The Revenant - Der Rückkehrer

Originaltitel
The Revenant
Land
Jahr
2015
Laufzeit
156 min
Genre
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Frank-Michael Helmke / 17. Dezember 2015

Erst letztes Jahr hat Alejandro Gonzales Inarritu ein sehr spannendes Oscar-Rennen am Ende für sich entschieden, als sein „Birdman“ unter anderem als bester Film und für die beste Regie ausgezeichnet wurde. Jetzt schickt er sich an, dieses Kunststück zu wiederholen, und auf den ersten Blick hat er gar keine schlechten Karten. Denn „The Revenant“ ist Inarritus bislang mit Abstand teuerster Film, eine breit angelegte Überlebenskampf-Saga mit ebenso viel tiefschürfender Metaphorik wie opulenten Schauwerten, und mit einem sehr namhaften Hauptdarsteller, der hier mal wieder alles gibt, um sich seinen eigenen, inzwischen schon fast überfälligen Oscar zu verdienen. Leonardo di Caprio könnte diesmal tatsächlich endlich für seine Arbeit belohnt werden. Beim Film selbst hat man hingegen so seine Zweifel.

The Revenant„The Revenant“ basiert auf wahren Ereignissen und erzählt eine schier unglaubliche Geschichte aus dem Leben des legendären amerikanischen Wildwest-Pioniers Hugh Glass (di Caprio). Dieser führte im frühen 19. Jahrhundert eine Pelzjäger-Expedition durch die verschneiten nördlichen Gebiete der heutigen USA, als der Trupp von Indianern aufgerieben wurde und sich nur eine Handvoll Überlebender auf den Rückweg in einen weit entfernten, sicheren Armee-Stützpunkt machte. Kurz darauf wurde Glass von einem Grizzly-Bären attackiert und dabei so schwer verletzt, dass seine Gefährten sein Schicksal für besiegelt hielten. Glass wurde schließlich allein und dem Tod geweiht in der Wildnis zurückgelassen, doch mit schier übermenschlichem Überlebenswillen kämpfte er sich trotz schwerster Verletzungen eigenmächtig zurück in Sicherheit.

Diese historisch verbürgte Geschichte wird hier durch ein entscheidendes dramatisches Detail ergänzt. Ohne verraten zu wollen, wie genau es dazu kommt, dass der halbtote Glass allein zurückgelassen wird, sei nur so viel gesagt: Was hier passiert, verschiebt die Motivation seiner Figur für den Rest des Films weg vom Wunsch nach bloßem Überleben und hin zum Durst nach Rache. Das kann ja durchaus auch eine sehr mächtige Antriebsfeder sein, die die Kraft für übermenschliche Anstrengungen verleiht. The RevenantWichtig ist dieser Punkt aber vor allem in der Hinsicht, als dass „The Revenant“ vielerorts als quasi poetische Ode auf den menschlichen Willen zu leben angepriesen wird – und das ist er schlichtweg nicht. Glass will nicht überleben um des Lebens willen, er will überleben, um zu töten.

Das passt zum Grundton des Films, denn wenn „The Revenant“ vor allem eines ist, dann unbeschönigend realistisch in seiner Darstellung des brutalen Kampfes sowohl zwischen Mensch und Natur als auch zwischen Mensch und Mensch. Naturalismus ist hier oberstes Gebot, alle Darsteller sind authentisch dreckig, die zahlreich zu bestaunenden Wunden sehen wirklich fies und eklig aus, und Inarritu und sein für „Birdman“ bereits mit dem Oscar ausgezeichneter Kameramann Emmanuel Lubezki schicken sich an, diese authentische Atmosphäre noch zu unterstreichen, indem sie ihren Film fast ausschließlich in natürlichem Licht gedreht haben. Das verleiht „The Revenant“ einen fürs Kino sehr ungewohnten, aber ebenso sehr faszinierenden Look, der nicht ohne Wirkung bleibt. Alles wirkt hier viel echter, als man es als Zuschauer gewohnt ist, und damit auch näher, brutaler, unbarmherziger.

Dieser Eindruck wird noch einmal verstärkt durch Lubezkis Kameraarbeit, die stellenweise an Zauberei zu grenzen scheint. Mit dem Anspruch, ganze Action-Sequenzen mit so wenig Schnitten wie nur möglich zu inszenieren und sie damit eben unverfälscht erscheinen zu lassen, vollführt die Kamera hier Bewegungen, bei denen sich selbst versierte Filmkenner staunend fragen „Wie haben die das denn gemacht?“. Ein zentrales Highlight in allen Aspekten der hier genutzten Tricktechnik ist Glass‘ Kampf mit dem Grizzlybären, der ebenfalls vollkommen ohne Schnitt auskommt und gerade dadurch eine kaum erträgliche Intensität und Grausamkeit erhält.

The RevenantSo erstaunlich, atemberaubend und definitiv erneut Oscar-würdig die Kameraarbeit von „The Revenant“ aber auch ist – sie kann nicht verhindern, dass der Film mit wachsender Laufzeit eher befremdlich als faszinierend wirkt. Das hat verschiedene Gründe. So verweigert Inarritu seinen Zuschauern aus kaum nachvollziehbaren Gründen beinahe jede Orientierung. Es gibt noch nicht einmal die zu erwartende Einblendung „Basierend auf wahren Ereignissen“ zu Beginn des Films, geschweige denn eine Information, wann bzw. wo genau man sich hier eigentlich befindet. Eine Reihe leicht verwirrender narrativer Sprünge und Auslassungen trägt auch nicht gerade dazu bei, dass man sich hier als Zuschauer besser zurechtfindet. Stattdessen wirkt der Film zusehends repetitiv, sowohl in den Stationen von Glass‘ Überlebenskampf, als auch in der fortwährenden Verwendung bildlicher Metaphorik für die Schwelle zum Tod, das Festhalten am Leben und das zentrale Motiv des Immer-weiter-Atmens.

Die „Dialoge“ von Leonardo di Caprio bestehen derweil größtenteils aus verschiedenen Variationen von Schmerzlauten, da er die meiste Zeit des Films allein und sehr übel zugerichtet verbringt. Das soll di Caprios Leistung nicht schmälern: Die Intensität seines Schauspiels ist fabulös und die Glaubwürdigkeit seiner dargestellten Qualen extrem hoch. Es dürfte allerdings ziemlich schwer werden, für den Zusammenschnitt der Nominierten bei der nächsten Oscar-Verleihung eine aussagekräftige Dialogpassage von ihm zu finden.

The RevenantTrotz immer wieder auftretender Momente, die man als Zuschauer so schnell nicht vergessen wird, gelingt es „The Revenant“ nicht, einen richtigen Zug zu entwickeln, und so fühlt er sich mit seinen zweieinhalb Stunden Laufzeit eindeutig zu lang an, und leider auch ein bisschen selbstverliebt. Ein Film, der sich wahnsinnig ernst nimmt, weil er sich selbst so super tiefgründig und philosophisch findet, wie er da so in Bildern schwelgt von brutalen Kämpfen zwischen rachsüchtigen Menschen inmitten einer Natur, die all dem so unbeteiligt wie übermächtig gegenüber steht – ihre Kraft und Erhabenheit lässt alles, was die Menschen in ihr tun, nichtig und klein erscheinen.

Man kommt nicht umhin, beim Betrachten von „The Revenant“ immer wieder an die Filme von Terrence Malick zu denken. Und enttäuscht festzustellen, dass der es in seinen besten Werken geschafft hat, dieselben großen Themen so viel feinsinniger, lyrischer und berührender zu verhandeln als es Inarritu hier gelingen mag. „The Revenant“ ist leider längst nicht so ein großer Film, wie er gerne wäre. Und ist damit letztendlich eigentlich gescheitert, an seinen eigenen Ansprüchen. 

Bilder: Copyright

6
6/10

Kann der Kritik voll und ganz zustimmen. Inarittu wirkt für meinen persönlichen Geschmack einfach zu selbstverliebt. Das war auch schon mein größter Kritikpunkt an Birdman, der mir durch diese Sache einiges am Filmspaß vermiest hat. Bildgewaltig ist er aber und alles andere als der Oscar für die beste Kamera wäre unbegründbar.

Glaube auch nicht das DiCaprio den Oscar einheimsen wird, dafür ist wie ihr bereits geschrieben habt einfach zu wenig Dialog da, auch wenn er seinen Leidensweg wirklich gut herüberbringt. Eine Nominierung dürfte es aber geben.

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Normalerweise lese ich Besprechungen von Filmen, die ich ohnehin im Kino sehen werde, meist nur quer. Die Sprengsel, die ich die letzten Monate allerdings aufschnappte, brachten schon ein Bild auf, daß hier in der Rezi - leider - bestätigt wird. Ein Film , der anscheinend größer sein möchte, als er ist, der selbstverliebt erscheint, dessen Preisambitionen wohl etwas zu durchsichtig erscheinen.

Das "entscheidendes dramatisches Detail" spart hier Frank-Michael Helmke zwar netterweise aus, schreit der Vermarkter aber als Aufhänger im zufällig gesehenen Trailer direkt raus.
Trotz Vertrautheit mit Glasses - durchaus spekulativem - Lebenslauf, beharre ich kaum auf historischen Übereinstimmungen, die "dramatische" Ergänzung passt aber in das Bild des oscarambitionierten Filmes - ein Racheplot wird mit etwas Zucker noch etwas überhöht.

Worauf ich hinausmöchte, den Film habe ich ja immer noch nicht gesehen, das Sujet kann ich nur an den großen Western messen, an Filmen, die sich wohl kaum als "super tiefgründig und philosophisch" darstellen, sondern es im Zweifel höchstens sind. Was ihre Klasse ausmacht.
Immerhin scheint di Caprio meist zu schweigen, die große amerikanische Tradition wird also aufgegriffen. Und für Bildgewalt wähle ich auch selbstverständlich die große Leinwand.

Ich freue mich trotz der kritischen Gedanken auf den Film, pro­g­nos­ti­zie­re einen BR Kauf, den ich immer mal wieder durchlaufen lassen werde. Die Tage noch den auch nicht ganz amerikanischen Western-, Pionier-Film mit Richard Harris "Ein Mann in der Wildnis" und einige Tage nach dem Kinobesuch Malicks Pocahontas.

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6
6/10

Ich fand den Film eigentlich recht ordentlich, allerdings hatte ich auch das Glück den Trailer nicht gesehen zu haben, der mal eben die ganze Handlung spoilert.

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10
10/10

Großartig. Natürlich zu etwas zu lang und DiCaprio leidet etwas zu sehr, aber ich habe schon lange keinen so visuellen packenden Film gesehen. Man spürt die Kälte und Nässe förmlich und die Interaktion zwischen den Hauptpersonen bleibt immer interessant und spannend.

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9
9/10

Das macht keinen Spaß mehr hier auf Filmszene. Das ist eine derart überzogene Kritik, unverhältnismäßig. Man bekommt fast den Eindruck wenn etwas zu gut ist, darf es nicht so sein, sofern der Rezensent den Eindruck hat,dass die Beteiligten den Anspruch dazu hatten. Dann ist schön zu schön, groß zu groß usw.
Ihre Meinung in allen Ehren, aber schreiben Sie ruhig dieser Film ist der mit Abstand visuell beeindruckendste Film der letzten Zeit ( bei einer Konkurrenz wie Sicario oder Macbeth), es wäre ein Skandal wenn Lubezki nicht als erster Mensch drei Oscars in Folge gewinnt. Wenn Sie in den nächste Jahren über Kameraarbeit sprechen, wird das Ihre Referenz sein. Des weitern ist dieser Film wahrscheinlich der Sargnagel für den analogen Film, nach diesen Bildern gibt es wohl keinen Grund mehr nicht digital zu drehen. Dank ALEXA 65.( Gruß an Dich Quentin ).
Ja gegen Ende ist der Film ein wenig repetitiv.

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6
6/10

Die Entscheidung in "The Revenant" auf künstliche Lichtquellen zu verzichten tun dem Film unheimlich gut! Ich würde mir wünschen das dieser "Nicht-Effekt" häufiger verwendung findet. DeCaprios dauerhaft schmerzverzerrte Präsenz empfand ich als angenehm und glaubwürdig, da er auf gewohntes Overacting verzichtet. Auch der übrige Cast konnte mich überzeugen. Alles in allem ist die Survival-Rache-Story aber ein bisschen dünn für 156 Minuten Spielzeit.

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7
7/10

DeCaprios dauerhaft schmerzhaftes dasein fand ich sehr glaubwürdig. Ich möcht nicht wissen wie es wäre wenn jemand selbst so zugerichtet wird von einem Bären mit solchen Klauen und das noch überlebt wie der dann sein LEBEN LANG an den Schmerzen oder Wunden zu Kämpfen hätte , sowas ist nicht eben mal ein Kratzer , darunter leidet man schon mehrere Monate wenn nicht Jahre, daneben hatte er ja nicht gerade Hygenische Bedingungen in der Pampa, von daher Daumen Hoch von mir und 7 Sterne , da mir auch der rest des Filmes gut gefiel.

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7
7/10

Ich stimme der Helmke-Kritik zu 100% zu. Trotzdem ein äußerst sehenswerter Film mit einer unfassbar spektakulären Kameraführung. Alles Andere als ein Oscar zumindest dafür wäre ein Skandal !

In anderen Foren wird der Film so dermaßen in den Himmel gelobt, es hagelt geradezu Höchstwertungen. Die hat er natürlich nicht ganz verdient.

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9
9/10

Ein absolut herausragender Film!

Sicher kann man darüber streiten ob zu lang oder nicht und letztlich sind Art und Inhalt immer Geschmacksache. Wir empfanden den Film als kurzweilig. Die Kameraführung, Landschaften und die darstellerischen Leistungen, insbesondere von DiCaprio, sind außergewöhnlich. Es ist beeindruckend wie man aus so einer so simplen Story einen Film geschaffen hat, der einen in die Kälte mitnimmt und die schier unerträglichen Qualen nachempfinden lässt.

Es bleibt zu hoffen, dass die Academy "The Revenant" entsprechend würdigt.

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8
8/10

Hat jemand in den letzten Jahren so etwas Packendes und Intensives im Kino gesehen wie den Angriff des Grizzlys auf Glass? Ich kann mich nicht erinnern.

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3
3/10

Hoch Prätentiös

Ein FIlm der unbedingt ein Meisterwerk sein will und eigentlich eher an einen B-Movie Action Film mit Liam Neeson erinnert à la Taken.

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8
8/10

Ich fand den Film super. Verdient hat den Oscar in jedem Fall Tom Hardy, der den Bösewicht mit unglaublicher Intensität spielt (und wirklich klasse synchronisiert wurde). Auch die anderen Rollen (besonders die der Natives) sind bis in die Komparserie hinein toll besetzt, sorgen allerdings dafür, dass der arme Leo di Caprio, der ja noch die Hypothek von 'Titanic', 'The Beach' und 'Wolf of Wallstreet' mit sich herumschleppt, in diesem Film als einziger Superstar ein wenig deplaziert wirkt.
Ob er oscarwürdig ist, obwohl er infolge der Bemühungen des Grizzlys nicht sprechen kann und hinter Bart, Perücke und Pelzklamotten auch kaum zu erkennen ist, sei dahingestellt.
Oscarwürdig ist jedenfalls die Kamerarbeit, die die grandiosen Landschaften beinahe surreal einfängt.
Am Drehbuch gibt es lediglich zu meckern, dass der Survivalstory wieder einmal eine Reihe von Rachemotiven hinzugefügt werden musste, angefangen vom Mord am Eheweib durch ruchlose Soldateska bis zur Schändung der Häuptlingstocher durch böse Franzosen.
Aber offenbar ist im angelsächsischen Raum ein Film ohne derartige Beigaben nicht mehr zu verkaufen.

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10
10/10

Reinhold Messner in seiner stärksten Rolle.

Aber mal im Ernst, filmszene: 7 von 10 Augen? Really?

Da hat aber mal jemand enorm kräftig sein Haupt geschüttelt, damit auch endlich ein Haar in die Suppe fällt, das man dann drin finden kann. Ich gebe einfach mal die Höchstpunktzahl. Das ist, was ein erstklassiges Kinoerlebnis verdient, an dem es nichts auszusetzen gibt. Gut, an der Kamera hat ja bisher auch wirklich niemand herum gemäkelt. Die ist sowieso unfaßbar. Und so richtig unspannend war die Story dann auch nicht, sondern durchweg „faszinierend“ und nicht „befremdlich“ – „orientierungslos“ gefühlt habe ich mich zu keinem Zeitpunkt. Dachte mir schon, daß die Handlung nicht auf Ibiza in den 70ern spielt. Warum man dem Film in der Kritik einen fehlenden „Zug“ andichtet ist mir wirklich schwer begreiflich. Oder hat irgendjemand eine Lokomotive in dem Film vermißt? Ich nicht. Leonardo diCaprio schnauft schließlich selbst genug. Und selten habe ich die Überlänge eines Filmes so wenig verspürt, wie bei diesem.

„The Revenant“ ist von der ersten bis zur letzten Minute packendes, kraftvolles Kino. Hier paßt die Formulierung „Leiden auf hohem Niveau“.

Der Anspruch der Umsetzung erinnert natürlich an Werner Herzog und Terrence Malick – die in letzter Zeit leider nichts großes mehr gerissen haben. Klar hat sich Iñárritu da sowohl thematisch als auch hinsichtlich der Stilmittel der beiden bedient – aber eben auch deutlich mit seiner eigenen, innovativen Handschrift versehen.

Noch nicht angesprochen wurde die nur punktuell sparsam eingesetzte Musik von Ryuichi Sakamoto, der nur ab und an wuchtig-orgelige Akzente setzt, die dann im Zusammenspiel mit den grandiosen Landschaftsbildern umso kraftvoller wirken.

Das Gesamtpaket dieses Films stimmt einfach bis ins letzte Detail. Da verwundern die flächendeckenden 12 Academy Awards nicht.

Wenn dieser Film nur 7 von 10 Augen erhält ist das schon sehr irritierend, sieht man, was hier für seichtes Mittelmaß mit der gleichen Wertung bedacht wird.

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9
9/10

Di Caprio mag ich nicht. Zuviel Landschaft muss ich auch nicht haben. Und dann diese plakativ-flache Charakterzeichnung: the Good, the Bad und viele, viele Uglys. Und trotzdem bin ich nun mehr als verzückt! Diese Wahnsinnskamera, dieser minimalistisch-depressive Score, diese gnadenlos-wuchtigen, hyperbrutalen, ohne Schnitt gedrehten Actionsequenzen. Wahnsinn! Krass! Einen dreckigeren Film kann man nicht machen. Chapeau!

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3
3/10

1. Handlung: Auf der Mikroebene (Einzelszene) sehr realistisch inszeniert; auf der Makroebene (Gesamtnarration) unglaubwürdiger Handlungsverlauf - Widerspruch zwischen zeitlichem Ablauf und realistischer Inszenierung der Mikroebene (bspw.: Glass konnte "gefühlt" wieder viel zu schnell laufen....). Zu grobes Schwarz-Weiß-/Gut-Böse-Weltbild. Es fällt auf, dass es keine einzige Freundschaft und Liebe nur in andeutig gibt. Ein Weltbild ohne diese menschlichen Eigenschaften zu vermitteln wirkt einseitig, vereinfachend und auf eine allzu simple Aussage hin konstruiert: "Wir sind alles Wilde". Letztlich eine Passionsgeschichte. Davon gibt es aber schon so viele und viel bessere (bspw. Scorsese; Bergman).

2. Schnitt: Schnitte in den Plansequenzen erkennbar; teilweise auffällig unelegante Übergänge zwischen den Szenen (bspw. durch Bilder, die die vorangegange Szene abschließen und kondensieren wollen, aber merkwürdig für sich allein stehen, ohne eine narrative Verbindung zwischen zwei Szenen zu erzeugen). Zu lang geschnitten. Insgesamt ungewöhnlich (schwach) für Mirrione, der so gut Soderbergh-, Clooney- und andere Innaritu-Filme geschnitten hat.

3. Kamera: Von einer der besten Kamerarbeiten der letzten hundert Jahre (hab ich irgendwo gelesen) zu sprechen, ist sicher übertrieben. Das erste Mal, dass mir Lubeszki manierirt und auftdringlich wird. Kein Vergleich zu seinen besseren (besten) Arbeiten bei Malick (The New World) und Cuaron (Y tu mama tambien). Es wird bewusst, dass Lubeszki eben doch "nur" ein Kameravirtuose ist, der das richtige Kommando des Regisseurs braucht.

4. Regie: Inarritu zeigt nach Babel und Biutiful erneut, dass er zu den meist überschätzten "Big-Shot"-Regisseuren zählt. Einzig 21 Gram und Birdman sind bzgl. Form-Inhalt und Subtilität überzeugend. Versucht hier größtenteils Malicks Bild-Regie zu adaptieren, nur dass dies bzgl. des Drehbuchs nicht funktioniert. Poesie vs. beinhartem Realismus; beißt sich hier! Hatte den Eindruck, dass über die Bilder intelligenter gesprochen wird als gedacht werden kann. Die Quasi-Jesus-Symbolik (Kirchen-Szene) des Protagonisten ist zunächst befremdlich, wird einem aber vor dem Hintergrund von Inarritus Katholizismus schnell einleuchten; erinnert an Tarkowsky, ohne dass Inarritu den Charme und die Chuzpe hat, dieser Symbolik Herr zu werden. Plansequenzen hin oder her: letztlich ist es ein Wichtigtun und wirkt doch nur, wenn es richtig eingesetzt wird (Ein gutes Gegenbeispiel - unter vielen - für das störrische Insistieren auf Plansequenzen: Rebeccas Ankunft in England in The New World - "fluide" Schnittregie at it's best!). Gelungene Schauspielführung (vor allem Tom Hardy). Insgesamt wird mir von Inarritu zu sehr auf Hollywood (und seine Manierismen) geschielt, ohne Mut zur Eigenständigkeit (in diesem Film). Anbiedernd. Wenn hier zwölf Oscarnominierungen vergeben werden, was heißt das für den State of Art des amerikanischen Films? Es wird zum hundertsten Mal klar: Gefälligkeitspreis (wenn auch nicht immer).

5. Schauspiel: Tom Hardy überzeugt! DiCaprio gelingt keine Performance alla Shutter Island oder Zeiten des Aufruhrs. Körpereinsatz allein reicht nicht. Wirkt teilweise gar unfreiwillig komisch; dennoch es gibt auch gelungene Momente (bspw. die Szenen mit dem Pawnee-Indianer); aber kein Oscar!

6. Ausstattung: Jack Fisk (David Lynch; PT Anderson; Malick - Filme) macht seine Sache sehr gut: realistisch, atmosphärisch. Auch dort mit Lubeszki zusammen.

7. Sounddesign: Das Beste am ganzen Film! Vor allem die "Kollagen" (bspw. zu Beginn); aber auch in Verbindung mit der gegen Ende hin eintönig werdenden Musik (weil immer wieder das selbe "Weltschmerz-Thema" wiederholend) sehr gut.

8. Schließe mich dem Schluss von Helmkes Rezession an.

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8
8/10

-- „The Revenant“ ist leider längst nicht so ein großer Film, wie er gerne wäre. Und ist damit letztendlich eigentlich gescheitert, an seinen eigenen Ansprüchen. --

Das kann man nur unterstreichen, und zwar doppelt mit roter Neonfarbe.

Aber mein Guete, was fuer eine bild- und tongewaltige Enttaeuschung das ist. Einer von diesen Filmen, die man sich definitiv - definitiv (!) im Kino und nicht daheim ansehen sollte.

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10
10/10

Also Leute. Ich weiß nicht was Ihr von einem Film erwartet, oder was Ihr alles hinein zu interpretieren versucht, aber ich habe seit langem keinen so fesselnden Film gesehen. Alles grandios, Schauspieler Landschaft. Macht doch mal den Kopf leer bevor Ihr ins Kino geht. Ich kann nur sagen hypnotisch. Ich wollte mir die Jacke anziehen wegen der grandiosen Winterbilder. Wenn ein Film dieses schafft, dich über 2,5 Stunden zu fesseln, dann ist das voll OK. Ich hätte 20 Punkte vergeben.

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10
10/10

Der Film ist kein Meisterwerk. Er ist aber großes Kino. Diese gewaltige Intensität, die spürbare Witterung, die hervorragenden Leistungen von Leo und Hardy, der intelligente Score, die Ausstattung, die rasanten Actionszenen in Schnee, Wasser und Wäldern ... ach der Film ist einfach klasse. Ja, etwas kürzer hätte er sein dürfen und einige esoterische Kamerafahrten hätte man sich sparen können. Aber sieben Punkte?! Ich hab zuletzt der Marsianer gesehen, der nicht ansatzweise so intensiv gewirkt hat - Wertung 8. Zuvor Everest. Ein wirklich schlecht gedrehter Film mit Styropor und Kunstschnee - auch 7. Into the Wild oder der große Trip, Filme die ich nicht zu Ende sehen konnte, weil ich weggepennt bin vor Langeweile - 10 bzw. 8. Ich sag nur Apocalypto, auch nicht perfekt, aber toll gefilmt, intensiv und düster - hier abgestraft mit 5 Punkten.

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