Forderung des Studios, dass keine Kritiken zum Film vor dem allgemeinen Kinostart veröffentlicht werden dürfen. Dass ist zumindest hierzulande mehr als ungewöhnlich, rechtlich fragwürdig und sorgte daher auch für einen ziemlich Aufruhr von Seiten der Bericht erstattenden Presse. Daraufhin knickte man beim Verleih auch schnell ein und hob dieses "Embargo" letztendlich wieder auf. Da es Pressevorführungen ohnehin erst wenige Tage vor Starttermin gab, war der Effekt ohnehin fast derselbe.
Nur ein Sturm im Wasserglas also, und angesichts des zu besprechenden Filmes stellt sich ja eh die Frage, warum man ausgerechnet bei der Neuverfilmung eines nun wirklich allgemein bekannten Stoffes eine derartige Geheimniskrämerei betreiben muss. Der Invasionsklassiker von H.G. Wells mag ja ein Traumprojekt von Spielberg sein, aber brennendes Verlangen nach einer Neuadaption spürt man als Zuschauer doch eher wenig. Denn eigentlich hatte ja unser deutscher Spielberg Roland Emmerich vor einer knappen Dekade alles zum Thema "Invasion durch Außerirdische" gesagt. Sein "Independence Day" war irgendwie zugleich Höhe-, Tief- und Endpunkt des Genres, und danach konnte doch eigentlich auch Nichts mehr kommen - zumindest Nichts, was man noch ernst nehmen kann oder soll (Tim Burtons "Mars Attacks!" lässt grüßen). Aber soviel sei bereits jetzt verraten: Eine Parodie des Genres liefert Spielberg uns natürlich nicht, oh nein, er nimmt das Ganze sehr, sehr ernst.
Und wählt dabei immerhin einen neuen Ansatz, indem er uns den Blick aufs große Ganze verwehrt. Konsequent erleben wir die Invasion aus der Sicht einer einzelnen Familie, nämlich der von Ray Ferrier (Tom Cruise). Der ehrgeiz- und verantwortungslose Hafenarbeiter übernimmt Tochter Rachel (Dakota Fanning) und Teenager-Sohn Robbie (Justin Chatwin) eher widerwillig mal für ein Wochenende von seiner Ex-Frau (Miranda Otto). Für ihr Essen müssen die Kinder dabei selbst sorgen und in Rays heruntergekommener Wohnung ist es auch nicht gerade gemütlich. Tom Cruise in einer Rolle als "White Trash" also, und das ist doch mal was Neues. Dieser Ray findet zwar das plötzlich am Himmel auftretende Lichtergewitter noch ganz lustig, als kurz darauf jedoch die Straße aufreißt und sich (in einer wirklich beeindruckend komponierten Szene) eine gigantische, alles vernichtende Maschine aus dem Boden erhebt, bekommt Ray genauso schnell Schiss wie alle anderen um ihn herum und nimmt mit seinen beiden Schützlingen Reißaus. Während Sohn Robbie den Angreifern am liebsten eine verpassen möchte, erkennt Ray schnell die Sinnlosigkeit des Widerstands und beweist auf der anschließenden Flucht heraus aus New York zumindest einen gewissen Instinkt, die richtigen und überlebenswichtigen Entscheidungen zu treffen. Während unser Dreigestirn also zunächst ungeschoren davon kommt, treiben bald tausende Leichen den Hudson River entlang....
Das ist ab und zu tatsächlich recht starker Tobak, den Spielberg hier serviert, mit einigen ziemlich spannenden und erschreckenden Szenen und daher im Grunde sogar mehr Horror- als Science-Fiction. Der dramaturgische Kniff, den Zuschauer niemals mehr wissen zu lassen als die Hauptfigur, erweist sich dabei als guter Einfall, der den Eindruck vom absoluten Chaos recht überzeugend vermittelt. Hier gibt es keine Umblendungen auf einen ratlosen Präsidenten oder hilflos diskutierende Militärführer, nur gelegentlich bekommen Ray und das Publikum ein paar Informationsbrocken zugeworfen. Ansonsten richtet sich der Fokus allein auf Ray Ferrier, und da Tom Cruise somit in wirklich jeder Szene dabei ist, hat er die PR-Tour für "seinen Film" auch zu Recht absolviert. Neben seiner soliden Leistung fällt allerdings Dakota Fanning - Hollywoods momentane Standardbesetzung für traumatisierte, aber bereits frühzeitig weise Kinderfiguren - deutlich ab, die einem hier mit ihrem Gehabe zum ersten Mal ein wenig auf die Nerven geht.
Wo liegt nun aber das Besondere, das man von einer Neuinterpretation, insbesondere einer von Steven Spielberg, einfach erwartet? Nun, während man sich beim Anschauen des Films zumindest noch recht gut unterhalten fühlt, bleibt da in der Nachbetrachtung eigentlich nur die ernüchternde Erkenntnis: Nicht viel. Ganz klassisch ist seine Version letztendlich geworden, von der vorlagengetreuen Umsetzung der dreibeinigen Kampfmaschinen bis hin zur plötzlichen Lösung des ganzen Problems.
Die erste Filmfassung aus den fünfziger Jahren mag Spielberg anscheinend auch sehr gerne, was man nicht nur daran erkennt, dass er die beiden alten Hauptdarsteller Gene Barry und Ann Robinson einen kleinen Gastauftritt absolvieren lässt. In gleich mehreren Szenen wird hier sogar diese Erstverfilmung zitiert, seien es die kurzen Erklärungen aus dem Off, das suchende "Auge" der Invasoren oder das Alien in der Schlussszene. Doch halt, denn erstens werden Begriffe wie "Außerirdische" oder "Aliens" in einem seriösen modernen Film gar nicht mehr verwendet, und zweitens ist das dann auch doch noch nicht ganz die Schlussszene. Denn in der wird auf das bis dahin erträgliche Familiengedöns natürlich noch Eins drauf gesetzt.
Die Herren Spielberg und Cruise haben mit "Krieg der Welten" einen meist spannenden und spektakulären Popcornfilm hingelegt, der jedoch weit von der Komplexität ihrer ersten Zusammenarbeit "Minority Report" entfernt ist und auch sonst nichts Besonderes, sondern nur Triviales bietet - unterm Strich also sicher weitaus weniger, als man erwarten durfte. Und wozu nun die ganze Aufregung? Ach, Schwamm drüber.
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