Argentinien,
1952: Die angehenden Ärzte Ernesto Guevara de la Serna
(Gael
García Bernal) und Alberto Granado (Rodrigo de la Serna)
beschließen, per Motorrad ganz Südamerika zu durchqueren,
um die Entdeckungsreise mit Granados 30. Geburtstag zu
krönen.
Auf der altersschwachen "Die Mächtige" getauften
Maschine, die nicht sehr mächtig ist und auch recht bald
den
Geist aufgibt, geht es los, längs über den Kontinent bis
nach Peru. Dabei treffen die beiden - typisch für ein
Roadmovie
- nette und nicht so nette, hilfreiche und nicht so
hilfreiche Menschen.
Vor allem aber treffen sie allerorts auf die verarmte
Landbevölkerung
Südamerikas, die von den wenigen Reichen des Landes
vertrieben,
ausgebeutet und misshandelt wird. Und so reift in dem
jungen Ernesto
der Gedanke, dass sich etwas ändern muss, nicht nur in
Argentinien,
sondern in ganz Südamerika....
Auf dem deutschen Plakat prangt es unvermeidlich
wieder, das Motiv,
das in zu vielen Teenager- und Studentenwohnheimzimmern
hängt,
ohne hinterfragt zu werden. Das Poster von Che Guevara mit
seinem
Barett auf dem Kopf, Allzwecksymbol für Rebellion,
Freiheitskampf,
Kommunismus und überhaupt eigentlich alles, was man
möchte.
Guevara ist als Pop-Art-Enblem in den letzten 50 Jahren
derart vereinnahmt
worden, dass die historische Figur und ihre Taten dahinter
mehr
und mehr im Hintergrund verschwanden. Guevaras politisches
Wirken
mag man beurteilen, wie man will, damit beschäftigen
sollte
man sich als stolzer Besitzer eines dementsprechenden
Emblems schon.
Das mal vorweg.
Ansonsten
wird der breiten Öffentlichkeit an "Die Reisen des jungen
Che" außer dem besagten Motiv auf dem Filmposter (das
übrigens auch nur das deutsche Plakat ziert) nicht viel
bekannt
vorkommen, denn wie der Titel schon andeutet, geht es hier
vor allem
um den jungen Ernesto Guevara de la Serna, bevor er der
"Che"
wurde.
Leider präsentiert Regisseur Walter Salles, wie um das
"Ein
Che für alle"-Motto nicht zu gefährden, keinerlei
Brüche im Charakter des jungen Guevara, der zu einseitig
als
sensibler Gutmensch gezeichnet wird. Da auch die Rolle
seines Begleiters
Alberto Granado relativ deutlich an Stereotypen aufgezogen
wird
(der dickliche, vergnügte Sancho Pansa), gibt es leider so
gut wie keine Charakterentwicklung der beiden Freunde. Und
damit
löst der Film nicht ein, was er eigentlich versprochen
hat,
scheitert quasi an dem, was das Ziel sein sollte oder
zumindest
hätte sein sollen: nämlich die Anfänge und Motivationen
zu zeigen, die Ernesto Guevara später zum umstrittenen
Revolutionsführer
werden ließen. Eine verschenkte Möglichkeit, die durch
einige späte und durch die Historie kaum gestützte
Rutscher
in Pathos ("Ich werde den Fluss durchschwimmen, um mit den
Kranken zu feiern") noch deutlicher als solche
gekennzeichnet
wird.
Das
Problem liegt letztendlich auch in den beiden zugrunde
liegenden
Quellen selbst, den Originaltitel gebenden diarios de
motocicleta
Guevaras aus seiner Autobiographie "Notad de viaje" sowie
das Buch "Con el Che por America Latina" von Alberto
Granado.
Denn auch wenn der Film selbst, in dem Guevara ständig
Impressionen
in einem Tagebuch festhält, einen anderen Eindruck
erweckt:
Die "Motorrad-Tagebücher" verfasste Guevara, als
er bereits der "Che" war, und vermischte darin
Jugenderinnerung
mit Weltbild und retrospektiver Interpretation. Alberto
Granados
Reisetagebuch, ebenfalls mit diversen Jahren Abstand
geschrieben,
ist da vielleicht ideologiefreier, aber nicht weniger
voreingenommen.
Der Fehler liegt also schon deutlich bei Drehbuchschreiber
Carlos
Rivera, dessen kritiklose Undistanziertheit zu seinem
Quellenmaterial
zu einem doch eher vorhersagbaren Film führt, der
hauptsächlich
Klischees bedient. Dem Phänomen Che Guevara ist man
allerdings
kein Stück näher gekommen.
Filmisch
ist "Die Reisen des jungen Che" wie alle Filme des
Brasilianers
Walter Salles (zum Beispiel der Oscar-gekrönte "Central
Station") eine Augenweide. Mit genauem Blick findet er
passende
Bildkompositionen für die Reise der beiden jungen Ärzte.
Sehr schön auch, wie die Gesichter der leidenden
Landbevölkerung
gezeigt werden. Sie sehen aus wie ein Schwarz-Weiß-Foto,
bei
genauem Hinsehen erkennt man, dass die Darsteller nur vor
der Kamera
stillstehen.
Wie schon bei seinem letzten Film "Hinter
der Sonne" stehen leider die wunderschönen Bilder
in einem Missverhältnis zu einer simplen Geschichte mit
ebenso
simplen Charakteren. Was aber bei der Parabel-artigen,
archaischen
Rachegeschichte des ersteren noch halbwegs akzeptabel ist,
wird
bei einem auf realen Personen basierenden Film mit
historischem
Hintergrund zum Problem, denn da ist der Anspruch ein
anderer. Während
der Film an sich ein recht unterhaltsames, bisweilen etwas
behäbiges
und mit über zwei Stunden auch ein gutes Stück zu langes
Roadmovie ist, wird man der Grundidee einfach nicht
gerecht.
So bleibt "Die Reisen des jungen Che" vor allem ein
wunderbarer
Bilderbogen über die Schönheit Südamerikas mit ein
paar ausgewählten anrührenden Szenen. Das ist schön,
auch schön anzusehen, aber leider nicht genug.
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