Jarhead

Originaltitel
Jarhead
Land
Jahr
2005
Laufzeit
122 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Volker Robrahn / 11. Juni 2010

Der eigentliche Krieg mag schnell vorbei gewesen sein, aber der Irak ist heute weit davon entfernt zur Ruhe zu kommen, und bis die aktuellen Ereignisse in Form von Spielfilmen aufgearbeitet werden, wird sicher noch einige Zeit vergehen. Überraschender ist da schon eher die Tatsache, dass sich Hollywood mit dem ersten Golfkrieg unter einem Präsident Bush bisher nur wenig beschäftigt hat. Eigentlich gibt es mit "Three Kings" sogar nur einen interessanten und auch gelungenen Beitrag zum Thema. Bis auf wenige Ausnahmen scheint es doch oft einige Jahre zu brauchen, bevor die Zeit für Rückblick und Reflexion gekommen ist. Diese Ausnahmen (zum Thema Vietnamkrieg hießen sie "The Deer Hunter" und "Apocalypse Now") entfalten dafür aber meist auch eine deutlich emotionalere Wucht und Wirkung als ihre oft analytischer vorgehenden Epigonen.
Für Anthony Swofford gilt dies nicht. Mehr als eine Dekade ließ dieser sich Zeit, um schließlich ein Buch über seine Erlebnisse als damals gerade zwanzigjähriger Rekrut während der "Operation Desert Storm" zu verfassen. Dieses ehrliche und humorvolle Werk aus der Sicht eines Menschen, der tatsächlich selbst dabei war, wurde zu einem Überraschungs-Bestseller, zu dem auch umgehend die Filmrechte verkauft werden konnten.
Zweifel, ob die Qualität des Buches auch auf die Leinwand gerettet werden kann, sollten bei einem Blick auf die Hauptverantwortlichen des Films eigentlich gar nicht erst aufkommen. Denn alle vier Hauptdarsteller konnten in den letzten Jahren mit feinen Rollen auf sich aufmerksam machen und bürgen mittlerweile für ein sehr hohes Niveau (wobei man Chris Cooper hier schon ein wenig hinten anstellen muss, da seine Rolle doch eher Gastspielcharakter hat). Dazu als Regisseur mit Sam Mendes ein Mann, der seine Stoffe mit sehr viel Bedacht auswählt und uns bisher mit zwei genauso hervorragenden wie grundverschiedenen Filmen beeindruckt hat. Ab sofort sind es drei, denn nach "American Beauty" und "Road to Perdition" überzeugt auch "Jarhead" in den allermeisten Punkten.

"Jarheads", so nannte man sie und so nannten sie sich auch selbst, die einfachen Marines, die von ihren Befehlshabern mal hier und mal dahin beordert wurden und die meist nur wenig davon mitkriegten, was in den Schaltzentralen dieses Krieges gerade wieder neu entschieden wurde. Anthony Swofford (Jake Gyllenhaal) erkennt schon nach wenigen Tagen Drill in guter alter "Full Metal Jacket"-Manier, dass es vielleicht doch keine so gute Idee war der Armee beizutreten. Seine Motivation wird aber etwas gesteigert, als man damit beginnt ihn zu einem "Sniper" auszubilden, einem der auf den perfekten Schuss trainierten Scharfschützen. Da Anthony das Glück beziehungsweise Pech hat, in einer sehr ereignisreichen Zeit bei den Marines einzusteigen, dauert es nur kurze Zeit bis seine Einheit als eine der allerersten in die Saudi-Arabische Wüste verlegt wird. Der Irak unter Saddam Hussein hat gerade Kuwait überfallen, und während die Entscheidungsträger beraten was nun dagegen zu tun sei, bereitet Staff Sergeant Stykes (Jamie Foxx) seine Leute schon mal vor Ort auf den Ernstfall vor.
Doch der lässt noch Monate auf sich warten, und die Stimmung bei den unter ständiger Anspannung stehenden Soldaten verschlechtert sich zusehends. Meistens gibt es Nichts zu tun, außer eher sinnlosen Märschen und Übungen. Zum Ausgleich ärgert man die Kameraden, lässt seine Aggressionen beim Footballspielen raus oder peitscht sich beim Walkürenritt aus dem schon erwähnten "Apocalypse Now" auf eine Art auf, die ein gewisser Herr Coppola bestimmt nie beabsichtigt hatte. Die Sonne brennt, und einer nach dem anderen hält irgendwann einen Brief von der Freundin in der Hand, in dem sie um Verständnis dafür bittet, sich nun doch einem anderen Kerl zugewandt zu haben. Irgendetwas muss passieren, sei es nun die Fahrt nach Hause oder endlich der Ernstfall.

Aber lange Zeit passiert eben nichts, und wer dem Film daher ein "langweilig" entgegenschleudert, hat grundsätzlich erstmal einfach Recht und darf das gerne tun. Als Kritikpunkt taugt es aber nur bedingt und auch nur für den, der sich auf einen "klassischen" Kriegsfilm mit entsprechender Dramaturgie eingestellt hat. Nein, hier gerät die Einheit nicht ständig in Gefahr oder einen Hinterhalt, wird nicht ergreifend der Kamerad gerettet oder für ihn gestorben. Wir erleben dagegen einen Haufen junger Männer, die von der gesamten Situation eigentlich völlig überfordert sind, denen keiner so richtig sagen kann was sie genau dort sollen und von denen jeder versucht, sich so gut es geht unter Kontrolle zu halten.
Und dies ist alles andere als langweilig anzusehen, sondern dank der ausgezeichneten Darsteller vielmehr eine sehr spannende Sache. Der bisher eher als leicht kauziger Typ eingesetzte Jake Gyllenhaal ("Donnie Darko", "The Day after Tomorrow") zeigt hier eine völlig unerwartete physische Präsenz und Dominanz. Ihm zur Seite steht Peter Sarsgaard als sein Partner Allen, dem es wie schon kürzlich in "Flightplan" gelingt, ganz langsam von nett und unscheinbar auf potentiell immer gefährlicher zu wechseln. Denn wenn dieser Allen nicht wenigstens einmal dazu kommen wird, seinen "perfekten Schuss" setzen zu dürfen, wird es wohl böse enden. Diese Wirkung erreicht Sarsgaard vor allem mit dem Einsatz seiner Stimme, und das ist nur ein ganz pragmatisches Argument dafür, sich diesen Film doch möglichst in der Originalfassung anzusehen, auch wenn man dann vielleicht nicht jeden gebrüllten Satz und jeden coolen Spruch hundertprozentig mitbekommt. Denn vom Bemühen um Authentizität, vom "mittendrin" sein unter oft chaotischen Bedingungen geht bei der unnatürlichen Übertragung in eine andere Sprache sonst zwangsläufig Einiges verloren.
Die beiden Jungschauspieler stehlen letztendlich sogar dem inzwischen zum Star aufgestiegenen Jamie Foxx die Show, an dessen genauso schnodderigen wie korrekten Drill-Sergeant es aber ebenfalls überhaupt nichts auszusetzen gibt. Nicht nur die Figur von Foxx sorgt auch dafür, dass "Jarhead" längst nicht so düster und ernsthaft daherkommt, wie es nach den bisherigen Schilderungen vielleicht den Eindruck macht. Es gibt durchaus Einiges zu lachen mit den Marines, die ihren etwas derben Humor zum Frustabbau auch dringend benötigen.
Etwas bitteren Zynismus bringen dann schließlich die eingefügten Kommentare des Erzählers Swofford ins Spiel, die mit zeitlicher Distanz auf das Erlebte zurückblicken. Wobei der etwas zu oft eingesetzte Off-Erzähler als Hilfsmittel auch hier wieder eher überflüssig ist, dient er doch letztendlich nur dazu, dem Zuschauer noch einmal ganz klar zu machen, dass ein Soldat auch nach dem Krieg immer ein Soldat bleibt und die Waffe zumindest mental nie ganz aus der Hand geben kann. Nun ja …

Ob und wie stark "Jarhead" auf sein Publikum wirkt, hängt allerdings stark von dessen Bereitschaft ab, sich ins Geschehen einfach mitnehmen zu lassen. Wer sich von vornherein nicht ansatzweise mit diesen Leuten identifizieren kann, wird auch keine Mühe haben hier Distanz zu wahren und das Gezeigte als uninteressant und banal zu empfinden. Er wird von der Kamera, die den Protagonisten häufig direkt im Genick sitzt, vielleicht eher genervt sein und sich höchstens von den spektakulären Bildern der brennenden Ölfelder beeindrucken lassen. Wir haben es hier auch definitiv nicht mit einem Antikriegsfilm zu tun, den "Jarhead" bezieht politisch keinerlei Stellung und wird auch dafür mit Sicherheit von verschiedenen Seiten kritisiert werden. Aber Sam Mendes ist mit der werkgetreuen Adaption von Anthony Swoffords Vorlage auf jeden Fall ein interessanter neuer Ansatz gelungen: nämlich ein Film nicht über, sondern erzählt von Soldaten.


die erste halbe stunde is geil der rest nur was für die ton e

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Hi, ich hab den Film noch nicht gesehen, bin aber nach Lesen der Kommentare sehr gespannt und werd ihn mir demnächst mal besorgen.

Danke übrigens, Mrs Dalloway und Sepp und andere, dass ihr angesichts dieser polemischen Tiraden hier an den gesunden Menschenverstand appelliert. Obwohl: ich muss sagen, dass ich die Reaktion auf Christophers Kritik und seine Repliken ja wirklich sehr amüsant und unterhaltsam fand :). Nein, ehrlich, das wird hier zum Teil echt zu persönlich und ich frag mich, ob hier eigentlich alles zugelassen wird (kann mich erinnern, gelesen zu haben, dass sich die Webmaster vorbehalten, Beiträge, die unter Niveau sind und der Diskussion nicht zuträglich, zu streichen. "Halt Dein Maul" z.B. würde da für mich dazugehören)? Ich finde auch, dass Christopher (immerhin nicht anonym und damit mutiger als andere hier) seine Kritik ausführlich begründet und das find ich besser, als einfach nur zu schreiben, "Film ist Scheiße" oder so was.
Das wollt ich nur schnell loswerden. Bin ansonsten schon gespannt darauf, welche der Eindrücke hier ich dann im Film wiederfinden werde.

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7
7/10

Ich finde ein ordentlicher Film über die Probleme moderner Kriegsführung, möglicherweise zu modern für die Entscheidungsträger.
Die Soldaten werden total heiß auf das Töten gemacht, und dann durch endloses Warten auf einen Kampf der niemals kommt (da er wie auch sie selbst einfach überflüssig ist) zermürbt. Andererseits werden sie z.B. auf Kontakt mit Zivilisten in einem fremden Land nicht wirklich vorbereitet.
Dabei bleibt der Film aber recht neutral und ich würde ihn nicht als Propaganda-Film bezeichnen, weder für noch gegen den Krieg - was ich als klaren Pluspunkt sehe.

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