Wenn Träume fliegen lernen

Originaltitel
Finding Neverland
Land
Jahr
2004
Laufzeit
106 min
Regie
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Frank-Michael Helmke / 31. Mai 2010

"Wenn Träume fliegen lernen" ist ein Paradebeispiel für die merkwürdigen Wechselwirkungen des Filmgeschäfts, denn eigentlich ist dieser Film schon seit fast zwei Jahren fertig. Doch bevor die Miramax-Bosse ihr Star-besetztes Drama über den "Peter Pan"-Autor J.M. Barrie und die vermeintliche Entstehungsgeschichte seines berühmtesten Stückes Oscar-tauglich im Kinorennen platzieren konnten, kam P.J. Hogans Realverfilmung von "Peter Pan" dazwischen - die bei Kritik und Publikum weitestgehend durchfiel. Angesichts dieser wenig Pan-freundlichen Atmosphäre legte man den eigenen Film kurzerhand auf Eis, bis das Hogan-Projekt in angemessene Vergessenheit geraten sein möge. Hauptdarsteller Johnny Depp drehte in der Zwischenzeit "Fluch der Karibik", und wandelte sich als Captain Jack Sparrow zum allseits gefeierten Superstar - mit einer Vorstellung, deren begeisternde Überdrehtheit er nach eigenem Bekunden niemals hinbekommen hätte, wenn er zuvor nicht den fantasiereichen Part von J.M. Barrie gespielt hätte. Und dank "Fluch der Karibik" ist Depp nun ein ausreichendes Mainstream-Zugpferd, um auch "Wenn Träume fliegen lernen" richtig groß rauszubringen, den Miramax also jetzt mit leichter Verspätung ins diesjährige Oscar-Rennen schickt. So kann's gehen in Hollywood.

Dass der Film mit dem wesentlich hübscheren und deshalb von hier an auch bevorzugten Original-Titel "Finding Neverland" ein typischer Ableger aus der Miramax-Oscarkandidaten-Schmiede ist, lässt sich kaum verhehlen: In der selbstgebastelten Tradition von "Shakespeare in Love", "Der englische Patient", "Gottes Werk und Teufels Beitrag", "Chocolat" und "Unterwegs nach Cold Mountain" hat man auch hier wieder ein formvollendet Richtung Oscar-Nominierungen konzipiertes Prestige-Objekt zusammengezimmert, das mit aufwändiger Ausstattung, feingeistig-literarischen Wurzeln und namhafter Star-Besetzung ganz gezielt da punkten will, wo es die Akademie am liebsten mag. Diese inzwischen sattsam bekannte Miramax-Masche liefert zwar alljährlich durchaus sehenswerte Filme ab, wird mit jedem neuen Aufguss aber auch immer durchschaubarer.
Eine Tatsache, gegen die sich auch "Finding Neverland" nicht wehren kann, auch wenn er (chronologisch eigentlich ohnehin davor stehend) weitaus mehr begeistern kann als der leidlich enttäuschende "Cold Mountain" aus dem letzten Jahr. Die Geschichte um den Theaterautor J.M. Barrie, der im London des ausgehenden 19. Jahrhunderts in einer Kreativitätskrise steckt und über die Freundschaft mit der Witwe Sylvia Llewelyn Davies (Kate Winslet) und ihren vier Söhnen seine kindliche Fantasie wiederentdeckt sowie die Inspiration für sein berühmtestes Werk findet, verlässt sich größtenteils auf bewährtes Material: Die gesellschaftlichen Konventionen, welche die unziemliche Freundschaft zwischen dem verheirateten Barrie und der in finanzielle Nöte gelangenden Davies argwöhnisch beäugen, angeführt von Davies' Schwiegermutter (Altstar Julie Christie) höchstselbst, die sich um den guten Ruf und somit das Wohlergehen ihrer Familie sorgt. Dustin Hoffman als gönnerhafter Theaterdirektor und Barries Förderer Charles Frohman sorgt für amüsante Auflockerung und darf so letztlich dasselbe tun wie die Theaterführung bei "Shakespeare in Love". Und wenn der erste Hustenanfall auf der Leinwand auftaucht, dann ahnt man auch schon, dass hier bald höchst traurig und anrührend gestorben werden wird.
Das derart passend zusammengefügte Material sollte man daher auch nicht als realgetreue Barrie-Biographie für voll nehmen: Zwar ist die Freundschaft des Autors mit der Davies-Familie historisch verbürgt, ebenso wie ihre Involvierung bei der Entstehung von "Peter Pan", der Film manipuliert die Fakten jedoch signifikant, um die ganze Sache für die filmische Dramaturgie aufzupeppen. Was natürlich völlig legitim ist, und durchaus auch funktioniert: Trotz aller offensichtlichen Konzeption ist "Finding Neverland" ein sehr gelungener Film, der auf intelligente Weise wichtige Fragen über die Bedeutung von Fantasie und ihr Verhältnis zur Realität aufwirft. Barrie stürzt sich mit Verve, Elan und seinem naturgegebenen Einfallsreichtum in das unschuldige Spiel mit den Davies-Kindern, erzeugt mit ihnen immer neue Fantasiewelten und hält gerade den zweifelnden Sohn Peter dazu an, seine Vorstellungskraft als Flucht aus der traurigen Realität zu benutzen. Auf der anderen Seite stehen die Schwiegermutter und Barries vernachlässigte Ehefrau Mary (Radha Mitchell, "Pitch Black", "Mann unter Feuer"), die dem Autor vorwerfen, selbst den Bezug zur Realität zu verlieren und sich seine stetigen Träumereien nicht erlauben zu können. So steht im Kern von "Finding Neverland" die Frage, wie weit man mit der Kraft der eigenen Fantasie die Realität unterdrücken kann, und vor allem, wie weit man es sollte. Die Entstehung von "Peter Pan" ist so letztlich eher ein Nebenaspekt der eigentlichen Geschichte, der aufgrund der Prominenz des Stückes immer wieder ins Bild gerückt wird, sie jedoch nicht ausmacht.

Getragen wird "Finding Neverland" eindeutig von Johnny Depp, der J.M. Barrie mit einer faszinierenden, leichtfüßigen Entrücktheit verkörpert, die elegant das ständige Entschweben des Autors in seine Fantasiewelten verdeutlicht. Winslet, Christie und Hoffman leisten in ihren Parts solide Arbeit, können jedoch nur bedingt punkten, da ihre Figuren sehr funktional ausgearbeitet sind. Zweiter Star des Films ist somit eher Regisseur Marc Forster, der nach seinem Independent-Triumph "Monster's Ball" hier erstmals eine große Studio-Produktion anvertraut bekam, und auch unter diesen weitaus anderen Umständen mit sicherer Hand sein enormes Talent unter Beweis stellt. Spielerisch lässt er Wirklichkeit und Vorstellung in flüssigen Übergängen miteinander verschmelzen und vermittelt gekonnt und wirksam die einfachen Wunder, die sich mit ein bisschen Ansporn in unseren Köpfen abspielen können. Besonders herrlich wird dies bei der Premiere von "Peter Pan" eingefangen, als Barrie mit einem ebenso simplen wie genialen Trick seinem spießbürgerlich erwachsenen Publikum aufzeigt, dass man im Theater auch lachen und träumen kann.

So ist "Finding Neverland" unterm Strich ein gelungenes Stück Ausstattungskino: Tolle Darsteller in einer poetischen Geschichte mit schönen Bildern, die zum Mitträumen einladen und durchaus auch inspirative Kraft haben. Dass der Film dennoch nicht so recht abhebt, liegt schlussendlich an seiner Produktion, die eben diese Wirkung auf Teufel komm raus erzwingen will - und wer zuviel will, der verkrampft auch schneller. Dank der Talente von Forster und Depp ist "Finding Neverland" zwar der beste Beitrag aus Miramax' Prestige-Schmiede seit "Shakespeare in Love", aber auch in diesem Jahr wird es wohl höchstens zum Oscar-Kandidaten langen. Trotzdem: Ein schöner Versuch, den man sich getrost antun kann, wenn man Fantasie beizeiten höher schätzt als die schnöde Realität.


10
10/10

ein einfach toller film...sehr traurig und man kann ihn immer wieder ansehn.aber leider kommt er an big fish nicht ganz heran.

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9
9/10

Ich liebe diesen Film!!! Johnny Depp ist ein genialer Schauspieler, dem man die Rolle als J.M. Barrie vollkommen abkauft...Traurig, aber wunderschön...

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ein wunderschöner film ... zum träumen und weinen ... genial

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8
8/10

ach, der film war traumhaft.

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