Tommy Lee Jones hat sich viel Zeit gelassen. Er war schon fast 60, als er sich erstmals in den Regiestuhl eines Kinofilms setzte - und sollte sein weiteres Schaffen halten, was dieses beeindruckende Debüt verspricht, dann könnte er es seinem Kumpel Clint Eastwood nachtun, und mit einem beeindruckenden und preisverdächtigen Alterswerk als Regisseur ein völlig neues Kapitel seiner Karriere aufschlagen. Jones hat hart für diesen Film gearbeitet und lange gesucht, bis er ausgerechnet in Luc Besson, der als Produzent normalerweise auf hirnfreies Spektakel-Kino setzt (z.B. "Die purpurnen Flüsse 2", "The Transporter"), einen Geldgeber fand, der ihm volle künstlerische Freiheit ließ. Mit dieser carte blanche verwirklichte Jones ein Skript von Guillermo Arriaga, der sich durch seine Zusammenarbeiten mit Alejandro Gonzales Inárritu ("Amores Perros", "21 Gramm", "Babel") bereits als einer der wohl besten, vor allem aber unkonventionellsten Drehbuchautoren der Filmwelt etabliert hat. Herausgekommen ist ein ebenso wunderschöner wie tieftrauriger Schwanengesang auf den Cowboy, jene einstige Ikone der grenzenlosen Freiheit Amerikas.
Dass diese Freiheit längst Vergangenheit ist, macht bereits der Handlungsort von "Three Burials" klar: Das Grenzgebiet zwischen den USA und Mexiko. In der Nähe dieser stark bewachten und trotzdem von zahllosen illegalen Immigranten unterwanderten Grenze erfährt der Pferderanch-Vorarbeiter (sprich: Cowboy) Pete Perkins vom Tod seines Kollegen und besten Freundes Melquiades Estrada. "Mel" war einer der vielen illegalen Mexikaner im Land, weshalb sich die Polizei nicht viel um seinen Fall schert, nachdem er mit einer tödlichen Schusswunde und notdürftig verscharrt (das erste der drei titelgebenden Begräbnisse) gefunden wurde. Einzig Pete will den Fall nicht ruhen lassen, auch wenn der örtliche Polizeichef (Dwight Yoakam) die Sache abhakt und die Leiche nach der Obduktion schnell begraben lässt (Nr. 2), während Pete bereits erste Spuren zum Täter entdeckt hat. An sich könnte man argumentieren, dass es einem Spoiler gleich käme, mehr von der Handlung zu verraten. Denn was der sich parallel entwickelnde Strang um den Grenzpolizisten Mike Norton (Barry Pepper), seine Frau Lou Ann (January Jones) und ihre so leb- wie lieblose Ehe mit der zentralen Geschichte zu tun hat, darüber kann der Zuschauer erstmal eine halbe Stunde rätseln. Erst dann liefert Arriaga mit seiner ebenso eigenwilligen wie wirkungsvollen Erzählweise den ersten Hinweis, dass die beiden bisherigen Handlungsstränge chronologisch nicht zusammen gehören - und während sie in den nächsten 15 Minuten langsam zueinander aufschließen, setzt sich die bisher gesehene Geschichte im Kopf des Zuschauers noch einmal neu zusammen. Dann folgt, was in einer Geschichte über einen Cowboy nicht fehlen darf: Ein langer Ritt, und wie so oft im Western mit dem Ziel Mexiko. Doch wo dies in den alten Film-Mythen von Outlaws und Revolverhelden ein verklärtes Paradies war, das Sicherheit vor dem Gesetz bot (die "Immigration" also noch in die andere Richtung lief), ist Pete zwar auch vom Gesetz gejagt, doch geht es ihm nicht um Flucht, sondern um die Heimbringung eines modernen Cowboys - und der ist geborener Mexikaner. Weil es Arriaga dank seines großartigen Handwerks gelingt, diesen Subtext so subtil und gleichzeitig wirkungsvoll einzuflechten, überlagern die politischen Dimensionen der Geschichte niemals ihren eigentlichen, emotionalen Kern. Und der geht tief. Der Verlauf der Reise von Pete und Mike mag in ihrer Zielsetzung und schlussendlichen (inneren) Entwicklung voraussehbar sein, wie dies jedoch von statten geht und vor allem welche Stationen und Begegnungen diese Reise mit sich bringt, damit kann Arriaga immer wieder für überraschende, unvorhersehbare Momente sorgen. Der Preis für das beste Drehbuch, den Arriaga auf den Filmfestspielen in Cannes 2005 für "Three Burials" bekam, war definitiv mehr als verdient. Das mag etwas verkopft klingen, aber das ist es schließlich letztlich auch. Trotz der großartigen Landschaftsbilder von Kameramann Chris Menges, dem Verfolgungs-Plot mit der Polizei im Nacken und dem klaren Ziel, Melquiades' Heimatort zu erreichen, ist die Reise von Pete und Mike natürlich eine innere, sowohl für den emotional verkrüppelten Sünder, als auch für den Cowboy, der am Ende dieser Reise wahrscheinlich sogar eine schwerere Lektion gelernt hat als sein unfreiwilliger Begleiter. So wie sein Entstehungsprozess hat auch der Weg von "Three Burials" - fraglos einer der besten Filme seines Jahrgangs - bis zu einer deutschen Veröffentlichung eine Weile gebraucht. Zwei Jahre nach seinem US-Start lief der Film im November 2007 nur in einer handvoll Kinos und ist kurz darauf in einem Doppel-DVD-Set erschienen. Das Bonusmaterial auf der zweiten Disc erweist sich dabei allerdings weitestgehend als langweilig. Das beigefügte "Making Of", die separate Kurzdoku über die Entstehung der Filmmusik und der Mitschnitt einer Frage&Antwort-Runde mit Jones und Arriaga entstanden im Rahmen der Filmfestspiele in Cannes und erweisen sich als etwas unbeholfen zusammengeschusterte TV-Beiträge. So gibt es beim Making Of außer Festival-tauglichem, künstlerisch-abgehobenem Gerede der Hauptbeteiligten und ein paar Bildern vom Set noch einen ausgedehnten, unkommentierten Zusammenschnitt von Aufnahmen eines Presse-Junkets und der Premierenvorstellung - viele Fotografen, viel Gelächel, null Info. Three Burials - Special Edition (2 DVDs)
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