Jaja, man kann sich als Filmkritiker mal wieder an die eigene Nase fassen. Da kritisiert man (wohl zurecht) die Unkreativität der Animationsfilmemacher, die durch die Bank das ganze Jahr über nur niedliche Tiere auf die Leinwand schicken (siehe "Ab durch die Hecke", "Tierisch wild", "Jagdfieber", usw.) und schimpft über diese allgemeine Ideenlosigkeit, und dann kommt "Happy Feet" und belehrt einen eines Besseren - trotz niedlicher Tiere. Der neue Animationsfilm der Warner Bros. Animation-Studios ist ein urkomisches Pinguin-Musical, voller filmischer Seitenhiebe und gesegnet mit einer wirklich packenden Story.
Es ist Brutzeit bei den Pinguinen, im ewigen Eis der Antarktis. Die Väter bleiben bei den Eiern und hüten sie wie ihre eigenen Augäpfel, während die Pinguinmütter sich auf Nahrungssuche zum Meer begeben. Pinguinmännchen Memphis (im Original gesprochen von Hugh Hackman) und Pinguinweibchen Norma Jean (Nicole Kidman) bringen so zusammen einen Sohn auf die Welt, Mumble (Elijah Wood). Doch Mumble kann im Gegensatz zu allen anderen Tieren nicht singen, was ihn sehr schnell zum Außenseiter macht (da Singen wichtigster Bestandteil im Balzritual der Kaiserpinguine ist). Dafür kann Mumble extrem gut steppen, und um allen zu beweisen, dass man nicht singen können muss, um ein "guter" Pinguin zu sein, macht er sich auf, um der rätselhaften Fischknappheit auf den Grund zu gehen.
Dass man mit Pinguinen gut punkten kann, bewiesen nicht nur die heimlichen Stars von "Madagaskar", sondern im letzten Jahr vor allem der Überraschungserfolg des Dokumentarfilms "Die Reise der Pinguine" von Luc Jacquet, an den man sich hier schnell erinnert fühlt. Ideenklau muss man Regisseur George Miller (Schöpfer von "Mad Max" und "Schweinchen Babe") aber nicht unterstellen: Sein Film war schon längst in der Produktion, als die Pinguin-Reise die Zuschauer begeisterte.
Solche Gedanken hat man ohnehin im Nu vergessen, denn "Happy Feet" schlägt einen sofort in seinen Bann: Die ersten Szenen sind wirklich wundervoll (und das im wahrsten Sinne des Wortes, also voller Wunder). Da treffen Memphis und Norma Jean während dem Balzritual aufeinander und singen - wie alle anderen Pinguine auch - "ihren" ganz eigenen Song, wofür natürlich Pop-Evergreens herhalten dürfen. Eine funkige Duett-Version von Prince's "Kiss", bringt die beiden Tiere zusammen, und demonstriert als Schlussteil eines kongenialen Pop-Medleys bereits den ersten großen Pluspunkt dieser reizenden Produktion: der grandiose Soundtrack. Wie schon bei "Moulin Rouge" wird auch hier auf ebenso ironische wie wirksame Weise der popmusikalische Kanon geplündert, von Earth Wind and Fires "Boogie Wonderland" bis zu Queens Klassiker "Somebody to Love". Das Ergebnis sind brillante Samples und clevere Mixe, von den Original-Darstellern gesungen (und zum Glück auch in der deutschen Version im Originalton), die beim nächsten Besuch im Plattenladen zum reflexhaften Griff ins Soundtrackregal führen dürften.
So funktioniert der Film einerseits und bestens als furioses Popmusical. Gleichzeitig bietet "Happy Feet" aber auch die interessanteste Geschichte aller Tier-Animationen 2006. Alles, was die diesjährige Tieranimationsfilm-Palette an flachen und zum Teil wirklich lieblosen Figuren aufbot, macht "Happy Feet" anders und wesentlich besser. Die Figuren haben Tiefe, sind liebenswürdig, man hat es mit wahren Charakteren zu tun.
Zudem wird die Geschichte packend und äußerst professionell in Szene gesetzt. Da arbeitet Regisseur George Miller schon mal mit Hitchcock'schen Suspense und Verfolgungsjagden á la Spielberg. Man ist sogar als Erwachsener immer wieder gefangen vom mitreisenden Sog der Geschichte. Toll auch die Sprech- und Gesangsleistungen, angefangen bei Nicole Kidman, die nach ihrem Swing-Duett mit Robbie Williams jetzt auch jazzigere Töne anschlägt, und Hugh Jackman, der mit seiner Broadway-erprobten Stimme voll überzeugt. Außerdem glänzt Robin Williams unter anderem mit einer lateinamerikanischen Version von "My Way" als schräger Möchtegern-Gangsta-Pinguin - dem dann glatt von einem fetten, hippie-artigen Guru-Pinguin die Show gestohlen wird. Jeder wird sicher seinen Liebling unter diesen Pinguinen finden und das macht die ganze Sache umso vergnüglicher.
So erreicht "Happy Feet" mit einer überzeugenden Geschichte, tollen Musikeinlagen und Charakteren, die man einfach nur lieb hat und unheimlich süß findet, jene Intensität, die man früher einmal mit Disney-Filmen verband. Das macht aus ihm den besten Animationsfilm dieses Jahres - auch wegen der Leistung, in einem von Story-Konventionen fast erstarrten Genre ein Schlussdrittel hinzulegen, das in Sachen Handlungsführung, Atmosphäre und (jawoll!) Aussage einen Weg beschreitet, den man so garantiert nicht erwartet hat. Das ist hübsche, rundum gelungene Familienunterhaltung, die sogar noch ein wenig zum Nachdenken einlädt.
Neuen Kommentar hinzufügen