The Dead Don't Die

Originaltitel
The Dead Don't Die
Land
Jahr
2019
Laufzeit
105 min
Regie
Release Date
Bewertung
4
4/10
von Simon Staake / 12. Juni 2019

“Die ganze Sache nimmt kein gutes Ende, Cliff.” Rob Peterson (Adam Driver) hat da so ein Gefühl, als die aus der Achse getretene Sonne den Tag nicht enden lassen will. Der angesprochene Cliff (Bill Murray), seines Zeichens der Polizeichef der schönen Kleinstadt Centerville, findet die Situation ebenso seltsam wie Mindy (Chloé Savoigny), die das Polizeiteam von Centerville vervollständigt. Dabei hat der ebenfalls völlig aus den Fugen geratene Mond die Toten der Stadt noch gar nicht wiederbelebt, was aber nur eine Frage der Zeit ist. Die verschiedenen Bewohner von Centerville – darunter der Horrorfilm-Nerd Bobby (Caleb Landry Jones), der rassistische Bauer Miller (Steve Buscemi), der Handwerkladenbesitzer Hank (Danny Glover) und die exzentrische Bestatterin Zelda Winston (Tilda Swinton) – müssen sich bald zusammen mit dem Polizistentrio dem Angriff der auf Frischfleisch versessenen Untoten erwehren...
 

Jim Jarmusch war ja noch nie ein Regisseur, der sich irgendeiner Mode Untertan macht, und stattdessen redlich in seinen kleinen Filmen sein eigenes Ding durchzieht. Trotzdem – oder gerade deshalb – muss man dann doch mal fragen: Ein Zombiefilm? Warum? Und warum jetzt? Um vom Trend der damals von den schnellen (unechten) Untoten aus “28 Days Later” und dem Remake von “Dawn Of The Dead” losgeschlagenen Zombiefilmwelle zu profitieren ist Jarmusch ja nun mindestens ein Dutzend Jahre zu spät. Nun will er mit einer Zombiegroteske vollgestopft mit Stammschauspielern natürlich nicht das Multiplex erobern, aber er hat ein anderes Problem: In den letzten 15 Jahren haben wir eigentlich alles gesehen, was es mit Zombies zu tun und sehen gibt. Schnelle und langsame, grausame und romantische (“Warm Bodies”), Zombies gegen Stripper oder Pfadfinder, Nazizombies, Zombies in Literaturadaptionen oder gegen amerikanische Präsidenten (“Abraham Lincoln, Vampirjäger”). Das Genre ist dermaßen komplett abgegrast, dass man sich fragen darf, was denn ein Jim Jarmusch mit seiner so eigenen wie eigenwilligen Ästhetik und Vorgehensweise der Gattung noch abgewinnen kann oder will. Und die Antwort ist ernüchternderweise: wenig bis nichts, in beiden Fällen.

Ambitionen hat Jarmusch mit “The Dead Don't Die” schon mal keine großen, denn sowohl Figuren als auch der Plot sind komplett von der Stange, mal abgesehen von Swintons abgefahrener Figur, für deren merkwürdiges Verhalten es eine nicht weniger merkwürdige Auflösung gibt. Stoisch und trocken kommentieren Cliff und Rob das Geschehen, und es scheint, als hätte Jarmusch hier die Krone des König des Deadpan ausgeschrieben, um die sich mit Driver der junge Herausforderer und Murray der alte Schwergewichtschampion schlagen. Beinahe scheint es so, als wäre die Aufgabe, wer die Zombiemassaker um sie herum mit dem trockensten Spruch oder besten Schulterzucken abtun kann.

Aber obwohl man hier die Besten in dieser speziellen Disziplin hat: Abendfüllend ist dies – mit Verlaub – nicht. Zumal Jarmusch wie eigentlich immer in seinen Filmen an Plot nur ganz beiläufig interessiert ist und der Film niemals auch nur den Hauch dramatischer Zuspitzung erfährt. Stattdessen geht es hier von Episode zu Episode, die zudem nicht mal sonderlich witzig daherkommen. Ein paar kleine Schmunzler, das war es dann schon – ein Film, der sich ganz offensichtlich nicht ernst nimmt (und den Zuschauer auch nicht, siehe das mehrmalige Durchbrechen der Realität des Films) muss da schon mehr leisten, zumal Jarmusch wie gesagt an Sachen wie Spannung oder Suspense überhaupt nicht interessiert ist. Aber es reicht eben nicht, seinen Freund Iggy Pop als aufgedunsenen, nach Kaffee schreienden Untoten durch die Gegend staksen zu lassen und zu glauben, dass es damit der Unterhaltung genug ist.

Wie überhaupt Jarmusch erschreckend unoriginell ist. Dass die Untoten wie Pops Kaffeezombie nach den Dingen verlangen, die sie zu Lebzeiten mochten, mag ja vielleicht mit viel gutem Willen noch als Hommage an und nicht als Abklatsch von Romeros Original “Dawn of the Dead” durchgehen. Aber sonderlich Gutes ist Jarmusch eben nicht eingefallen: Statt wie im “Kaufhauszombie” generell nach dem Einkaufszentrum zu gieren, stöhnen die Zombies hier nach “Wi-Fi” oder “Xanax” - hardihar. Und der Rassist Miller trägt eine rote Baseballkappe mit der Aufschrift “Keep America White Again”. Hardihardihar. “The Dead Don't Die” ist von Jarmusch als politische Satire auf die USA unter Donald Trump gedacht, aber ganz ehrlich: Diese Art von Satire hat Großmeister Romero da besser hingekriegt. Selbst sein mit satirischen Spitzen auf das damalige Bush-Regime versehener “Land Of The Dead” war da noch weniger platt, trotz Dennis Hoppers Donald Rumsfeld-Karikatur. Folgerichtig fällt Jarmusch dann auch als Fazit nichts anderes ein als “This is a fucked up world”, vorgetragen von Tom Waits als wie ein griechischer Chor das Geschehen kommentierender Einsiedler.

Waits' Figur ist ähnlich wie die von Swinton ein Zeichen für die Maß- und Formlosigkeit von Jarmuschs Film – absurde Charaktere kommen und gehen, dazwischen gibt es dann hier mal ein Szenchen und da mal eine weitere Absurdität. Wie wenig er sich um Stringenz kümmert, sieht man an dem Trio von Teenagern aus dem Jugendknast, die als mögliche spätere Protagonisten aufgebaut werden, nur um dann nach wenigen komplett nichtssagenden und überflüssigen Szenen einfach aus dem Film zu verschwinden. Der merkwürdige dramaturgische Umgang mit einem Trio von Großstadthipstern (darunter Selena Gomez) lässt sich mit gutem Willen noch als Unterlaufen von Erwartungen lesen, oder mit weniger gutem Willen eben als Ergebnis eines völlig zerfaserten Drehbuchs, das Struktur weder hat noch will. Und wo wir schon bei Maßlosigkeit sind: So super der Titelsong des Films als Tearjerker-Countryballade auch ist – wenn er dann aber im Verlauf des Films zum vierten oder fünften Mal angestimmt wird, ist es dann auch mal gut. Da wird der Quark nur noch mal breitgetreten.

“The Dead Don't Die” ist nichts Halbes und nichts Ganzes, weder konstant witzig genug um als Komödie zu funktionieren, noch dazu geeignet, als irgendwie dramatischer Film durchzugehen. Eine als Genrefilm getarnte Nummernrevue voller mehr oder weniger bekannter Gesichter – das erinnert deutlich an Tim Burtons “Mars Attacks!”, der bei insgesamt besserem Unterhaltungswert ähnlich formlos und episodisch daherkam. Traurig ist dies, als dass Jarmusch mit seinem letzten Film, der poetischen Kleinstadt-Ode “Paterson” einen der besten Filme des flauen Kinojahrs 2016 hinlegte. Wie Jarmusch da seine Strategie der Entschleunigung benutzte, um aus kleinen Alltagsbeobachtungen etwas Besonderes zu machen und fast wie Fontane das richtige Leben im falschen aufzeigte, das war ganz kleines großes Kino. Um so ärgerlicher, dass er nun mit diesem uninspirierten und oftmals schlicht langweiligen Zombie-Ragout daherkommt, welches somit gleich doppelt den Cineastenappetit raubt. Dann also lieber nochmal Romeros Originale oder “Paterson” gucken.

Bilder: Copyright

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