Wie jeden Morgen und jede Nacht erwachen sie wieder zum Leben, die kaputten und die aufrechten Gestalten in Basin City. So hat der bullige Schläger Marv (Mickey Rourke) keinerlei Ahnung, was es mit dem Berg von Leichen auf sich hat, in dem er gerade das Bewusstsein wiedererlangt, aber er wird es schon herausfinden. Die schöne Stripperin Nancy (Jessica Alba), der Marv noch am Abend zuvor zugeschaut hatte, beschäftigt dagegen nur noch ein Gedanke: Rache für den Tod ihres Beschützers John Hartigan (Bruce Willis). Revanchieren möchte sich auch gerne der junge Spieler Johnny (Joseph Gordon-Levitt), der nach einem gewonnenen Pokerspiel von den Machthabern der Stadt ordentlich Prügel einstecken musste. Eigentlich nur etwas Ruhe sucht dagegen Dwight (Josh Brolin), doch als dessen alte Flamme Ava (Eva Green) plötzlich wieder in sein Leben tritt, ist es genauso um ihn geschehen wie um eine Handvoll anderer Männer, die dem Sog dieser Frau erliegen – einer Frau, für die man tötet…
Ach ja, „Sin City“. Die in Sachen Bild- und Erzählstil revolutionäre Comic-Verfilmung aus dem Jahre 2005 sollte und musste natürlich auf jeden Fall noch fortgesetzt werden. Doch obwohl es dafür (anders als bei „300“) noch genügend Material in Form der bereits existierenden Comic-Vorlagen von Frank Miller gab, verschob sich das Sequel, hauptsächlich aufgrund diverser Terminprobleme der Beteiligten, immer wieder aufs Neue. Nun hat es letztlich stolze neun Jahre gedauert bis die Fortsetzung endlich vorliegt, und es ist vermutlich in erster Linie diese lange Zeitspanne, die dafür sorgt, dass das Interesse an einem erneuten Ausflug in die Stadt der Sünde(r) deutlich nachgelassen hat.
Ein weiterer Faktor für den bislang enttäuschenden Publikumszuspruch in den USA dürfte aber auch die Tatsache sein, dass der künstlich-stilisierte Look von „Sin City“ eben heute lange nicht mehr so neu und aufregend daherkommt wie anno dazumal bei Teil Eins. Denn irgendwann ist der „Wow“-Effekt halt verpufft und schon der erste Film verhinderte unweigerliche Ermüdungserscheinungen hauptsächlich dadurch, dass er durch das Erzählen mehrerer kurzer Episoden für Abwechslung sorgte. Noch viel schneller dürfte dann beim zweiten Mal für viele der Moment kommen, an dem einen die fast durchgehend vorhandenen, genauso cool wie aber auch monoton daherkommenden Erzählerstimmen dezent auf die Nerven gehen.
Durch gelegentliche Interaktion verbundene Kurzgeschichten sind zwar auch jetzt wieder das Konzept, doch kann von einer 1:1-Adaption und damit einer Bild-für-Bild-Umsetzung des Comics nun nicht mehr die Rede sein. Denn bei gleich zwei der vier Episoden handelt es sich um komplette Neuschöpfungen, namentlich bei der um den „Spieler Johnny“ und beim Rachefeldzug von Stripperin Nancy. Den Kern stellt jedoch die Titelgeschichte um die Femme Fatale Ava Lord dar, in der sich Eva Green so durchtrieben und abgrundtief böse geben darf wie noch nie zuvor – oder zumindest wie noch nie seit neulich in „Dark Shadows“. Oder wie vor ein paar Monaten in der „300“-Fortsetzung.
In der Tat gibt Frau Green hier den praktisch identischen, komplett überzogenen Part der hemmungslos mordenden Furie nun zum dritten Mal in Folge und sollte schon etwas aufpassen, dass sie damit nicht nur auf diesen einen Typus festgelegt wird, sondern dieser auch immer mehr zur reinen Karikatur verkommt. Wobei sie sich damit in „Sin City“ natürlich noch am Ehesten am richtigen Ort befindet, ist doch hier eh jede Figur in Sachen Coolness und Gehabe von vornherein so hemmungslos überzeichnet, dass auch die überbordende Gewalt samt der zahlreichen Blutfontänen keinerzeit ernst genommen werden kann.
Während die diabolische Ava ein Neuzugang ist, kehren ansonsten sehr viele bekannte Charaktere noch einmal zurück, und da tut sich dann ein weiteres, nicht zu übersehendes Problem auf. Denn für gleich mehrere wichtige Parts standen die ursprünglichen Darsteller nicht mehr zur Verfügung, was im Fall des verstorbenen Michael Clarke Duncan zwar nicht zu ändern war, angesichts der Figuren von Clive Owen oder Devon Aoki jedoch Fragen aufwirft. Fällt die Neubesetzung bei Aokis Schwertkämpferin noch am Wenigsten ins Gewicht, so ergibt sich in den anderen beiden Fällen doch ein deutlicher Bruch, denn Dennis Haysbert besitzt als Leibwächter Manute nun einmal nicht annähernd die Statur eines Michael Clarke Duncan, und Josh Brolin im zentralen Part als Dwight auch nur wenig Ähnlichkeit mit seinem Vorgänger Clive Owen (obwohl er für sich genommen seine Sache sehr gut, wenn nicht gar besser macht).
Rein technisch und handwerklich kommt „A Dame to kill for“ nicht schlechter daher als der Vorgänger, allerdings bringt der nun vorhandene 3D-Effekt auch nicht so viel, dass man deshalb gleich noch von einem spürbaren Sprung nach vorne sprechen müsste. Im Großen und Ganzen wird das Qualitätslevel gehalten und liegt damit auch mehrere Ebenen über dem katastrophalen „Spirit“, bei dem man den fatalen Fehler beging, dem auch in seinen aktuellen Comics völlig von allen guten Geistern verlassenen Autor Frank Miller allein die Regie zu überlassen. Letztlich muss sich jeder selbst die Frage beantworten, ob er denn tatsächlich noch mehr vom Gleichen und Bekannten braucht. Dann wird man vom neuen Film auch kaum enttäuscht sein, alle Anderen können sich den erneuten Ausflug nach „Sin City“ aber getrost sparen.
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