Das Jahr fing schon ziemlich gut an für das Blumhouse Produktionsstudio und dessen Verleihpartner Universal, als M. Night Shyamalans „Split“ zum Überraschungserfolg avancierte, seinen Regisseur endgültig zurück auf die Kino-Landkarte brachte und dabei das zigfache seiner Produktionskosten einspielte. Doch mit „Get Out“ konnte das Ganze nur wenige Monate später nochmal getoppt werden, denn der Erstling von Regisseur Jordan Peele hat aus seinen Herstellungskosten von gerade mal 4,5 Millionen Dollar aktuell ein Kasseneinspiel von fast 200 Millionen generieren können und ist damit auf jeden Fall schon mal einer der profitabelsten Filme überhaupt. Ein kommerzieller Hit, der allerdings auch von der Kritik durchgehend geliebt wird, erkennen doch viele in Jordan Peeles Entführungs-Thriller eine kluge Parabel zum Thema Rassismus und zu aktuellen US-amerikanischen Gesellschaftsfragen ganz allgemein. Zu Recht?
Sie sind seit ein paar Monaten zusammen und nun endlich soll Chris (Daniel Kaluuya) die Eltern seiner Freundin Rose (Allison Williams) kennenlernen. Als der schwarzhäutige junge Mann und seine Freundin in der gutbürgerlichen Siedlung von Dean (Bradley Whitford) und Missy (Catherine Keener) ankommen, verhalten sich die (schwarzen) Hausangestellten zwar etwas merkwürdig, doch Roses Eltern geben sich warmherzig und scheinen mit ihrem Schwiegersohn in spe keinerlei Probleme zu haben. Als Missy aber Chris gleich am ersten Abend ungefragt hypnotisiert, um ihm zu helfen sich das Rauchen abzugewöhnen, ist dies nur das erste von mehreren Vorkommnissen, die für eine zusehends unangenehme Atmosphäre sorgen. Nachdem Chris seinem Kumpel Rod (Lil Rel Howery) am Telefon von seinen Erlebnissen berichtet, hat der für ihn nur einen Ratschlag: „Get Out!“
Reden wir gar nicht erst lange drum herum: Die Lobeshymnen für „Get Out“ sind absolut gerechtfertigt. Von der ersten Szene an, in der ein junger Schwarzer sich ins falsche Viertel verläuft und prompt zu einer genauso spießigen wie in diesem Zusammenhang unheimlich wirkenden Schnulze ("Run Rabbit Run…“) von Fremden ins Auto gezerrt wird, baut der Film eine Atmosphäre der Spannung und des Unbehagens auf und dies setzt sich fort, wenn die betont liberalen Vorstadt-Eltern sich weltoffen geben und natürlich nicht vergessen zu erwähnen, dass sie selbstverständlich zweimal Obama gewählt haben. Man darf es ihnen sogar glauben, denn in dieser raffinierten Parabel über Rassismus ist es eben nicht so, dass die „Täter“ die Menschen anderer Hautfarbe als irgendwie minderwertig ansehen, sondern ganz im Gegenteil: „Schwarz“ ist gerade total in und deshalb sehr begehrenswert.
Hier sind wir dann bei der zweiten, der doppelbödigen Ebene angelangt, über die man sich an dieser Stelle aber nicht allzu detailliert auslassen kann, um nicht schon alles vorwegzunehmen. Es gibt auf jeden Fall viele kleine Details und Anspielungen zu entdecken und den Film mindestens ein zweites Mal – dann mit dem Wissen um die Auflösung – zu schauen ist definitiv ein großes Vergnügen. Regisseur Peele präsentiert hier zwar seinen Kino-Erstling, ist im Thema „Rassenkonflikte“ aber nicht unbewandert, sondern hat sich durch jahrelange Arbeit einen Namen als Comedian mit seinen TV-Sketchen gemacht. Zu lachen gibt es auch in „Get Out“ immer mal wieder etwas, wofür in erster Linie der Szenen-Dieb Lil Rel Howery in der Rolle als Chris' bester Kumpel zuständig ist. Die meiste Zeit läuft einem jedoch ein wohliger Gruselschauer über den Rücken, wenn die Bewohner dieser merkwürdigen kleinen Stadt sich genauso freundlich wie schräg verhalten und dabei stets darauf achten, dass ihr gekünsteltes Lächeln gut sichtbar ist. Bis schließlich wenige kleine „Aussetzer“ auftreten, in deren Folge dann der blanke Horror Einzug in das bis dahin so positiv verlaufende Leben des unglücklichen Chris hält.
Es ist schon sehr bemerkenswert, wie clever Autor und Regisseur Peele seine Geschichte anlegt, er liefert so viele kleine Bonbons ab, dass ihm die seriöse Kritik dafür sogar den doch zweifellos ziemlich ins Abstruse abdriftenden „Masterplan“ durchgehen ließ, wo sie anderswo sicher laut und empört „das ist doch totaler Trash!“ gerufen hätte (wie etwa jüngst bei Gore Verbinskis „A Cure for Wellness“ geschehen). Man ist halt nachsichtig und einfach begeistert über die originelle, packende Geschichte, die absolut runde Umsetzung und auch das Finale, bei dem man sich auf Seiten der Macher in letzter Minute noch einmal umentschieden hatte und so den Massenerfolg des Films vermutlich erst möglich gemacht hat. Also bitte schnell selbst anschauen, bevor einem irgendjemand doch noch sämtliche Wendungen und Pointen vorplappert. Was aber verzeihlich ist, denn es geschieht vermutlich aus purer Begeisterung über diesen kleinen, feinen Horror-Thriller, der dann doch so unerwartet groß geworden ist.
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