Manche Bücher liest man und denkt sich dabei auf jeder zweiten Seite: Gott, daraus muss einfach irgendwer einen Film machen! Ernest Clines "Ready Player One" ist so ein Buch, und wer diesen Roman gelesen hat, der ist innerlich vermutlich halb ausgetickt als bekannt wurde, dass Steven Spielberg die ersehnte Filmadaption übernehmen würde. Denn wohl selten haben Ausgangsmaterial und Regisseur so gut zusammengepasst wie hier: Spielberg, dessen unvergleichliche Karriere vor allem auf seiner einmaligen Fähigkeit fußte, jugendliche Abenteuer-Fantasien zum Leben zu erwecken, und Clines Roman, der so ziemlich die ultimative jugendliche Abenteuer-Fantasie ist - jedenfalls, wenn man als junger Mensch ein leidenschaftlicher Anhänger von Videospielen und allen anderen Errungenschaften der Popkultur ist/war.
"Ready Player One" spielt in einer nicht allzu fernen Zukunft, in der die Welt generell den Bach runtergegangen ist: Ökokatastrophen, Wirtschaftskrisen und der ganze Kladderadatsch haben die Erde in einen Ort verwandelt, an dem man lieber nicht sein möchte. Und so flieht die gesamte Bevölkerung in so ziemlich jeder freien Minute in die Scheinrealität der OASIS, ein virtuelles Parallel-Universum, in dem man alles sein und alles machen kann, was man will. Die OASIS ist im Prinzip das Internet mit all seinen Möglichkeiten konsequent zu Ende gedacht, ein Amalgam aus "Second Life", Social-Media und jedem Massive-Multiplayer-Game, das man sich nur vorstellen kann. Schöpfer dieser wundervollen Scheinwelt war der geniale Mega-Nerd James Halliday, der bei seinem Tod der Welt die größte Schatzsuche aller Zeiten hinterlassen hat: Irgendwo in seinem unendlichen virtuellen Universum befinden sich drei geheime Schlüssel, und wer sie alle findet, der entdeckt das ultimative "Easter Egg" - der Finder wird zu Hallidays offiziellem Erben und bekommt nicht nur sein unermessliches Vermögen, sondern eben auch die volle Kontrolle über die OASIS. Darauf ist natürlich nicht nur jeder OASIS-Nutzer auf der Welt scharf, sondern auch der große böse Super-Konzern IOI, dessen Geschäftsführer Nolan Sorrento die OASIS unter seine Kontrolle bringen und dann wirtschaftlich ausbeuten möchte. Das gilt es für jeden ehrbaren "Egg Hunter" - kurz: "Gunter" - natürlich unbedingt zu verhindern. Doch seit Hallidays Tod sind inzwischen fünf Jahre vergangen, ohne dass auch nur ein Mensch dem ersten Schlüssel nahegekommen wäre. Das ändert sich jedoch schließlich, als der 18jährige Wade Watts in Gestalt seines OASIS-Avatars "Parzival" eine entscheidende Eingebung hat - und das Rennen zu Hallidays "Easter Egg" damit so richtig losgeht.
Um die von Halliday hinterlassenen Rätsel knacken zu können, muss man in "Ready Player One" ein intimer Kenner von Hallidays Biographie und allem sein, was den Mann einst selbst begeisterte - und das sind vor allem Filme und Videospiele aus seiner eigenen Jugend in den 80er Jahren. Sowohl in Buch- als auch in Filmform ist "Ready Player One" darum ein grandioser Fanboy-Traum, weil die Geschichte vollgestopft ist mit popkulturellen Referenzen und vor allem, weil sie ihrem nerdigen Zielpublikum die Utopie präsentiert, dass die zentrale und in unserer realen Welt wirtschaftlich völlig nutzlose Fähigkeit eines jeden Super-Geeks - nämlich das nahezu enzyklopädische Wissen über all diese Referenzen und ihre verschiedenen Ursprungs-Erzeugnisse - der Schlüssel zu nicht weniger als der Quasi-Weltherrschaft ist. Das ist ein Szenario, dass sich natürlich nur ein Super-Geek höchstpersönlich ausgedacht haben kann (und Ernest Cline ist definitiv einer), für das ein jeder Geek - und seien wir ehrlich, jeder wahre Filmfreak ist genau das - aber auch eine Menge Sympathie empfinden wird.
Die größte Freude an "Ready Player One" besteht dann auch vor allem darin, seine Welt zu entdecken, vor allem seine virtuelle. Dabei beginnt der Film jedoch mit einer der stärksten visuellen Ideen aus Clines Roman, die zur tristen Realität seiner Zukunftsvision gehört: Wade Watts' Zuhause in den sogenannten "Stacks". In der Zukunft von "Ready Player One" werden die Wohnwagen-Siedlungen, jene symptomatischen Behausungen der verarmten amerikanischen Unterschicht, nämlich inzwischen gestapelt. Ein grandioses Bild und Indiz dafür, wie reizvoll es auch hätte sein können, die reale Welt dieses Zukunftsszenarios näher zu beleuchten. Darauf sollte man hier allerdings gar nicht erst hoffen, denn Spielberg hat bei diesem Projekt seine kindliche Abenteuerfreude wiederentdeckt und zeigt dementsprechend wenig Interesse an einer SciFi-Dystopie, deren Auswüchse als düsterer Kommentar zu den Schattenseiten unserer heutigen Welt gesehen werden können. Nein, dieser Film versteht sich als ganz klassisches Popcorn-Kino, eine wilde Achterbahnfahrt durch eine aufregende neue Welt, und will seinem Publikum zwei Stunden atemlosen Spaß bieten.
Und das klappt auch ziemlich gut. In den ersten paar Minuten wird hier sehr schnell eine Menge Exposition abgefrühstückt, um sich dann umgehend ins Spektakel stürzen zu können. Und wer das Buch gelesen hat, wird rasch merken, dass zwischen Roman und Film sehr viele und umfangreiche Änderungen vorgenommen wurden, die hauptsächlich dem Ziel dienen, die Geschichte eben knackig-kurzweilig und visuell aufregend umzusetzen, weswegen hier alles rausfliegt, was als Film einfach nicht gut funktionieren würde (Beispiel: Im Roman spielt Wade unter anderem ein legendäres Text-Adventurespiel durch und legt eine perfekte Partie "Pac-Man" hin; auch wenn es für eine Geek-Seele durchaus interessant sein mag zu erfahren, wie eine perfekte Partie "Pac-Man" aussieht und dass man diesen Videospiel-Klassiker also tatsächlich zu Ende spielen kann - filmisch ist das ein No-Go, und der dramaturgische Pay-Off dieser Leistung wird dementsprechend in der Kinoversion anders verpackt).
Die allermeiste Zeit tummelt sich "Ready Player One" in der virtuellen Welt der OASIS mit "Parzival" und seinen Gefährten, die sich bald für die Easter-Egg-Suche und den Kampf gegen die zahllosen Handlanger von Sorrentos IOI verbünden. Hier präsentiert sich der Film in einer Optik, dass man sich tatsächlich wie in einem Videospiel fühlt. Für den "Look & Feel" der Geschichte ist das naheliegend und durchaus sinnvoll, man sollte als Zuschauer nur besser kein Problem damit haben, permanent die offensichtliche Künstlichkeit von Computer-Spezialeffekten vor Augen zu haben. Angesichts des schier endlosen Effekte-Feuerwerks, das hier abgebrannt wird, ist es jedenfalls wenig verwunderlich, dass Spielberg während der laufenden Post-Produktion von "Ready Player One" mit "Die Verlegerin" mal eben einen kompletten anderen Film fertigstellen konnte.
Die OASIS und die vielen faszinierenden Orte in ihr, die man im Laufe der über zwei Stunden Spielzeit hier besucht, ist also das zentrale Verkaufsargument von "Ready Player One" und definitiv ein wirklich berauschendes Kinoerlebnis. Diese Konzentration aufs visuelle Spektakel führt aber auch dazu, dass die Story-Ebene hier doch sehr funktional behandelt wird. Stellenweise bewegt sich die Geschichte wenig elegant vorwärts, und ihre sehr Holzschnitt-artig gezeichneten Hauptfiguren mit ihren arg konventionellen dramatischen Bögen sorgen auch nicht gerade dafür, dass man hier als Zuschauer wirklich involviert ist und ein echtes Gefühl von Spannung aufkommt. Die Entscheidung, den Ober-Bösewicht Sorrento und seinen Haupt-Handlanger "iRok" hier eher karikaturhaft zu zeichnen, sorgt zwar für einige klug kalkulierte Momente von "Comic Relief", senkt die gefühlte Bedrohung aber noch tiefer ab, als sie eh schon ist, so dass sich "Ready Player One" insgesamt als ein sehr harmloser Abenteuerfilm präsentiert.
Vor allem im Schlussakt verliert der Film zudem spürbar an Drive, während er sich an seinem bombastischen Showdown-Szenario ergötzt, und so trudelt "Ready Player One" in seiner zweiten Hälfte eher gemächlich aus, anstatt nochmal zusätzlich aufs Gaspedal zu drücken. Die erste Hälfte, in der das eigentliche "World Building" stattfindet und man als Zuschauer mit staunenden Augen die Welt der OASIS entdecken kann, ist definitiv der stärkere Teil dieses letztlich etwas zu überlangen Films. Als Geek wird man hier dennoch immer wieder seine helle Freude haben an den zahllosen popkulturellen Referenzen, die stellenweise im gefühlten Sekundentakt im Bild auftauchen. Ob das wissende Erspähen all dieser Referenzen nun wirklich eine Leistung ist, auf die man stolz sein kann, bleibt zwar weiterhin fraglich. Doch für einen Geek ist es auf jeden Fall eine Freude einen Film zu erleben, der einen aus tiefstem Herzen darin bestätigt, dass die ewige Vertiefung in all diesen Quatsch eine Beschäftigung von höchster Sinnhaftigkeit ist. Stimmt zwar nicht. Ist aber trotzdem schön.
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