Die Eröffnungssequenz von "Michael Clayton" macht Lust auf mehr: Da macht sich Herr Clayton (George Clooney), seines Zeichens "Saubermacher" für eine große Anwaltskanzlei, auf den Weg, die Fahrerflucht eines Mandanten aufzuklären. Er hält am Straßenrand, um sich ein paar Pferde auf einer Weide genauer anzusehen, und bumm, fliegt sein schicker Wagen in die Luft. Warum man ihm nach dem Leben trachtet, wird uns in Rückblende erzählt: Clayton wird von seinem Boss Marty (Sidney Pollack) auf seinen alten Freund und Kollegen Arthur Edens (Tom Wilkinson) angesetzt. Dieser verteidigt einen großen Konzern, zeigt aber erratisches Verhalten und den Willen, ins gegnerische Lager überzulaufen. Und während Clayton so seine Mühe hat, den unberechenbaren Kollegen unter Kontrolle zu bringen, zeigt sich Karen Crowder (Tilda Swinton), die Assistentin des Konzernbosses, besorgt und trifft ihre eigenen Maßnahmen, um die Machenschaften ihrer Firma zu vertuschen.
Dies ist dann das "mehr", auf das man Lust bekommen hat, aber eben jene verfliegt doch recht schnell. Denn nach dem guten Anfang lässt "Michael Clayton" - der Film, nicht die Figur - doch deutlich nach, was dann auch für das Zuschauerinteresse gilt. Hauptproblem ist, dass man das alles schon gesehen hat - schon schlechter, klar, aber auch deutlich besser. Neben solch mittelmäßigen Streifen wie "Der Regenmacher" und "Zivilprozess" haben Dramen wie "The Insider" und "Erin Brockovich" die illegalen Machenschaften von großen bösen Konzernen dargestellt, und das intelligent, teilweise provokant und unterhaltsam.
Dass "Michael Clayton" diesem Thema so gar nichts Neues hinzufügt darf dann neben einem recht langatmigen Tempo als größte Schwachstelle gelten. Klar, das bleibt immer ansehnlich und meistens auch interessant, aber man sollte meinen, dass Autor und Regisseur Tony Gilroy nach seiner Mitarbeit an der "Bourne"-Reihe, die ja immerhin den Agentenfilm mal eben neu erfand, mehr als nur das Übliche bieten will. Aber es reichen ihm offenbar die typischen Versatzstücke des Genres, die er durchaus stilvoll aber ohne jegliche Überraschung zusammenbaut. Das Tempo entspricht der alten 1970er Jahre-Thriller-Schule eines Sidney Lumet, in der behutsam und (manchmal auch etwas zu) langsam die Geschichte aufgebaut wird.
Die größten Pluspunkte des Films, die die Schwächen des Drehbuchs zumindest teilweise wieder aufwiegen, sind natürlich die Schauspielleistungen, die das Darstellertrio Swinton, Wilkinson und Clooney bringt. Alle müssen mit dem ihnen gegebenen, limitierten Material zurechtkommen, was mal besser, mal schlechter gelingt. Jedoch blitzt die Klasse der Darsteller immer wieder auf, sofern das Drehbuch es zulässt. Wilkinson hat die sowohl auffälligste als gleichzeitig auch undankbarste Rolle als missionarischer Irrer, Swinton spielt wie so häufig ihre Figur als frostige Eisprinzessin. Es gelingt ihr aber gut, der dünn charakterisierten Karen trotz ihrer verwerflichen Taten zumindest Mitgefühl zukommen zu lassen, indem sie den Druck zeigt, der auf ihr lastet. Und Clooney sieht nicht nur, so versichert einem die weibliche Begleitung, hier besser aus als je zuvor, sondern spielt auch überzeugend den Anwalt in Gewissensnot.
Aber eben diese Gewissensnot bringt den Film selbst in Not, denn gerade diese zentrale Charakterfrage kann nicht überzeugen. Dafür ist George Clooneys Michael Clayton zu offensichtlich ein eigentlich guter Kerl und man sieht - wie auch bei Wilkinsons Figur - zu keinem Moment ein Beispiel für die moralisch verwerflichen Taten, die beide angeblich seit Jahren betreiben. Dadurch beraubt der Film sich selbst seiner Grundlage des moralischen Dramas von Wandlung und Sühne, weil der Zuschauer jene behauptete Wandlung eben nicht nachvollziehen kann. Gilroy versucht, durch Claytons Geldnöte eine zusätzliche Versuchung aufzubauen, aber da die moralische Frage wie gesagt von vornherein offensichtlich entschieden ist, hilft das auch nicht viel, stattdessen verlangsamt die Nebengeschichte um Geldmangel und Spielschulden das ohnehin schon legere Tempo.
Das Ganze ist fein gefilmt und ordentlich inszeniert, legt aber nie das Stigma ab, weder wirklich zwingend noch wirklich nötig zu sein. Und so nimmt "Michael Clayton" seine guten Intentionen und guten Darsteller und begräbt sie in einem Film, dem man das Prädikat "besser gemeint als gemacht" aufdrücken muss. Da kann der Clooney-Schorsch hier noch so lecker aussehen.
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