On the Road - Unterwegs

Originaltitel
On the Road
Jahr
2012
Laufzeit
137 min
Genre
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Miriam Flüß / 19. September 2012

Beat-Poet Jack Kerouac tippte das Manuskript zu seinem Roman „On the Road“ 1951 auf einer einzigen, aus 120 Seiten zusammen geklebten Papierrolle in einer fiebrigen, spontanen, impulsiven Sprache gemäß seinem eigenen „Glaubensbekenntnis zur Verfassung moderner Prosa“: „Komponiere wild, undiszipliniert, rein! Schreibe, was aus den Tiefen deines Inneren aufsteigt! Je verrückter, desto besser!“ Eine Sprache mit einem Rhythmus, die nicht in das Medium Film übersetzbar schien. Dementsprechend galt Kerouacs Buch, einer der berühmtesten und einflussreichsten amerikanischen Romane des 20. Jahrhunderts, eigentlich als unverfilmbar. Regisseur Walter Salles („Die Reise des jungen Che“) hat es trotzdem versucht. Und scheitert auf hohem Niveau.

Das Wilde, Rauschhafte der Beatniks Sal Paradise (Sam Riley), Dean Moriarty (Garret Hedlund), Carlo Marx (Tom Sturridge) und Old Bull Lee (Viggo Mortensen), die im prüden Amerika der Jahre 1947 bis 1951 mit Drogen experimentieren, freie Liebe praktizieren und sich dem Jazz hingeben kann Salles nur in einigen wenigen Sequenzen einfangen. In den restlichen 137 Minuten filmt er in behäbigem Tempo die Clique um den narzisstischen Dean, die kreuz und quer durch die USA trampt oder in geklauten Autos fährt, hin und her pendelt zwischen Deans Frau Mary Lou (Kristen Stewart) und der von ihm geschwängerten Camille (Kirsten Dunst). Dass diese Reise durch die ländliche Idylle nicht langweilig wird, dafür sorgt die hochkarätige Besetzung dieses Films. Und Bildungs-Beatniks oder Amerikanistik-Studenten können sich über ein Stück verfilmte Literaturgeschichte mit ihren Helden freuen - denn Kerouac verschlüsselte in seinem Buch das reale Personal der Beat-Bewegung nur marginal. Er selbst ist Sal Paradise, Allen Ginsberg ist Carlo Marx, Neal Cassady heißt hier Dean Moriarty) und William S. Burroughs ist Old Bull Lee. 

On the Road

In der Roman-Adaption bedienen sich Salles und sein Drehbuchautor Jose Rivera sowohl des Original-Manuskriptes von 1951 als auch der Erstausgabe von 1957. Hier ist der erste Satz des Romans entscheidend für Salles Interpretation, der in beiden Fassungen divergiert. „Ich traf Dean nicht lange, nachdem meine Frau und ich uns getrennt hatten“ heißt es in der Erstausgabe. Salles hält sich an das Original: „Ich traf Dean nicht lange, nachdem mein Vater gestorben war“ und interpretiert die rastlose Reise von Sal und Dean als Suche nach einer Vaterfigur. 

Der Tod seines Vaters hat den jungen New Yorker Schriftsteller Sal Paradise aus der Bahn geworden. Erst als er im Kreise seiner Literaten- und Intellektuellen-Freunde auf Dean Moriarty trifft, verfliegen seine Lethargie und Schaffenskrise. Sal ist fasziniert von dem charismatischen Draufgänger, der mit der sechzehnjährigen Marylou verheiratet ist, intellektuellen Diskursen freien Sex und Marihuana vorzieht und von einer unbändigen Lebens- und Abenteuerlust getrieben ist. Doch als es Sals neuen „Blutsbruder“ nach Westen treibt, kehren das Gefühl der Leere und die Schreibblockade zurück. Bis auch Sal sich auf den Weg macht, quer durchs Land trampt, sich als Erntehelfer und Baumwollpflücker durchschlägt, immer mit dem Ziel Dean wiederzusehen.

On the Road

Der zerreißt sich zwischen seiner Ehefrau Marylou und seiner Geliebten Camille, die ein Kind von ihm erwartet. Und hat nach Sals Ankunft noch genug Zeit und Energie, um mit seinem Kumpel durch die Jazz-Clubs zu ziehen und Mädchen aufzugabeln. Dean lässt sich von Marylou scheiden, lässt aber auch Camille mit der gemeinsamen Tochter in San Francisco zurück und zieht erneut mit seiner Ex Marylou durchs Land, immer getrieben von der Suche nach seinem Vater, der als Hobo durchs Land streift. Auch der gemeinsame Freund Ed Dunkle (Danny Morgan) hat seine Frau verlassen. Die drei Freunde holen die wütende Galatea (Elisabeth Moss) bei Old Bull Lee in New Orleans ab. Der Drogenpapst hat sich und seiner kleinen Familie ein verrücktes Paradies im tiefen Süden geschaffen – immer auf der Suche nach Erleuchtung und dem nächsten Schuss. Old Bull Lee – ebenfalls eine Art Vaterfigur – warnt Sal vor dem verantwortungslosen Dean. Und schon bald soll sich seine Prophezeiung erfüllen....

„Die einzigen Menschen für mich sind die Verrückten, die verrückt aufs Leben sind, verrückt aufs Reden, verrückt danach gerettet zu werden, die alles auf einmal begehren, die nie gähnen oder gewöhnliche Sachen sagen sondern brennen, brennen, brennen wie fabelhafte Wunderkerzen, die wie Feuerräder über die Sterne explodieren, während du siehst wie in der Mitte der blaue Lichtkern knallt und alle Ahhh machen“, schreibt Sal Paradise alias Jack Kerouac in On the Road über Dean Moriarty. Dean teilt das Schicksal aller Wunderkerzen, er brannte kurz und heftig. Doch leider gelingt es Garrett Hedlund („Tron: Legacy“) nicht, diesen Funken wirklich überspringen zu lassen und die Facetten zu transportieren, die Sal an Dean so faszinierten. Hedlunds Dean bleibt ein durchschnittlich charismatischer, leicht durchgeknallter Typ mit schwer narzisstischen Zügen.

On the Road

Auch die beiden weiblichen Protagonisten bleiben eher blass. Ist dies bei Kirsten Dunst dem undankbaren Part des wartenden Heimchens geschuldet, bleibt das Potenzial der Figur Marylou aufgrund Kristen Stewarts eher eingeschränkter Mimik weitgehend unausgeschöpft. Sam Riley hingegen, der schon in „Control“ erfolgreich einen introvertierten Künstler verkörpert hat, überzeugt auch als etwas scheuer, lebenshungriger Schriftsteller. Und auch die restlichen Darsteller sind bis in die Nebenrollen und Cameos bestens besetzt – darunter Elisabeth Moss („Mad Men“) als im Drogensumpf sitzen gelassene Galatea, Amy Adams („Julie & Julia“, „The Fighter“) als fixende Lebensgefährtin von Old Bull Lee und Steve Buscemi als schwuler Reisender, mit dem Dean für ein paar Dollar ins Bett geht. Doch auch ihre Leistungen können nicht wirklich etwas daran ändern, dass Walter Salles mit seinem Film an der einzigartigen, fesselnden Atmosphäre des Romans doch deutlich vorbei schrammt und lediglich einen dieser Filme produziert hat, von denen man nachher sagen kann "... aber die Bilder waren schön".

Bilder: Copyright

6
6/10

Stimme mit der Rezensentin hinsichtlich der Gesamtwertung überein, deren Text ich übrignes völlig in Ordnung finde.
Manche Bücher lässt man trotzdem besser unverfilmt...

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Ich war etwas skeptisch ob der derzeitigen filmischen Ausschlachtung der Beat-Generation-Schriftsteller ('Howl' über das gleichnamige Gedicht von Allen Ginsberg und eine intime Filmdoku über William S. Borroughs liefen bereits), die vermutlich mit der aktuellen inhaltsleeren Hipster-Modewelle zu tun hat und daher profitable Einnahmen verspricht.

Trotzdem: die Verfilmung von Jack Kerouacs 'On The Road' ist roh, nah, menschlich, voller Sex und dem Hin- und Hergerissensein zwischen schrankenlosem, ekstatischem Leben und der Sicherheit einer familiären bürgerlichen Existenz, deren Monotonie und gefängnishafte, einschränkende Verpflichtungen die Betroffenen wieder auf die Straße, on the Road treiben.
Die Darsteller bleiben authentisch, kratzen nur haarscharf an der Kante zu künstlichen Hollywoodschönheiten: Garrett Hudland als glanzäugiger, getrieben Suchender nach Fick und Rausch, nach Stabilität und seinem Vater; Kristen Stewart als heiliges kleines, Lust verschaffendes Luder; Sam Riley als reisender, etwas schüchterner Schriftsteller, der die Erlebnisse Dean Moriatys niederschreibt, an ihnen teilhat, sich mitreißen und faszinieren lässt; Kirsten Dunst als Verkörperung einer starken Frau und Gattin, die hofft, Dean besitzen und zähmen zu können sowie ein Arschfick für den großartigen Steve Buscemi – in einem kurzen, aber markanten Auftritt. Eines der seltenen Male in der Kinogeschichte, dass die Man-to-Man-Penetration von hinten nicht im Zusammenhang mit Erniedrigung oder Lächerlichkeit, sondern würdevoll dargestellt wird.

Unzählige, wackelige Kameranahaufnahmen von unrasierten Gesichtern, schweißbesaumten Wangen, Gesprochenem und Haut, Brüste, Rücken erzeugen eine unmittelbare Direktheit des Dargestellten; dazu raue Landschaftsszenerien der amerikanischen Süd- und Mittelstaaten, endlose geradlinige Straßen, Schneefall und Kälte, aber auch Baumwollfelder und sommerliche Fahrten auf Pick-Up-Ladeflächen, traurige Balladen gesungen von Raucherstimmen der Mitfahrer und ein Soundtrack der je nach räumlicher und landschaftlicher Umgebung changiert zwischen ekstatischem Bebop, galantem Jazz und tiefschwarzem Mississippi-Blues.

Fazit: ein sexy und ungeschliffener, Jugendlichkeit und Lebendigkeit preisender Film für Männer und Frauen, Homos und Heteros und allen, die zumindest manchmal spüren, dass sie innerlich brennen, brennen, brennen…

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