Young Adam

Originaltitel
Young Adam
Jahr
2003
Laufzeit
99 min
Genre
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Anna Sola / 23. Dezember 2010

 

Zwei Männer und eine Frau auf einem Boot - das ging schon in Jean Vigos Filmklassiker "L'Atalante" nicht gut. Allerdings stellt sich im Laufe von "Young Adam" heraus, dass auch vorher schon allerlei schief gelaufen ist. David Mackenzies Verfilmung von Alexander Trocchis Beat-Roman, der ähnlich wie Jack Kerouacs "On the Road" einem Möchtegern-Schriftsteller durchs Leben folgt, zeigt das triste Glasgow der Fünfziger Jahre ohne eine Spur von Heiterkeit. Arbeiter kämpfen ums Überleben, versaufen ihren Lohn in der Kneipe und fallen abends über ihre ausgemergelten Frauen her. Rumtreiber Joe (Ewan McGregor, "Trainspotting", "Moulin Rouge") schuftet auf der Barkasse von Ella (Tilda Swinton, "The Beach") und Les (Peter Mullan). Der Film beginnt damit, dass die Männer eine fast nackte Frauenleiche aus dem Fluss fischen. Fasziniert verfolgen sie den Fall in der Zeitung. Les ist stolz, dass er so zu Ruhm kommt (obwohl die Männer nicht namentlich erwähnt werden), während Joe jedes Interesse leugnet. Es dauert nicht lange, bis Ella ihren viel älteren Ehemann mit Joe betrügt. Aber weiß sie eigentlich, auf wen sie sich eingelassen hat?

Die Briten und die Arbeiterklasse - ein scheinbar unerschöpfliches Thema. Jedoch ist dies kein besonders gelungenes Beispiel des Genres. Wer ein ergreifendes Porträt über Glasgows Arbeiter sehen möchte, dem sei Lynne Ramsays "The Ratcatcher" dringend empfohlen. Wer "Young Adam" wegen Ewan McGregor sehen möchte, nur zu. Das Verhältnis Eintrittsgeld-nackte Haut ist durchaus lohnend, wem's gefällt. Nach Ausflügen ins Melodrama und in die romantische Komödie kehrt McGregor hier zu seinen rauen "Trainspotting"-Wurzeln zurück. Und obwohl seine Rolle alles andere als charmant ist, stellen sich ihm scheinbar alle Frauen Schottlands zur Verfügung, und das an den unbequemsten Plätzen, die man oder frau sich so vorstellen kann.
Leider ist das außerhalb der Sexfilm-Industrie noch nicht genug, um anderthalb Stunden sinnvoll zu füllen, und genau daran scheitert "Young Adam". Anstatt die hochkarätig besetzten Rollen von Ella und Les mehr auszubauen, wechselt sich deren trister Alltag mit Rückblenden aus Joes Leben ab. In diesen Rückblenden sieht man ihn (Überraschung!) noch mehr Sex haben und sich nebenbei als Schriftsteller versuchen. Dies ist übrigens mindestens der dritte Film, in dem man Ewan McGregor auf einer alten Schreibmaschine tippen sieht. Anscheinend gefällt ihm dieses Image. Allerdings dienen diese Episoden hauptsächlich dazu, den Zuschauer endgültig davon zu überzeugen, dass Joe nicht gerade den besten Charakter hat. Die späte Reue nimmt man ihm allerdings nicht ab. Mehr kann hier wegen Spoilergefahr nicht verraten werden.
Wie schon erwähnt ist es schade, dass sich der Film hauptsächlich auf McGregors Aussehen verlässt, anstatt die anderen Rollen mehr auszubauen. Gerade Swintons Ella ist eine faszinierende Figur - so verhärmt, struppig und ungeschminkt dass sie schon wieder schön ist. Ein großer Teil der Spannung im Film entsteht durch das Machtspiel zwischen Ella und Joe. Hat man zunächst den Eindruck, Frauen seien den Männern in diesem Film nur ausgeliefert, dreht Ella den Spieß einfach um: Sie benutzt Joe auf die gleicht Art wie er sie. Nachdem Les den beiden auf die Spur kommt und bedrohlich auf dem Deck auf und ab marschiert (einer der wirksamsten Effekte im ganzen Film) ist es nicht Ella die gehen muss, sondern Les, denn das Boot gehört überraschenderweise ihr. Im Prinzip ist Swintons Ella eine ins Kalte verlegte Version ihrer Sal aus "The Beach". Herrisch, dominant und verführerisch führt sie ein strenges Regiment. Wirkliche Sympathien kann man deshalb auch nur für Les (fantastisch gespielt von Peter Mullan) und Joes Exfreundin Cathie entwickeln.

Der Versuch, aus der Beat-Erzählung ein überzeugendes Psychogramm von Joe zu machen, gelingt Mackenzie nicht wirklich. Die Entwicklung, die sein Protagonist scheinbar durchmacht, ist wenig überzeugend, worunter besonders das Ende des Films leidet. Und so fragt man sich am Schluss nicht nur, wer eigentlich dieser junge Adam ist, sondern auch, warum allein die Anwesenheit eines Stars jetzt auch schon im Independent-Kino dafür reichen soll, das Publikum in einen mittelmäßigen Film zu locken.

Bilder: Copyright

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