Der Gott des Gemetzels

Originaltitel
The God of Carnage
Jahr
2011
Laufzeit
81 min
Genre
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Volker Robrahn / 23. Oktober 2011

Ein Streit zwischen zwei elfjährigen Jungen artet aus und der eine verletzt schließlich den anderen im Gesicht. Fest entschlossen, die Angelegenheit vernünftig und vor allem selbstständig zu lösen, treffen sich die beiden Elternpaare zur Aussprache. Im Appartment des „Opfers“ empfangen daher Penelope und Michael (Jodie Foster und John C. Reilly) ihre Gäste Nancy und Alan (Kate Winslet und Christoph Waltz). Relativ schnell verfasst man eine  Gott 1gemeinsame schriftliche Stellungnahme für die Behörde und will sich eigentlich schon wieder verabschieden ohne sich mehr als oberflächlich kennengelernt zu haben. Doch kleine, spitze Bemerkungen auf der einen wie der anderen Seite führen dazu, dass man sich doch nochmal auf eine Tasse Kaffee hinsetzt. Im folgenden Gespräch werden dann die unterschiedlichen Lebensentwürfe und Vorstellungen der beiden Paare deutlich und die gegenseitigen Kommentare immer boshafter, bis die mühsam gehaltene vorgebliche Kultiviertheit endgültig zerplatzt und es zu einen regelrechten verbalen Gemetzel kommt, bei dem schließlich auch vermeintlich klare Fronten vollständig aufweichen.

 

Vier Personen in einem Raum und eine Handlung die komplett in Echtzeit erzählt wird – das klingt erstmal deutlich mehr nach Theater als nach einem Kinofilm. Und so ist es auch, denn das Stück „Der Gott des Gemetzels“ aus der Feder der französischen Autorin Yasmina Reza feierte in den letzten Jahren einen Siegeszug quer durch die großen Theater der Welt. Als besonders erfolgreich erwies sich dabei die Inszenierung am Broadway, für die Handlung und Schauplätze auf amerikanische Verhältnisse umgeschrieben wurden.

Ausgerechnet diese Version dient nun dem aus allgemein bekannten Gründen seit vielen Jahren nicht mehr in den USA anzutreffenden Regisseur Roman Polanski als Vorlage für seine Filmadaption. Und obwohl es natürlich ein paar Beispiele für gelungene reduzierte Kammerspiele auf der Leinwand gibt, durfte man etwas skeptisch sein, ob denn dieses destruktive Quartett dort wohl die gleiche faszinierende Wirkung entfalten wird wie auf der Bühne, wo die zweifelsohne brillant durchkomponierten Sätze und Dialoge ja viel unmittelbarer aufs Publikum einwirken. Bemerkenswerterweise funktioniert das aber nun auch hier, denn der Rezensent hat selten eine Vorführung erlebt, bei der das Publikum derart „mitgeht“ und praktisch über die gesamte Laufzeit selbst in Bewegung ist, sei es in Form von Gesten, Kopfschütteln oder schallendem Gelächter.

 

Gott 2Vor allem Letzteres ist sehr oft zu hören, denn obwohl man ja ein im Grunde sehr deprimierendes und ernüchterndes Stück zu sehen bekommt, bei dem man den Glauben an die Zivilisation und das friedliche Zusammenleben unterschiedlicher Exemplare der Gattung Homo Sapiens eine ganzes Stück weit verlieren kann, handelt es sich hier doch in allererster Linie um eine Komödie. Und die ist deshalb so köstlich gelungen, weil der Text einfach eine große Klasse hat und den Darstellern feine, pointierte Sätze gleich Dutzendweise zur Verfügung stellt, Es ist wunderbar wie dabei mit der Sprache gearbeitet und über diese die einzelnen Figuren definiert werden.

So benutzt etwa die stets alles ausdiskutierende Penelope derart penetrant das Wort „widerlich“, dass ihr grundsätzlicher Ekel vor so ziemlich allem und jedem erst recht erkennbar wird. Für Nancy dagegen ist alles „natürlich“, doch sie ist diejenige die sich in Wahrheit zunächst am wenigsten natürlich von allen verhält. Der blasierte Geschäftsmann Alan gibt sich von Anfang an keine Mühe sein Desinteresse an dem ganzen Frauen- und Familienkram zu verbergen und blickt solange von oben auf das für ihn banale Geschehen herab, bis man ihm sein dauerklingelndes Handy wegnimmt und aus dem selbstgefälligen Dandy eine Art wimmerndes Kleinkind wird. Der joviale Michael gibt sich lange Zeit als harmoniesüchtiger Vermittler, bevor auch er, nicht zuletzt dank einiger Gläser hochprozentigen Alkohols, die Maske fallen lässt und seiner Frustration über das Leben mit dem anstrengenden Gutmenschen Penelope freien Lauf lässt.

 

Christoph Waltz und Jodie Foster haben dabei die stärkeren Rollen gezogen, ohne dass die anderen Beiden deshalb aber uninteressant wären. Doch Waltz' lässiger Alan dominiert mit seinen Sprüchen ganz klar die erste Hälfte des Films, greift die meisten Lacher ab und ist eindeutig der Liebling des Publikums. Die Leistung von Foster ist aber im Grunde noch beachtlicher und vor allem mutiger, denn ihre Penelope ist eigentlich unerträglich, verkommt aber trotzdem nicht zur Witzfigur. Wie die Schauspielerin ihr dabei auch physisch Profil verleiht, die Zornesadern anschwellen lässt oder die Gesichtsfarbe wechselt ist schon ziemlich beeindruckend. 

Gott 3

Es handelt sich hier natürlich ganz klar um einen „Schauspielerfilm“ und alle vier Beteiligten liefern eine klasse Performance ab. Sie lenken damit auch im wahrsten Sinne des Wortes spielend davon ab, dass wir es eben mit nicht viel mehr als vier sich unterhaltenden Menschen auf engem Raum zu tun haben. Ein wenig aufgelockert wird das alles aber durch ständige Perspektivwechsel und Kamerafahrten durch die Wohnung, deren Einrichtung und Blick aus den Fenstern das Geschehen sehr eindeutig in New York verortet, obwohl tatsächlich in Paris gedreht wurde. Umrahmt wird das Ganze dazu ebenfalls sehr hübsch und clever durch den Vor- und Nachspann, mit den einzigen Szenen die außerhalb der Wohnung spielen und die uns zeigen, was tatsächlich zwischen den betroffenen Kindern passiert.

 

Zugegeben, er ist vorwiegend auf Lacher angelegt und daher gar nicht so besonders tiefsinnig, dieser Blick durchs Schlüsselloch auf die Lebenslügen der vier Bildungsbürger. Er ist zudem mit gerade mal 80 Minuten Laufzeit auch recht kurz geraten. Nichtsdestotrotz wird aber eine Menge geboten, nämlich eines der vergnüglichsten Kinoerlebnisse des Jahres mit einem Quartett herausragender Darsteller. Und wenn man sich am Ende wünscht es möge doch bitte noch mindestens eine halbe Stunde so weitergehen, dann spricht das wohl für sich.

Bilder: Copyright

10
10/10

Komme gerade aus der Vorpremiere und ich muss sagen dass mich selten ein Film so amüsiert hat wie dieser! ALLE Schauspieler sind eine Klasse für sich! Unbedingt anschauen!

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6
6/10

Meine Vorfreude auf diesen Film war groß, da Winslet/Foster/Waltz zu meinen Lieblingsdarstellern zählen. Und die Darsteller (alle vier) sind es auch, die "Carnage" sehenswert machen.

Der Einstieg in die Handlung kam für mich ziemlich abrupt, was leider an falschen Vorstellungen aufgrund der Filmszene-Rezension lag. Denn der "Empfang" der gegnerischen Partei in den eigenen vier Wänden wird ja ebenso wenig gezeigt wie die Zeit bis zur "relativ schnell verfassten Stellungnahme". Ich hatte aufgrund der Rezension geglaubt, das im Film zu sehen. So schien für mich bereits zu Beginn etwas zu fehlen. Kein guter Einstieg.

Die Handlung selbst hatte ein paar richtig gute Momente, aber für meinen Geschmack zu viele wechselnde Allianzen zwischen den Beteiligten. Auch die Frage, warum Nancy und Alan nicht einfach gehen, haben sich nicht nur diese beiden immer wieder gestellt. In der von mir besuchten Vorstellung begann das Publikum (inklusive meiner einer) erst im Mittelteil richtig zu lachen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ein Paar bereits das Kino verlassen.

Den Abspann haben sich fast alle bis zum Ende angesehen, weil offensichtlich jeder darauf hoffte, dass noch irgendwas käme. Kam aber nix. Man sieht halt ein paar Kiddies auf einem Spielplatz, und das war's. Was tatsächlich zwischen den betroffenen Kindern passiert ist, zeigt ausschließlich der Vorspann.

Unterm Strich bin ich zufrieden, den Film gesehen zu haben - der Darsteller wegen.

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@captain:
So genau Du offensichtlich beim Beginn auf bestimmte Szenen gewartet hast, die laut Deiner Inerpretation des Filmszene-Textes hätten vorkommen "müssen", so wenig hast Du aber dann beim Abspann genau hingesehen.

(*kleine Spoilerwarnung*)

Wie, da "passiert nichts" und "man sieht nur ein paar Kiddies auf dem Spielplatz?"

Diese Kiddies sind natürlich die beiden Kinder vom Anfang, die sich also schon längst wieder vertragen haben,
während ihre Eltern sich über Gott und die Welt in den Haaren liegen.
Und das sagt ja nun sehr wohl etwas aus...

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@Eldorado:
Stimmt, da hab ich in der Tat nicht mehr genau hingesehen, da's mich kaum noch interessiert hat. Dann waren's also die zwei Kiddies vom Anfang, die man auf dem Spielplatz sieht. Achselzuckend zur Kenntnis genommen.

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8
8/10

Sehr lustiger Film, der natürlich auf den Stärken der Darsteller beruht!
Leider kaum Publikum im Kino, es ist bedauerlich das Filme, die auf intelligente Dialoge aufgebaut sind in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit meist untergehen. Statt dessen wird "hohler" Schrott wie Twilight "Biss zum Erbrechen" gehypt! Traurig!

Also, Hirn einschalten und in den Film gehen, macht echt Spaß!

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Großartiger Film. Hatte in den ersten 10min etwas Angst, dass der Film nicht noch mehr Fahrt aufnimmt. Tut er dann aber mit großem Karacho --> Fantastische Charakterstudie

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Ich hatte viel Spaß beim Ansehen, bürgerliche Fassaden die schon bei leichtem Gegenwind dahinbröseln oder alkoholgeschwängert unterminiert werden, einfach köstlich.
Besonders Jodie Foster als Penelope ist in Erinnerung geblieben, man kennt sie einfach zur Genüge auch aus dem Stadtteil, die "ein"gebildeten blasierten Gutmenschen, die Macciato/Bio- Bildungsbürger die gerne ihre Wolfskin zur Schau tragen und sich borniert und abweisend geben bei allem was nicht in Ihr Schema passt, sehr treffend Charakterisiert.

Polanski kommt immer wieder mit einer Überrraschung um die Ecke.

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7
7/10

Nicht so brachial und genial wie "Wer hat Angst vor Viginia Wolf", aber dafür viel amüsanter! Für das etwas abrupte Ende gibt´s einen Augenabzug. Für den Filmbeginn, der das Paar eigentlich schon beim Gehen zeigt, gibt´s ein Extraauge ;) Allerdings ist es an manchen Stellen wirklich etwas verwunderlich respektive unglaubwürdig, warum die beiden nicht die Flucht ergreifen. Fazit: köstliche Unterhaltung - im wahrsten Sinn des Wortes.

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Großartig - einfach Großartig. Auch wenn es nicht "großes" Kino ist, sondern Theater im Kino. Es funktioniert ob der grandiosen Darsteller, den sehr pointierten Dialogen, dem Rhytmus und natürlich den vier unterschiedlichen Charakteren wunderbar. Beweist einmal mehr, das gutes Kino einfach nur eine gute Story benötigt. Gerne mehr davon..
Ach ja, und vielleicht auch ein Beispiel dafür mal wieder ins Theater zu gehen..

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"Dramödie" - was für ein grauenhaftes Wort - auch wenn es sich mit der Zeit einbürgern wird.
Sehnsüchtig zu erwarten im Neudeutsch: Doktire (ein dokumentarisch-satirischer Film)
Trillama (Thriller+Drama), vielleicht noch Psychothrillödie und z.B. Error (erotischer Horror)

Genießen Sie die "Dramödie", es ist ein großartiger Film mit beachtlicher Portion
schauspielerischer Qualitäten, Ch. Waltz ist einfach Klasse.

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5
5/10

- viel, viel zu kurz
- das Konzept viel zu wenig weit getrieben. Kammerspiele müssen mehr bieten.
- nicht nachvollziehbare Umschwünge, Eruptionen und Meinungsänderungen, die einer Entwicklung bedurft hätten

Lohnt sich insgesamt nicht (in der Originalversion gesehen).

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8
8/10

Die größte Stärke des Films liegt logischerweise in den schauspielerischen Darbietungen. In der "Zeit" wurde das recht treffend als "Turnier der Darsteller" beschrieben.

Teils überraschend harte Dialoge, verbale Spitzen - sehr amüsant vorgebracht. Der Film hat Klasse und Stil.
Mir mißfällt ein wenig das Overacting (sicherlich gewollt) der Vier - allen voran Kate Winslet übertreibt es - so dass dem Stück ein wenig die Schärfe genommen wird, da man so eher Richtung Groteske/Satire schippert als die (Erwachsenen-)Gesellschaft symbolisch (und ernstgemeint) mit dem Kampf dieser zwei Paare zu spiegeln.

Auf der anderen Seite könnte man so natürlich sagen: Wäre das zu "ernst gemeint" geworden, wäre Carnage sehr nach Gusto der überambitionierten Weltverbesserungsfrau Jodie Foster a.k.a. Pen Longstreet gelaufen. Nicht so gut, denn diese müsste aufgrund der "eigentlichen" moralischen Güte doch am meisten Sympathien haben - hat sie aber nicht. Symbolisch ist, dass gerade Waltz, als zynischer Anwalt diese Sympathien trägt, genauso wird Reilly erst interessant, als er austickt.

Eine Parabel auf bürgerliche Probleme und dem klaren Bekenntis: Menschen, die nicht alles so ernst nehmen und meinen, sind viel sympathischer. Und eine gute Anleitung: "Wie mache ich aus einer Mücke einen Elefanten?"

Turnierergebnisse:
1. Jodie Foster
2. Christoph Waltz
3. John C. Reilly
4. Kate Winslet

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6
6/10

Gute Darsteller. Aber die Handlung war doch irgendwie abgekupfert von "Wer hat hat Angst vor Virginia Woolf", gewürzt mit einer Prise "Kosakenzipfel".

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8
8/10

Grandioses Kammerspiel. Verhalten und Dialoge nicht immer ganz nachvollziehbar, aber durchweg zum lachen. Das Ende kommt aber einfach zu abrupt.

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7
7/10

Schön zu sehen, wie langsam aber sicher die Hosen der Akteure fallen gelassen werden. Habe mich amüsiert über unsere bürgerlich-spießige Fassade. Netter Film, etwas zu kurz und eigentlich belanglos, aber so ist unser Leben halt :-)

Ach ja: Rettet Afrika!

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3
3/10

Völlig überbewertet

Hält leider lange nicht das, was man sich davon verspricht.

Entspricht nicht nur vom Setup einem Kammerspiel - auch die schauspielerische Leistung ist zum Teil nur Kleinstadtbühne. Gerade von Frau Foster waren wir doch sehr enttäuscht.

Ich denke, in den 60ern hätte der Film für Spannung und Aufregung gesorgt. Anno 2012 ist man anderes gewohnt - da muss man schon sehr feinfühlig oder Mauerblümchen sein, um hier Aufregung, Entrüstung oder als Zuschauer eben eine kurzweilige Spannung zu verspüren.

Thema und und Story wie vom Trailer avisiert... aber die Qualität ist einfach nicht die, die man von diesem Ensemble und Regisseur erwartet hätte - die 77 DVD-Minuten ziehen sich, die Handlung bricht aber IMHO vor einer finalen Eskalation ab.

Es lebe der Hamster ;-)

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9
9/10

Habe den Film durch Zufall gesehen und er entspricht nicht meinem üblichen "Beuteschema" bei Filmen.
Ich fand den Film sehr unterhaltsam und über Waltz mit seinem Handy und seinen Kommentaren musste ich wirklich lachen.
Prost

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