Wir haben an dieser Stelle in den letzten Jahren nicht sonderlich viele positive Worte gefunden, der traditionelle Jahresrückblick war zuletzt meist eine erneute Bestandsaufnahme der Malaise des Kinos, eine hadernde Analyse über die immer weiter zunehmende Reduzierung des Kino-Programms auf Superhelden, Animationskomödien und Sequels/Remakes, die kaum noch Platz für andere, originelle Filme lassen. Unseren Jahresrücklick 2016 hatten wir dementsprechend dann auch mit einer ziemlich düsteren Prognose für 2017 beendet.
Nun sind wieder zwölf Monate vergangen, doch auch wenn sich an den grundsätzlich unschönen Symptomen der programmatischen Einseitigkeit im Kino nicht viel geändert hat - hierzulande als auch in den USA finden sich unter den 20 erfolgreichsten Filmen des Jahres jeweils nur vier wirklich neue Stoffe, die nicht zu irgendeiner Franchise gehören oder bereits Bekanntes neu auflegen - so muss man überraschenderweise doch konstatieren: 2017 war als Kinojahr eigentlich ziemlich geil.
Das ging schon gleich zu Jahresanfang gut los, als sich die diesjährigen Oscar-Anwärter einer nach dem anderen die Ehre gaben und man eine doch recht erstaunliche Bandbreite an Filmen sehen konnte, die mit der Oscar-Prestige-Einheitsware aus Romanadaptionen und/oder Historiendramen, auf die sich die großen Hollywood-Studios in den letzten Jahren immer mehr versteift haben, nur wenig zu tun hatten. Die drei herausragenden Werke dieser Oscar-Saison - "Moonlight", "La La Land" und "Manchester by the Sea" - wären allein schon in der Lage gewesen, ein deutliches Ausrufezeichen hinter dieses Filmjahr zu setzen. Doch es ging erfreulicherweise auch bemerkenswert weiter.
Der Comic-Superhelden-Boom blieb auch 2017 ungebrochen, und der Platzhirsch heißt hier nach wie vor Marvel. Die drei diesjährigen Erweiterungen des "Marvel Cinematic Universe", namentlich "Guardians of the Galaxy Vol. 2", "Spider-Man: Homecoming", und "Thor: Tag der Entscheidung" belegen in den amerikanischen Jahres-Kinocharts die Plätze 3, 5 und 7. Die wahren Lorbeeren verdienten sich dieses Jahr aber zwei andere Vertreter des Genres. Zum einen der definitiv letzte Kino-Auftritt von Hugh Jackman als Wolverine, der unter der Regie von James Mangold in "Logan" einen richtig starken Abgang hinlegte und aufzeigte, wie dramatisch stark und inhaltlich erwachsen ein Superhelden-Film auch sein kann, wenn man ganz bewusst auf die jugendfreundliche Altersfreigabe pfeift. Und zum anderen natürlich "Wonder Woman". Nicht nur, dass Warner Bros. in ihrem Bestreben, sich Marvel-mäßig ein eigenes Comic-Kino-Universum aufzubauen, ihren ersten wirklich überzeugenden Film ablieferten und den ersten echten Mega-Erfolg feierten (in den USA überflügelte "Wonder Woman" die gesamte Marvel-Konkurrenz und mauserte sich zum zweiterfolgreichsten Film des Jahres). Man kann auch kaum genug hervorheben, wie es Patty Jenkins gelungen ist, zum ersten Mal eine weibliche Superheldin in diesem sehr männlich dominierten Genre als eigenständige, gleichwertige Hauptfigur zu etablieren. "Wonder Woman" ist tatsächlich ein feministisches Meisterwerk, aber ohne dabei auch nur eine Minute penetrant mit dem emanzipatorischen Zeigefinger zu wackeln.
Natürlich hatte Hollywood auch dieses Jahr wieder eine ganze Reihe an Franchise-Filmen am Start, die nicht mehr als Mittelmaß waren und mit der ewigen Wiederholung des Immergleichen allenfalls belegten, dass ihre jeweiligen Reihen besser längst beendet worden wären. Warum die Welt unbedingt noch einen fünften "Pirates of the Caribbean" über sich ergehen lassen musste, wissen auch nur die Buchhaltung der Disney Studios und der Steuerberater von Johnny Depp. Und angesichts der vergleichsweise enttäuschenden Einspielergebnisse von "Transformers: The Last Knight" besteht die Hoffnung, dass bei dieser Reihe bald endgültig Schicht im Schacht sein wird. Die Raser von "Fast & Furious" ließen indes auch beim achten Abenteuer an der Kinokasse nicht nach und werden uns wohl noch einige Jahre erhalten bleiben. Zwischen all diesem hirnfreien Action-Quatsch gab es aber immerhin noch den dritten Teil der klügsten Franchise der letzten Jahre zu bewundern, "Planet der Affen: Survival". Die inhaltliche Vielschichtigkeit dieser Prequel-Reihe blieb auch zum Abschluss ein besonderes Schmankerl unter Hollywoods Mega-Produktionen, so dass man fast ein wenig hofft, dass es trotz Trilogie-Abschluss hier vielleicht doch noch weiter geht.
Die außergewöhnlichste Mammut-Produktion aus der Sequel/Remake-Sparte Hollywoods war dieses Jahr jedoch fraglos "Blade Runner 2049". Ein Film, der so kompromisslos seine eigene Linie durchzog, ohne sich dabei auch nur einen Deut um seine Vermarktbarkeit zu scheren, dass seine bloße Existenz innerhalb von Hollywoods dominierender Produktions- und Geschäftslogik eigentlich schon einem Wunder gleicht. Für Filmfreunde und Anhänger des Originals war Denis Villeneuves herausragendes Sequel das vielleicht größte Highlight dieses Kinojahres. Dass der Film an der Kinokasse relativ enttäuschte und in den USA nicht mal die 100-Millionen-Marke knackte, war dabei ein Verlustgeschäft mit Ansage. Anspruch und Filmkunst rechnen sich einfach nur bis zu einer relativ bescheidenen Budgethöhe.
Die einzige Ausnahme dafür war dieses Jahr mal wieder Christopher Nolan, der nach wie vor der einzige Regisseur auf der Welt zu sein scheint, der mühelos immense Produktionsbudgets für inhaltlich komplexe Filme freigegeben bekommt, und damit dann auch noch beeindruckende Summen einspielt. Sein "Dunkirk" erwies sich einmal mehr als technisch und handwerklich herausragender Geniestreich, der zudem auch noch innerhalb seines Kriegsfilm-Genres mit ungewöhnlichen erzählerischen Ansätzen zu faszinieren wusste. Dass man auch mit deutlich bescheideneren Budgets immer noch grandiose Genre-Filme herstellen kann, die dann auch ihren verdienten Lohn an der Kinokasse bekommen, zeigten dieses Jahr indes zwei andere Werke. Der so wundervoll filmverrückte Edgar Wright lieferte mit "Baby Driver" den wohl mitreißendsten Film des Jahres ab, der mit seinem zu grandiosem Soundtrack aufgeführten Autoverfolgungsjagd-Ballett auf seine ganz eigene Art ebenso sehr einem klassischen Hollywood-Kino huldigte, wie es zu Jahresbeginn "La La Land" getan hatte. Und dann war da natürlich noch Jordan Peeles "Get Out", der fraglos originellste, cleverste und hintersinnigste Grusel/Horror-Film seit einer halben Ewigkeit. Wie hier beißende Gesellschaftssatire, hintergründige Komödie und mit großem Spaß abgefeierte Genre-Standards zusammengerührt wurden, das war vielleicht die größte und schönste Genre-Überraschung dieses Kinojahres. Den Namen Jordan Peele sollte man sich als Filmfan ab jetzt auf jeden Fall merken.
Man nehme dazu noch absolut großartige Filme wie Kathryn Bigelows meisterhaftes Doku-Drama "Detroit", den einmal mehr wundervoll erzählten neuesten Pixar-Film "Coco", Darren Aronofskys herrlich durchgeknallten "mother!" oder David MacKenzies Indie-Krimi-Kleinod "Hell or High Water", und man hat ein Kinojahr, über das man wahrlich nicht meckern kann. In der Tat hatten manche von uns durchaus Schwierigkeiten sich zu entscheiden, welche Filme wir in unsere jeweilige Jahres-Top Ten aufnehmen wollen und welche es dann doch nicht ganz schaffen würden. Wenn man in dieser Hinsicht am Jahresende die Qual der Wahl hat, dann kann man wirklich zufrieden feststellen: So darf das nächstes Jahr gerne weitergehen.
Dass einige Filmszene-Redakteure trotzdem keine vollständige Bestenliste zusammenbekommen haben, ist nicht der Qualität des Kinojahres geschuldet, sondern dass wir alle es immer seltener ins Kino schaffen. Eine Tatsache, die 2018 auch ihre Konsequenzen auf die Gestaltung und Ausrichtung unseres kleinen Film-Magazins hier haben wird. Doch dazu werden wir Euch, liebe Leser, noch zu gegebener Zeit näher informieren. Jetzt wünschen wir Euch erst einmal schöne Weihnachten und ein frohes neues Jahr!
Die Tops und Flops im Kinojahr 2017 aus Sicht unserer einzelnen Redakteure
Frank-Michael Helmke
La La Land |
Moonlight |
Blade Runner 2049 |
Dunkirk |
Manchster by the Sea |
Coco |
Get Out |
Baby Driver |
Hell or High Water |
Wonder Woman |
Ghost in the Shell |
Die Mumie |
Die Schöne und das Biest |
Victoria & Abdul |
Bullyparade - Der Film |
Volker Robrahn
Blade Runner 2049 |
Manchester by the Sea |
Baby Driver |
Dunkirk |
La La Land |
Wonder Woman |
The Lego Batman Movie |
Kong: Skull Island |
Elle |
Valerian |
Die Mumie |
Fack ju Göhte 3 |
Assassin's Creed |
The Circle |
Unter deutschen Betten |
Matthias Kastl
Blade Runner 2049 |
Manchester by the Sea |
Logan |
Hell or High Water |
Dunkirk |
La La Land |
Planet der Affen: Survival |
Lion |
Moonlight |
Get Out |
Maximilian Schröter
Manchester by the Sea |
Blade Runner 2049 |
Mein Leben als Zucchini |
Moonlight |
Sieben Minuten nach Mitternacht |
Tiger Girl |
Lion |
Logan |
Hacksaw Ridge |
Train to Busan |
Die Mumie |
The Great Wall |
Baywatch |
Die Schöne und das Biest |
Justice League |
Johannes Miesen
La La Land |
Manchester by the Sea |
Moonlight |
Get Out |
Hell or High Water |
Lion |
Dunkirk |
Water Woman |
Die Verführten |
Spider-Man: Homecoming |
Blade Runner 2049 |
Baby Driver |
Star Wars: Die letzten Jedi |
Alien Covenant |
Pirates of the Caribbean 5 |
Simon Staake
Moonlight |
Blade Runner 2049 |
Hell or High Water |
Manchester by the Sea |
Planet der Affen: Survival |
La La Land |
Get Out |
Logan |
Es |
Life |
Alien: Covenant |
Live by Night |
Margarete Prowe
The Square |
Liebe auf Sibirisch |
Wonder Woman |
Star Wars: Die letzten Jedi |
Valerian |
King Arthur: Legend of the Sword |
Guardians of the Galaxy Vol. 2 |
Suburbicon |
Atomic Blonde |
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