Vom Suchen und Finden der Liebe

Jahr
2005
Laufzeit
107 min
Regie
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Frank-Michael Helmke / 23. Dezember 2010

Helmut Dietl gilt als einer der ganz großen Regie-Künstler in Deutschland, auch oder vielleicht gerade weil zwischen zwei Dietl-Filmen schon mal ähnlich viele Jahre vergehen wie bei weiland Stanley Kubrick. Zwischen der genialen und Oscar-nominierten Hitler-Tagebücher-Satire "Schtonk!" und der nicht weniger bissigen Schickeria-Nabelschau "Rossini" vergingen immerhin fünf Jahre. Überraschend fix folgte "Late Show", war allerdings auch ein ziemlicher Bauchklatscher: Mit nerviger Dauer-Promo-Präsenz auf Deutschlands Show-Sofas (kein Wunder, wenn Thomas Gottschalk und Harald Schmidt die Hauptrollen spielen) und nicht weniger lautem Trailer wurde der ohnehin wenig überzeugende "Late Show" zu Tode vermarktet, und Dietl verschwand erst mal wieder für fünf Jahre, in denen man von ihm nicht viel mehr vernahm als das Ende seiner Beziehung mit der von ihm zum Star gemachten Veronica Ferres.

Nun ist der gern in weiten Mantel und Schal gewandte Film-Virtuose Dietl wieder da, wie immer mit beeindruckender Star-Besetzung, und der Mär vom gern in weiten Mantel und Schal gewandten Musikproduzenten Mimi Nachtigal (Moritz Bleibtreu) und seiner Beziehung zu Venus Morgenstern (Alexandra Maria Lara), einer nur leidlich talentierten Sängerin, die er zum Star aufbaut, und deren Beziehung auf dem Höhepunkt ihres Ruhms zerbricht.
Hat da gerade jemand "Selbstreflexion!" gehustet? Das kann man so sehen, muss man aber nicht, denn vordergründig ist "Vom Suchen und Finden der Liebe" vor allem eine moderne Variation der griechischen Legende von Orpheus, dem Barden, der nach dem Tod seiner Frau Eurydike in die Unterwelt hinab stieg, um von deren Herrschern mit einer gar vortrefflichen Gesangsdarbietung eine zweite Chance für seine geliebte Gattin zu erringen. Ungefähr dasselbe passiert auch hier, nur mit zeitgemäßem Rollentausch: Nach der schmerzhaften Trennung nach (natürlich) sieben Jahren kann Mimi Sehnsucht und Leiden nicht mehr ertragen und nimmt sich das Leben. Dann ist es an Venus, in die Unterwelt hinab zu steigen, um die Liebe ihres Lebens zurück in die Welt der noch nicht Verstorbenen zu holen.
Die Pforte zur Unterwelt ist praktischerweise ein abgeriegelter Brunnen auf dem Grundstück der griechischen Urlaubsvilla von Mimis Freund Theo (Uwe Ochsenknecht), dessen schwer eingeschlafene Beziehung zu seiner Ehefrau Helena (Anke Engelke) den Nebenplot von "Vom Suchen und Finden der Liebe" und den Gegenpol zur leiden- und leidenschaftsvollen Beziehung von Mimi und Venus bildet. Denn während der Produzent und sein Star weder miteinander noch ohneeinander können, hatten Theo und Helena schon soviel vom Miteinander, dass sie gar nichts mehr können: Helenas spontaner Lust auf Sex begegnet Theo nur mit Ausflüchten und fordert langfristige Terminplanung für derartige Zweisamkeiten. Eine völlig abgestorbene Beziehung, die erst durch Seitensprünge zu neuem Feuer gelangt.

Das Bild, dass Dietl hier von modernen Beziehungen zeichnet, ist schon ziemlich desillusionierend, auch wenn er sich gegen Ende zu einer versöhnlichen Note durchringt, die "Vom Suchen und Finden der Liebe" letztlich nicht mehr ganz so gallig erscheinen lässt wie seine vorangegangenen Filme. Dass diese allerdings besser unterhielten liegt an dem ziemlich lahmen Mittelteil von Dietls neuestem Machwerk. Der zögert nämlich die offensichtliche und drum auch sehnsüchtig erwartete Plotwendung von Venus' Gang in die Unterwelt eine Ewigkeit hinaus, verschwendet Zeit mit der Wiederholung von schon mal Gesagtem und räumt zudem viel (zu viel) Raum für die Figur des Unterwelt-Dingsbums Hermes Aphroditus (Heino Ferch in einer wahrlich abgefahrenen Rolle) ein, der - wie sein Name schon verrät - mit Geschlechtsteilen zweierlei Art ausgestattet ist und mit seinem transig-tuntigen Auftreten eher eine verunglückte Freakshow als ein überzeugendes (und notwendiges) dramatisches Element darstellt.
Da beginnt man sich schon ein wenig zu langweilen, wenn man von Trailern, Vorankündigungen und haufenweise Plotandeutungen längst weiß, dass sich die gute Venus hinter ihrem Mimi her in die Unterwelt aufmachen wird, und darauf dann so lange warten muss. Das riecht ein bisschen nach einer Geschichte, die sich eigentlich gar nicht über volle Spielfilmlänge trägt, und drum auch ein wenig mühsam gestreckt wirkt.
Was schon sehr bedauerlich ist, denn Anfang und Ende des Films gelingen vortrefflich, auch dank Dietls erneuter Kollaboration mit dem öffentlichkeitsscheuen Star-Autor Patrick Süskind, der schon "Rossini" und Dietls TV-Schmankerl "Monaco Franze" und "Kir Royal" aus den 80er Jahren mit exzellenten Dialogen würzte. Auch hier haut er wieder ein paar Dinger raus, bei denen jeder Schauspieler begeistert mit der Zunge schnalzt. So haben zum Beispiel Mimis Mühen, aus Venus einen Hitparaden-Star zu machen, ebenso viel Witz wie parodistische Schärfe, denn hier werden deutlich konstruierte Sternchen aus Hitschmieden wie dem Bohlen-Imperium aufs Korn genommen. Da ist es schon fast ironisch, dass die schmalzigen Schmusepop-Nummern, die Dietl und Süskind zusammen mit 80er-Pop-Veteran Harold Faltermayer für den Film schrieben, eigentlich deutlich besser sind als das ähnlich gelagerte Material einer Yvonne Catterfeld. Quasi richtig gut schlecht gemacht.
Diese Schizophrenie zwischen Persiflage und Ernsthaftigkeit ist es allerdings auch, die "Vom Suchen und Finden der Liebe" letztlich etwas unschlüssig erscheinen lässt. Konstruieren Dietl und Süskind zum Anfang noch eine Parodie auf gängige Film-Lovestorys und setzen der künstlichen Romantik ihren ureigenen Zynismus gegenüber, kuscht man gegen Ende zu einer altersweisen Schlussmoral über die Verklärung der Erinnerung und der einen wahren großen Liebe, der man bis in alle Ewigkeit nachhängt. Da hilft es auch nichts, dass Dietl und Süskind in alter Tradition alle ihre Hauptcharaktere für Trottel halten. Oder ist dem einfach nur so, weil die Liebe aus uns allen Dummköpfe macht?
Helfen tut es auch nicht so recht, dass das exquisite Ensemble hier durchweg gute Arbeit leistet, auch wenn Justus von Dohnányis Berliner Dialekt als Venus' Manager ein bisschen sehr aufgesetzt klingt, und Moritz Bleibtreu - bei aller Liebe - mit graumelierten Haaren irgendwie komisch aussieht (was der Tatsache aber keinen Abbruch tut, dass er und Alexandra Maria Lara diesen Adelsschlag als Deutschlands führende Jung-Charakterdarsteller mit Bravour bestehen). Dass es bei Dietl inzwischen anscheinend dazu gehört, dass sich die weiblichen Hauptdarstellerinnen - im Namen der Kunst - mindestens einmal oben ohne zeigen müssen, stößt weiterhin als etwas unnötig auf. Ansonsten kann man Anke Engelke aber zugute halten, dass sie in ihrer ersten großen Kino-Rolle einen sehr guten Eindruck hinterlässt und sich für mehr empfiehlt - und außerdem mit ihrem kurzen Seitensprung den denkwürdigsten Gag des Films verbucht.
Trotzdem: Geschliffenes Dialogwerk und tolle Darsteller können auf die Dauer nicht darüber hinweg täuschen, dass Dietl hier letztlich nicht sonderlich viel zu sagen und noch weniger zu erzählen hat. Die moderne Variation von "Orpheus und Eurydike" gibt keine befriedigende Handlung für einen ganzen Spielfilm ab, und das unstete Pendeln zwischen sarkastischer Beziehungsrealität auf der einen und fantastischen Unterweltbesuchen auf der anderen Seite macht die Sache nicht wirklich spannender.

Ob's daran liegt, dass Helmut Dietl auf seine alten Tage gelassener wird, oder er sein Feuer einfach schon verschossen hat: "Vom Suchen und Finden der Liebe" zündet schlussendlich deshalb nicht so recht, weil Dietl nicht mehr so gemein ist wie früher, sich aber trotzdem immer noch lustig machen will - auch wenn's der Story nicht zugute kommt. Für einen wirklich guten Beitrag zum Titelthema sehe man sich daher Wong Kar Wais "2046" an. Bei Dietl langt's "nur" zu einer wortgewandten, leicht überdrehten Komödie, die wesentlich seichter ist als sie vorgibt zu sein.


10
10/10

Ist das ein schöner Film !!!!! Nur schade daß es keinen Soundtrack gibt, heul :-(

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