Nachdem der brasilianische Regisseur Fernando Meirelles mit "City of God" 2004 einen der besten Filme des Jahres ablieferte und in der Kategorie bester Regisseur für den Oscar nominiert wurde, war man sehr gespannt auf sein nächstes Werk. Die John le Carré-Verfilmung "Der ewige Gärtner" ist ein würdiger Nachfolger geworden, in dem Meirelles statt Kindergangs in Rio de Janeiros Slums den Missbrauch von Aidskranken als Versuchskaninchen der Pharmakonzerne zeigt. John le Carrés Buch ist zwar ein Thriller, hat aber mit den Spionagegeschichten, mit denen der Autor weltberühmt wurde, wenig zu tun. Bis heute wird dieser Roman als wohl wütendstes Werk des britischen Autors bezeichnet.
Der britische Diplomat und Hobby-Gärtner Justin Quayle (Ralph Fiennes) erfährt, dass seine Frau Tessa, eine leidenschaftliche Aktivisten für die Armen Kenias, auf einer Reise in den Norden des Landes ermordet wurde. Alle denken an einen Mord aus Leidenschaft, weil Tessas Begleiter, ein Arzt aus Nairobi, verschwunden ist. Doch angetrieben von Erinnerungen an die Zeit davor und immer noch verwirrt über das Verhalten Tessas vor ihrem Verschwinden beginnt der sonst so ruhige Gärtner Nachforschungen anzustellen. Widmete er seine Zeit bisher Orchideen und anderen Gewächsen, so erkennt er jetzt, dass er sich um die größte Blume seines Hauses, seine Frau, nicht wirklich kümmerte. Will er seiner Frau anfangs nur retrospektiv näher kommen, sieht er sich bald einer Welt diplomatischer Verstrickungen und rücksichtsloser Menschenexperimente gegenüber.
Es
war ein großes Glück für diesen Filmstoff, dass
der "Vier Hochzeiten und ein Todesfall"-Regisseur Mike
Newell sich dafür entschied, abzusagen, weil ihm ein englischer
Zauberer namens Harry Potter dazwischen
kam. Denn Meirelles verlagerte den Schwerpunkt dieses westlichen
Stoffes (der zwar in Afrika spielt, aber eher in der Welt der britischen
Oberklasse angesiedelt ist) nach Afrika, wodurch Kenia dem Zuschauer
ähnlich nahe kommt wie in seinem letzten Kinofilm die Slums
von Rio de Janeiro. Obwohl der Roman in Kenia verboten wurde und
die Kenianer sich den Lesestoff heimlich aus den Nachbarländern
besorgen mussten, gelang es Meirelles eine Dreherlaubnis zu bekommen.
Dies verleiht dem Film nicht nur Atmosphäre, sondern schuf
auch Arbeitsplätze, denn der Regisseur besetzte mehr als drei
Dutzend Kenianer in Sprechrollen, da er die Menschen vor Ort einbinden
wollte.
Doch auch die nicht-kenianischen Schauspieler sind erwähnenswert.
Ralph Fiennes spielt so ergreifend wie seit dem "Englischen
Patienten" nicht mehr, wurde aber trotzdem leider nicht für
die Golden Globes nominiert. Rachel Weisz hingegen wurde nominiert,
denn ihre Tessa ist so kraftvoll und einen großen Teil des
Films hindurch auch noch so überzeugend hochschwanger (eine
sehr echt aussehende Prothese), dass sie der Frau die Faszination
verleiht, die diese von le Carré so lebendig beschriebene
Figur verdient.
Schon
in "City of God" entwarf Meirelles Bilder voll Farbenkraft,
die den Zuschauer eintauchen ließen in diese so andere Welt.
Sein Afrika ist ebenso angelegt. Die unterschiedlichen Welten von
Justin und Tessa sind auch in der Farbwahl getrennt. Während
die Welt der englischen Diplomatie in kalten Grüntönen
gehalten wird, schillert in Kenia die warme rote Farbe der Erde.
Trotz der eingesetzten Filter wirkt "Der ewige Gärtner"
dabei sehr dokumentarisch. Diese Optik erhielt "Der ewige Gärtner"
auch aufgrund des brillanten Kameramanns César Charlone (ebenfalls
"City of God"), der sich nicht scheute, anderen Leuten
(wie Ralph Fiennes) Kameras in die Hände zu drücken und
nach der Devise "Wenn es sich bewegt, film es" vorzugehen.
Szenen wurden nicht choreographiert, sondern spontan losgespielt.
Charlone filmte so schnell los, dass Rachel Weisz von Filmen in
"Guerilla-Manier" sprach.
Das Filmen vor Ort (nicht nur in Afrika, sondern auch in Berlin
und London) war zwar ein logistischer Kraftakt, hat sich aber in
Hinblick auf das Ergebnis sehr gelohnt. Der größte Slum
Afrikas, Kibera, war dabei nicht nur für den Regisseur ein
Schock, der ihn als schlimmer empfand als die Favelas in Rio, sondern
entsetzte auch die kenianische Crew, von denen die meisten noch
nie dort gewesen waren. Es wurden zweitausend Bewohner dieses Slums
als Statisten eingesetzt.
"Der
ewige Gärtner" ist jedoch nicht nur ein spannender politischer
Thriller, sondern auch eine überzeugende Liebesgeschichte,
die kein glückliches Ende mehr haben kann, da einer der beiden
Liebenden schon tot ist. Der Zuschauer sieht Tessa in diversen Rückblenden
den Film hindurch und lernt sie mit Justin immer näher kennen,
doch erhöht das Hintergrundwissen von ihrem Tod kontinuierlich
das Gesehene und lässt es so glücklich-tragisch erscheinen
- ein Effekt, den man mit zwei lebendigen Partnern nicht hätte
erreichen können. Es ist der Kunstfertigkeit von John le Carré,
dem Drehbuchautor Jeffrey Caine ("GoldenEye") und Meirelles
zu verdanken, dass weder der Thriller noch die Liebesgeschichte
dominieren, sondern dass sie zusammen ein Bild ergeben, das ohne
den jeweils anderen Teil nicht funktionieren würde (sonst hätten
wir eine andere "Bourne Identität"
oder einen weiteren "Englischen Patienten").
Dass le Carrés exzellent recherchiertes Buch hier in guten
Händen war, merkt man auch daran, dass der Schriftsteller dem
Drehbuchautor Vorschläge machte, was er noch alles auf dem
Weg vom Buch zum Skript ändern könnte. Jeffrey Caine war
davon verblüfft, da er selbst Respekt vor der guten Vorlage
hatte. Dank dieser Kooperation ist der Film fokussierter als das
Buch und überzeugt sogar noch mehr. Es wurden Figuren weggelassen
(zum Beispiel die beiden britischen Polizisten, die im Buch anfänglich
alle Beteiligten langatmig verhören, um dann in der Versenkung
zu verschwinden). Der Handlungsort in Deutschland wurde von Bielefeld
nach Berlin verlegt, was die Bielefelder vielleicht enttäuschen
wird.
"Der ewige Gärtner" bewegt sich auf einem Kontinent, der jenseits vom Afrika der Exotenkuscheligkeit einer "Weißen Massai" liegt. Ergreifend und visuell beeindruckend klagt Meirelles ein System von Korruption und Gier an, das aus unserer westlichen Welt in die Slums - ob Kibera oder Cidade de Deus - importiert wurde. Um es mit den Worten von le Carré zu sagen: "Man spricht von der Korruption in Afrika. Aber wer hat die Afrikaner korrumpiert?".
Neuen Kommentar hinzufügen