Selbst wer dem Film-Universum aus dem Hause Marvel gar nicht so wohl gesonnen oder einfach aufgrund der inflationären Zahl neuer Beiträge ein wenig davon ermüdet ist, kann nur schwer bestreiten, dass der immense Erfolg der Reihe schon auch irgendwo verdient ist. Denn egal welchen neuen, obskuren Helden mit vermeintlich begrenztem Blockbuster-Potential man noch ins Feld warf, jeder Ant-Man, Doctor Strange oder Guardian of the Galaxy entpuppte sich dann doch wieder als interessant und eigenständig genug um die allermeisten Zweifler zu überzeugen. Fast jeder neue Marvel-Film erwies sich dann halt doch wieder als ein bisschen anders im Vergleich zu den vorhergehenden, und so ist es bis heute gelungen, das nun bereits 17 Filme umfassende "Cinematic Universe" konstant frisch zu halten. Dieses Kunststück gelingt nun auch dem dritten Film mit dem nordischen Donnergott Thor als Titelhelden, doch auch wenn das an sich sicher erfreulich ist, dürften sich bei diesem Werk nun ein wenig die Geister scheiden. Denn „Thor: Ragnarök“ (um dem Originaltitel den Vorzug gegenüber dem nichtssagenden deutschen zu geben) ist tatsächlich die erste reinrassige Komödie innerhalb der Reihe, ein Film bei dem praktisch überhaupt gar nichts mehr ernst genommen wird und der so natürlich auch in starkem Kontrast zu seinen beiden direkten Vorgängern steht.
Denn die einst von Kenneth Branagh, dem britischen Fachmann fürs Bombastische, so episch und würdevoll inszenierte Welt von Asgard und Co. präsentiert sich hier nun als Spiel- und Rummelplatz für alberne Streitereien und Ego-Shows ihrer mächtigsten Bewohner. Wir erinnern uns: Der verschlagene Loki (Tom Hiddleston) hatte am Ende von „The Dark Kingdom“ mal wieder einen unerwarteten Trumpf ausgespielt und heimlich unter der Maske von Göttervater Odin (Anthony Hopkins) dessen Thron bestiegen. Aktuell übt der falsche König allerdings weniger Terror aus, als sich an einem neckischen Theaterstück zu erfreuen, in dem vor allem sein verhasster Stiefbruder Thor (Chris Hemsworth) ziemlich schlecht wegkommt. Genau der macht allerdings der miesen Scharade dann schnell ein Ende und schaut zusammen mit Loki nochmal kurz bei Papa Odin vorbei, der die beiden vor dem nahenden „Ragnarök“, dem Untergang der Götter warnt, für den ein weiteres Familienmitglied in Form seiner Tochter Hela (Cate Blanchett), der Göttin der Unterwelt, sorgen wird. Bevor jedoch die beiden Brüder etwas dagegen unternehmen können, werden sie auch schon von Hela auf einen weit entfernten Planeten geschleudert. Auf Sakaar organisiert der dort herrschende Grandmaster (Jeff Goldblum) für sein Volk Gladiatorenkämpfe und sieht in Thor eine neue Attraktion für seine Arena. Der unbezwingbare Gegner, den er dort für den Asen bereithält, ist für den allerdings ein alter Bekannter...
Nämlich Bruce Banner alias „Hulk“, der nach wie vor in der Verkörperung durch Mark Ruffalo ohne weiteren eigenen Film auskommen muss, hier nun aber dafür sehr wirkungsvoll eingesetzt wird. Sein Auftritt dürfte aber kaum jemanden überraschen, wurde der doch bereits im zigmillionenfach angeklickten Trailer zum Film munter gespoilert. Und Thors Reaktion „Yes, den Typ kenn ich doch von der Arbeit“ gab dann auch gleich die Richtung vor, in die sich „Ragnarök“ entwickelt: Nämlich hin zur reinen Comedy, bei der es vor allem darum geht in jeder Situation noch einen möglichst witzigen und lockeren Spruch parat zu haben. Das wird hier schon nach wenigen Minuten klar, wenn Thor im Prolog in die Fänge des mächtigen Feuerdämons Surtur gerät, was ihn aber nicht daran hindert, auch in Ketten munter rumzualbern und sein Gegenüber zu verspotten.
Chris Hemsworth hat ja zuletzt mit seinem selbstironischen Auftritt in „Ghostbusters“ bereits eine Hinwendung zum Komödianten erkennen lassen und es dürfte daher wohl ganz in seinem Sinne sein, das er sich da nun auch als Thor so richtig austoben darf – und das auch tut, wodurch der bisher doch für die Faktoren Spaß & Coolness zuständige Tom Hiddleston als Loki eindeutig mehr in den Hintergrund rückt. Die Hauptverantwortung für den massiven Richtungswechsel nach „Dark Kingdom“ trägt aber zweifellos der von den Studio-Mächtigen offenbar sehr bewusst ausgewählte neuseeländische Regisseur Taika Waititi. Der erregte zunächst mit der skurrilen Serie „Flight of the Concordes“ Aufsehen, bevor er mit den Alltagsabenteuern seiner Vampirfamilie in „5 Zimmer, Küche, Sarg“ auch den Kinogängern auffiel. Es war also eigentlich klar was man von Waititi (der hier auch selbst als Darsteller des computeranimierten Arena-Kämpfers „Korg“ mitwirkt) geliefert bekommen würde.
Was soll man aber nun davon halten, wenn selbst die potentiell höchst interessante Schurkenrolle der Hela zwar mit einer Charakterdarstellerin von Schlage einer Cate Blanchett besetzt wird, aber auch diese eben eher die Persiflage einer Welteroberin gibt und ihren pathetischen Ansagen ebenfalls einen die Ernsthaftigkeit umgehend konterkarierenden One-Liner hinterherschiebt („Doch, ich glaube, ich tue das hauptsächlich aus Lust am Töten“)? Ach ja, und selbstverständlich ist auch jede Szene mit dem Zeremonienmeister von Jeff Goldblum auf Komik ausgelegt und auch dessen Darstellung ist ganz einfach... köstlich. Als Zugabe gibt es dazu noch einen der witzigsten der obligatorischen Cameo-Auftritte von Marvel-Ikone Stan Lee überhaupt.
So richtig meckern kann man daher kaum, wenn die Gags nun mal überwiegend sehr gut sind und zünden, so dass wohl kaum jemand behaupten wird sich nicht ausgesprochen gut unterhalten zu haben, bei diesem knallbunten, krachenden Weltuntergang. Und dass das Ganze dann zudem noch gewohnt gut aussieht und mit den Arenakämpfen sowie dem farbenprächtigen Müllplaneten ein paar echte Schauwerte liefert, ist ebenfalls nicht zu leugnen. Nur ernst nehmen kann man das Geschehen eben selbst dann nicht mehr, wenn es doch mal ernst gemeint ist und man sich im Verhältnis der Figuren zueinander um echte Dramatik bemüht – dafür ist die Fallhöhe aufgrund der direkt davor praktizierten Albernheiten einfach zu hoch und der Stilwechsel zu abrupt. Ob man sie wirklich gut findet, diese Entwicklung zur halben Selbstpersiflage ist dann letztlich also eine Geschmacksfrage. Man darf auf jeden Fall gespannt sein wie das breite Publikum sie beantwortet, denn das könnte für die weitere Ausrichtung des Marvel Film-Universums einen deutlichen Fingerzeig bedeuten – noch ist es ja durchaus möglich, dass es bei diesem einmaligen Ausflug ins Extreme bleibt.
Neuen Kommentar hinzufügen