50/50 - Freunde fürs (Über)leben

Originaltitel
50/50
Land
Jahr
2011
Laufzeit
100 min
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Frank-Michael Helmke / 28. Februar 2012

Bevor Regisseur Robert Schwentke nach Hollwood ging und sich dort mit Filmen wie "Flightplan" oder "R.E.D." eine respektable Mainstream-Karriere aufbaute, bekam er mit knapp 30 Jahren Hodenkrebs und verarbeitete diese Erfahrung in dem wundervollen Film "Eierdiebe", den man sich - sofern man ihn nicht schon gesehen hat - unbedingt angucken sollte, wenn er einem über den Weg läuft. "50/50" ist ein Film, der mit "Eierdiebe" sehr viel gemeinsam hat, und dabei erfreulicherweise eine ähnlich hohe Qualität erreicht - auch wenn das Krebsthema hier nicht mit ganz so viel Sarkasmus, aber immer noch viel gesundem Humor behandelt wird.

Drehbuchautor Will Reiser teilt mit Robert Schwentke die Erfahrung, schon in jungen Jahren an Krebs erkrankt zu sein. Reiser war nicht einmal 30, als bei ihm eine seltene Form von Wirbelsäulen-Krebs diagnostiziert wurde. Nun ist Reiser zwar nicht wie Schwentke ein etablierter Regisseur gewesen, aber immerhin ein TV-Comedy-Autor und ein sehr guter Freund von Seth Rogen, und der war dann auch dabei behilflich, Reisers filmische Verarbeitung seiner Erkrankung und ihrer Auswirkungen zu verwirklichen.

Das Ergebnis heißt "50/50" und erzählt die Geschichte des harmlosen, liebenswerten Adam (Joseph Gordon-Levitt, "Inception", "(500) Days of Summer") der mit chronischen Rückenschmerzen zum Arzt geht und erfährt, dass er einen Tumor an der Wirbelsäule hat. Der sehr sachliche und herzlose Doktor unterbreitet ihm seine Überlebenschancen: 50 zu 50. Von einem Tag auf den anderen ändert sich alles in Adams Leben, und die Menschen, die ihm am nächsten stehen, reagieren sehr unterschiedlich auf seine Diagnose: Seine Mutter (Anjelica Huston), die sich bereits Vollzeit um einen an Alzheimer erkrankten Ehemann kümmern muss, schaltet in überprotektiven Gluckenmodus und will sich mehr kümmern, als Adam lieb ist. Seine nur bedingt brauchbare Freundin Rachael (Bryce Dallas Howard) will für Adam da sein, so wie es die gesellschaftliche Moral in dieser Situation von ihr erwartet, scheitert daran jedoch ziemlich kläglich. Einzig Adams bester Freund Kyle (Seth Rogen) glänzt mit einem zupackenden Pragmatismus, wo einfach getan statt lange drüber geredet wird. Und wenn man drüber redet, dann bitte genauso frech und höhnisch, wie es nur wirklich gute Freunde miteinander können.

"50/50" ist ein Film über Krebs, ohne dabei hochdramatisch zu sein. Das wäre angesichts seines Themas auch zu einfach. Stattdessen versucht er genau wie "Eierdiebe", das Komische im Tragischen zu finden, ohne dabei morbide oder geschmacklos zu werden, und die Erfahrung einer Krebserkrankung ausreichend realistisch zu zeigen, ohne sich dabei zu verbieten, zwischendurch auch mal lachen zu dürfen. Er zeigt auch, wie schwer es anderen Menschen fällt, mit einem Krebskranken umzugehen, vor allem wenn es ihn wie Adam in solch tragisch jungem Alter trifft. Besonders schön zeigen das die Szenen mit Adams Psychotherapeutin Katherine (Anna Kendrick, "Up in the Air"), die ihm eigentlich durch die seelische Belastung helfen soll, von der Situation jedoch noch so überfordert ist (Adam ist erst ihr dritter Patient), dass ihre Sitzungen eher zu Coaching-Stunden für Katherine werden, in denen Adam ihr Tipps gibt, ob sie ihre Lehrbuch-Methoden in der Praxis gekonnt anwendet. Das sind wunderbare, leise humorvolle Szenen, die auch von Anna Kendricks erstaunlichem Charme leben, wenn sie verunsichert spielt.

Solch schöne Momente wie diese gibt es viele in "50/50", Momente in denen man lachen kann, obwohl die Tragik spür- wenn nicht sogar überdeutlich sichtbar ist. Zum Beispiel wenn Adam nach seiner ersten Chemo-Therapie, in der ihm seine betagte Therapie-Bekanntschaft Alan (Philip Baker Hall) ein paar Marihuana-Muffins angeboten hat, völlig stoned und glückselig aus dem Krankenhaus schwebt, vorbei an trauernden Angehörigen und gefüllten Leichensäcken. Oder als Adam beschließt, sich die Haare abzurasieren, bevor sie ihm sowieso ausfallen, und die Frage aufkommt, wo an Kyles Körper der Rasierer zum letzten Mal zum Einsatz kam. All dies wird getragen von einem wundervoll agierenden Ensemble, dass seinen sehr realistisch gezeichneten Figuren absolut verpflichtet bleibt und von der zurückgenommenen Regie Jonathan Levines gekonnt dazu geführt wird, die Authentizität jeder Situation sich selbst tragen zu lassen, anstatt durch überakzentuiertes Schauspiel noch mehr Drama (oder Komik) aufzulegen und die Szene so ins Unnatürliche zu verzerren.

"Tumor ist, wenn man trotzdem lacht" war quasi der Leitsatz von "Eierdiebe" und passt als solches auch perfekt zu "50/50". Natürlich verkneift es sich der Film, die tatsächliche Tragik und Qual einer Krebserkrankung in allen Details zu zeigen, aber er bleibt gerade in seiner unaufgeregten Inszenierung und Handlungsführung authentisch genug, als dass man ihm glaubt, was er erzählt. Und das muss man bei solch einem tränenrührigen Thema auch erstmal hinbekommen.

Bilder: Copyright

7
7/10

Witzig, warmherzig und auch ein bißchen traurig. Die Zutaten werden zu einem stimmungsvollen Ganzen zusammengemixt. Herausgekommen ist ein sehr sehenswerter Film, den man sich wirklich anschauen sollte.

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