Bühneneingang

MOH (79): 10. Oscars 1938 - "Bühneneingang"

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 29. Oktober 2024

Letzte Woche durften wir in unserer Oscar-Reihe ja einer rein männlichen Schiffscrew bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen, heute erleben wir in unserem nächsten “Best Picture“-Kandidaten zum Ausgleich geballte Frauenpower. So unterhaltsam in “Bühneneingang“ das bunte Treiben in einer Pension für Schauspielerinnen aber auch meist ausfällt, ausgerechnet das Auftreten einiger weniger männlicher Protagonisten wirft einen deutlichen Schatten auf das Geschehen.

Bühneneingang

Originaltitel
Stage Door
Land
Jahr
1937
Laufzeit
92 min
Genre
Release Date
Oscar
Nominiert "Outstanding Production"
Bewertung
7
7/10

Ach, diese unglaubliche Präsenz. Gefühlt könnte man Katharine Hepburn stundenlang dabei zuschauen, wie sie in “Bühneneingang“ einfach im Raum steht – unberührt vom chaotischen Treiben der Schauspielkolleginnen um sie herum. Angesichts des wirklich fast durch die Bank weg sehr charismatischen weiblichen Ensembles des Films ist die Tatsache, dass Hepburn trotzdem stets gefühlt den kompletten Raum einzunehmen scheint wirklich bemerkenswert. Aber bei all dem Charisma vor der Kamera und einem ganzen Feuerwerk an wirklich clever geschriebenen Dialogen, am Ende bleibt bei “Bühneneingang“ auch eine gewisse Leere zurück. Denn soviel Spaß man mit diesen quirligen Damen hier auch hat, die vom Film anvisierten dramatischen Momente verpuffen leider dann doch etwas zu oft.

Fast die komplette Handlung von “Bühneneingang“ spielt sich in einem New Yorker Wohnheim für Theaterschauspielerinnen ab. Die fast immer schlecht verlaufenden Vorsprechen frustrieren zwar unsere meist jungen Bewohnerinnen, doch immerhin leidet man gemeinsam. So verbringt man die Zeit vor allem im großen Aufenthaltsraum, um sich entweder zu trösten, zu motivieren oder einfach nur abzulenken. Als eines Tages die aus wohlhabendem Hause stammende Terry Randell (Katharine Hepburn, “Vier Schwestern“, “Alice Adams“) einzieht wird das bisher nur von kleineren Konflikten heimgesuchte Teamgefüge auf die Probe gestellt. Mit ihrer etwas abgehobenen elitären Art macht sich Terry nämlich nicht gerade Freunde –  allen voran nicht bei ihrer sehr bodenständigen Zimmerbewohnerin Jean (Ginger Rogers, “Scheidung auf amerikanisch“, “Ich tanz' mich in dein Herz hinein“). Als der mächtige Produzent Anthony Powell (Adolphe Menjou, “The Front Page“, “In einem anderen Land“) ein Auge auf Jean wirft beginnt die Situation kompliziert zu werden, da nicht nur Terry sondern auch die schüchterne Kay (Andrea Leeds) sich von Powell eine große Rolle erhoffen. Schon bald überschlagen sich die Ereignisse und der Zusammenhalt der Wohngemeinschaft beginnt erste große Risse zu zeigen.
 


Die meiste Zeit verbringt “Bühneneingang“ im Aufenthaltsraum des Wohnheims in dem stets reger Betrieb herrscht. Bis zu zehn Damen gleichzeitig lassen hier auf unterschiedliche Art und Weise ihren Frust über die perspektivlose Jobsituation ab, weswegen man als Zuschauer ordentlich was geboten bekommt. Da wird über Projekte, Mode oder Männer diskutiert, während andere am Klavier üben oder schon mal ein kleines Lied einstimmen. Dieses (teils) kreative Chaos fängt Regisseur Gregory La Cava so überzeugend ein, dass man sich als Nichtmuttersprachler bei der englischen Originalversion schon ordentlich konzentrieren muss, um alle Feinheiten des konstanten Dialogfeuers mitzunehmen. Und das lohnt sich, denn der oft beißende Sarkasmus und die Ironie der meisten Beteiligten sind über weite Strecken richtig witzig und clever geschrieben. So gut, dass man sich hier und da aber auch wünscht, dass diese Wortgefechte mal kurz innehalten würden, damit man diese noch besser genießen kann.

Interessanterweise können viele der wirklich zahlreichen weiblichen Figuren trotz dem ganzen Trubel durchaus Charme entwickeln. Viele benötigen dafür gar nicht viele Worte und strahlen allein schon durch ihre Äußeres und ihre Mimik einen gewissen Typ und damit verbunden eine gewisse Aura aus. Stellvertretend dafür sei die von Eva Arden gespielte Eve genannt, die zwar meist nur mit leicht süffisantem Blick das Geschehen von der Couch aus beobachtet, aber einfach eine intensive Ausstrahlung mitbringt – und bei der ein paar wenige schnippische Kommentare dann reichen, um dieses Bild zu bestätigen. Man hat so das Gefühl hier echte Persönlichkeiten zu beobachten und nicht einfach nur ein paar Lückenfüllerinnen. Ein klarer Fall von exzellentem Casting und guten Darstellerinnen.
 


Eine gute Casting-Idee war sicher auch die Kombination Rogers und Hepburn. Rogers stand in ihren Filmen ja immer für ihr bodenständiges Freischnauze-Prinzip und bekommt mit der eher Eloquenz und Klasse ausstrahlenden Hepburn den perfekten Gegenpart serviert. Und so sehr sich Rogers auch Mühe gibt, in dem Moment, in dem Hepburn das erste Mal durch die Tür kommt wird der Film wiedermal zur großen Hepburn-Show. Lucille Ball, die im Film Judith spielt, gab später zu Protokoll, dass Hepburn bei den Dreharbeiten einfach wie immer ihr Ding gemacht und das komplette Set ignoriert hätte. Mag nicht sympathisch klingen, sorgt aber für genau die richtigen Vibes hier, denn ihre Figur schwebt wirklich wie aus einer anderen Dimension in die Geschichte rein und erzeugt genau die richtige Reibungswärme. Eine Abgehobenheit, die (und das ist ja die Magie von Hepburn) aber nicht unsympathisch sondern einfach nur fesselnd wirkt. Für Hepburn kam der Film dabei nach einigen Misserfolgen genau richtig, konnte sie doch damit erfolgreich ihren Ruf als “Kassengift“ entkräftigen.

Wäre “Bühneneingang“ nun eine leichtfüßige Komödie könnte man das alles entspannt genießen. Doch der Film will dann doch etwas mehr sein und die Perspektivlosigkeit unserer Schauspielerinnen auch für eine ordentliche Portion Drama nutzen – und genau dabei stolpert er. Weil man den wichtigsten Faktor, die Abhängigkeit der Frauen von der Gunst mächtiger Männer, ziemlich zahnlos angeht. Dabei zeigt man eigentlich gut auf wieviele verschiedene Weisen das berufliche Glück (und die Finanzen) der Frauen an Männer gebunden sein können. Darunter wären ein reicher Vater, der seinen Willen mit Geld erkaufen möchte, ein mächtiger Produzent, der seine Talente für das eigene Vergnügen ausnutzt und ein paar spendable Junggesellen, welche ihre Position ebenfalls geschickt ausspielen. Natürlich liegt es an der damaligen Zeit, dass man dieses System hier nicht so richtig offen kritisiert. Aber aus heutiger Sicht ist gerade das schon fast komödiantisch geschilderte Verhalten des Produzenten Anthony Powell einfach kaum zu ertragen. Der versucht sich die Frauen mit Alkohol gefügig zu machen, um dann über sie herzufallen. Was im Film als locker flockiges “so sind Männer halt“ für Humor herhalten soll, schlägt einem heute aber doch ziemlich auf den Magen und schmälert das Filmvergnügen deutlich.
 

Ebenfalls hat “Bühneneingang“ auch so seine Probleme in Sachen Charakterintegrität, denn so wirklich nachvollziehbar sind manche Handlungen der Figuren im späteren Verlauf nicht. Das betrifft gerade die Figur von Jean, die viel zu spontan eine bis dato nicht gesehene Leichtgläubigkeit gegenüber Powell entwickelt. Aber auch Hepburns Figur, die am Ende konträr zu ihrer Entwicklung im Film deutlich egoistischer als vermutet handelt. Und ein großer dramatischer Moment wird am Ende einfach zu melodramatisch ausgeschlachtet, was dann auch zu einer sehr verwaschenen Botschaft des Filmes führt, bei der die männlichen Figuren eindeutig zu gut wegkommen.

So ist “Bühneneingang“ zwar über weite Strecken richtig unterhaltsam, fühlt sich am Ende aber doch weniger gehaltvoll als angesichts der Story benötigt an. Und ist vielleicht gerade weil die Männer in zu positivem Licht dargestellt werden, unbeabsichtigt dann doch ein gutes Beispiel für die schwierige Situation von Schauspielerinnen in der damaligen Zeit. Weswegen ich symbolisch für all diese zum Abschluss hier zumindest kurz an die durchaus interessanten Karrieren einiger der Nebendarstellerinnen von “Bühneneingang“ erinnern möchte. Die Bühne gehört euch, Vorhang auf:

Der größte Erfolg war Lucille Ball vergönnt, die mit der Sitcom “I love Lucy“ sich in den USA Legendenstatus sicherte und von Aaron Sorkin in “Being the Ricardos“ vor wenigen Jahren sogar ein eigenes (wenn auch nicht gutes) Bio-Pic erhielt. Eva Arden wiederum sicherte sich 1946 für ihre Leistung in “Solange ein Herz schlägt“ immerhin eine Oscar-Nominierung für die beste Nebenrolle, spielte in Otto Premingers Meisterwerk “Anatomie eines Mordes“ und erhielt noch im hohen Alter Gastrollen in Fernsehserien. Geil Patrick kehrte Ende der 1940er Hollywood den Rücken und wurde erst eine erfolgreiche Designerin und dann eine der ersten Fernsehproduzentinnen Amerikas (u.a. für “Perry Mason“). Andrea Leeds hängte ihre Schauspielkarriere auch zügig an den Nagel und wurde Pferdezüchterin. Und Constance Collier spielt nicht nur im Film eine ältere Mentorin für die Nachwuchsschauspielerinnen, sie hatte diesen Job davor und danach auch im echten Leben inne (und die Liste ihrer einstigen Schauspielschülerinnen ist mit Audrey Hepburn, Vivien Leigh, Marilyn Monroe und Katherina Hepburn nun wirklich beeindruckend).  

Abschließen möchte ich mit Ann Miller. Deren Karriere schien nach dem Film erst zu versanden, wurde dann aber durch eine Reihe von Auftritten in Musicals in den 1950er Jahren kurzzeitig wiederbelebt, bevor auch sie ihre Filmkarriere zu den Akten legte. Bis im Jahr 2001 ein gewisser David Lynch sie noch einmal für einen Auftritt in “Mulholland Drive“ überredete. Ein Film, in dem eine junge Frau sich voller Hoffnung in das Haifischbecken Hollywood begibt. So schließt sich der Kreis.

"Bühneneingang" ist aktuell als DVD-Import auf Amazon in Deutschland verfügbar.

 


Trailer zu "Bühneneingang"


Ausblick
In unserer nächsten Folge erleben wir ein Déjà-vu der schlechteren Sorte, wenn Hollywood wiedereinmal die Kopiermaschine anwirft und großes Spektakel ohne Seele liefert.


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