
Witzig sein ist eine Kunst, die schwer zu beherrschen und noch schwerer zu erklären ist. Die Grenze zwischen einem brillanten Gag und einem absoluten Rohrkrepierer ist schmal, und wenn man Pech hat, landet man immer nur auf der schlechten Seite, wie ein herunterfallendes Marmeladenbrötchen. John Hamburg, seines Zeichens Autor und Regisseur von "... und dann kam Polly", machte bisher auf sich aufmerksam als Co-Autor von "Zoolander" und "Meine Braut, ihr Vater & ich" - zwei beim Publikum extrem erfolgreichen und zumeist auch sehr witzigen Komödien. Eine sichere Bank für gute Lacher, mag man meinen, doch weit gefehlt: Mit seinem neuen Film landet Hamburg so zielsicher im Territorium der witzfreien Langeweile, dass man sich ernsthaft fragt, wie er jemals den Weg woanders hin gefunden hat.
Schon die Grundidee der Story ist alles andere als einfallsreich: Da haben wir Reuben Feffer (Ben Stiller, Allzweck-Waffe für Komödien dieser Art, siehe "Verrückt nach Mary" und "Meine Braut, …"), bester Risiken-Bewerter in der ganzen Versicherungsbranche und ergo leicht neurotischer Fachmann dafür, wie man brenzligen oder gefährlichen Situationen aus dem Weg geht. Nach der Hochzeit zu seiner Traumfrau Lisa (Debra Messing aus der TV-Serie "Will & Grace") ist er eigentlich wunschlos glücklich, wenn die ihn nicht gleich am ersten Tag der gemeinsamen Flitterwochen mit einem dahergelaufenen Tauchlehrer betrügen würde. Am Boden zerstört kehrt Reuben nach Hause zurück und läuft bei einer Ausstellung ganz zufällig seiner alten Schulfreundin Polly Prince ("Friends"-Star Jennifer Aniston) über den Weg. Und nun bitte raten, was als Nächstes passiert.
Dass sich hier ein Pärchen suchen und finden wird, ist fast schon zu offensichtlich, um es überhaupt aufzuschreiben, das Haarsträubende an dieser Story ist jedoch ihre vollständige Unglaubwürdigkeit. Polly wird als chronisch sprunghaftes und chaotisches Individuum eingeführt - der Gegensatz zum planungsgeilen Reuben muss sein und ist schließlich Motor der ganzen Geschichte. Dumm nur, dass man sich schon nach wenigen Minuten denkt: Die beiden passen überhaupt nicht zu einander. Hier zieht auch das gute alte "Gegensätze ziehen sich an"-Argument nicht, denn Reuben und Polly sind schlichtweg zwei Charaktere, die in der Realität nichts miteinander anzufangen hätten und auch im Film genau so wirken - was wohl auch den Darstellern insgeheim klar gewesen sein muss, denn Stiller und Aniston kriegen nicht den kleinsten Funken an Leinwand-Chemie zustande.
Sich sonderlich lange mit der Glaubwürdigkeit der Geschichte aufhalten bringt ohnehin nichts, wurde sie doch offensichtlich mehr schlecht als recht zusammengeschraubt, um als kaum verhülltes Gerüst für die geplanten Gags zu fungieren - was spätestens dann offensichtlich wird, wenn die ehebrüchige Lisa nach einer guten Filmstunde aus dem Nichts wieder auftaucht und sich versöhnen will, und vom Publikum tatsächlich verlangt wird, dass es diese Wiedervereinigung als eine ernsthafte Alternative für Reuben und somit als dramatischen Konflikt akzeptiert ("Klar nehm ich dich zurück Schatz, warum sollte ich einer Frau nicht vertrauen, die sich am ersten Tag unserer Flitterwochen von einem dahergelaufenen Franzosen vögeln lässt!").
Akzeptiert man "... und dann kam Polly" also als plot-technisch ziemlich hirnlose Komödie, kann man immer noch auf ein paar gute Lacher hoffen - doch wird auch hier enttäuscht. Mit der glorreichen Ausnahme von Schauspiel-Gott Philip Seymour Hoffman, der in der Nebenrolle von Reubens bestem Freund Sandy Lyle (einem ehemaligen Kinderstar) beinahe alle guten Szenen und Gags des Films auf sich vereint, liegt der Streifen auch in dieser Hinsicht brach. Statt dessen präsentiert er eine - für einen vermeintlichen Comedy-Profi wie John Hamburg - fast schon erschreckende, ideenlose Amateurhaftigkeit. Ein paar Beispiele:
- Reuben verträgt kein exotisches Essen, hat aber trotzdem keine Einwände, als Polly auf ihrem ersten Date in ein marokkanisches Restaurant will. Abgesehen von der Frage, warum er überhaupt dort hingeht (zu diesem Zeitpunkt ist er noch nicht verliebt genug, um das nur ihretwegen zu tun), ist der folgende Witz natürlich vollkommen vorhersehbar - und deswegen grausam unkomisch. Wie erwartet sitzt Reuben im Restaurant, schwitzt wie ein Schwein und muss ganz dringend mal aufs Klo. Er entschuldigt sich, geht auf die Toilette und muss feststellen, dass die einzige Kabine dauerhaft besetzt ist - und dann Schnitt. In der nächsten Einstellung stehen beide vor Pollys Wohnung, Reuben muss immer noch aufs Klo, aber die Sturzbäche von Schweiß inklusive aller Flecken auf seinem Hemd sind auf magische Weise verschwunden - hier fehlt offensichtlich eine ganze Szene, und eine mäßig aufgebaute Pointe verpufft erbärmlich in der Luft.
- Lisas Tauchlehrer-Liebhaber ist ein fescher Franzose namens Claude, dessen in der Karibik etwas deplaziert wirkende Nationalität sich wohl auch nur dadurch begründet, dass ein französischer Dialekt ja wirklich so was von komisch ist. Der Versuch, diesem rein funktionalen Nebencharakter durch das alberne Aufsetzen eines Akzents eine komische Note abzuringen, geht leider voll nach hinten los - auch wenn der ansonsten sehr talentierte Hank Azaria die Rolle übernimmt.
- Aus ähnlichem Grunde ähnlich unwitzig: Der Part des Multimilliardärs Leland van Lew, dessen chronisch halsbrecherischen Lebensstil Reuben für eine mögliche Lebensversicherung bewerten soll. Auch hier kann sich der Charakter für keine Sekunde von seiner offensichtlichen Funktion (Reuben in noch mehr riskante Situationen bringen, in denen er nicht sein will) befreien, und auch hier kann der aufgesetzte Akzent (diesmal australisch, da der ganze Charakter eine offensichtliche Karikatur von Virgin-Chef Richard Branson sein soll) kaum noch einen Brüller retten.
In der Tat sind John Hamburg so wenig neue Witze eingefallen, dass er einfach ein paar alte nimmt und diese bis zur Unerträglichkeit wiederholt. So darf sich Polly als Haustier ein erblindetes Frettchen halten, welches in seiner ersten Szene natürlich erst mal gegen die Wand rennt - und in seiner zweiten, und dritten, und vierten, und fünften. Ähnlich häufig muss Philip Seymour Hoffman auf glattem Fußboden ausrutschen und seine mangelhaften Basketball-Fähigkeiten demonstrieren - komisch ist das alles höchstens einmal. Wenn überhaupt. Auf diese Weise ruiniert Regisseur Hamburg auch noch die wenigen gelungenen Lachmomente seiner größtenteils ideenfreien Komödie, und dem Publikum damit den gelungenen Kinoabend.
Dass dieses Projekt für keinen der Beteiligten sonderlich wichtig zu sein scheint (für Ben Stiller war's wohl mehr ein schneller Dreh für zwischendurch, Jennifer Aniston muss angesichts des baldigen Endes von "Friends" halbwegs im Geschäft bleiben, und Gaststars wie Alec Baldwin huschen anscheinend auch eher für die schnelle Kohle über die Leinwand) tut der Sache natürlich auch kein Gutes, bei solch dürftigem Ausgangsmaterial hätten aber auch Stars auf der Höhe ihrer Kunst nicht mehr viel retten können. Wenn sich John Hamburg mit seinen Beiträgen zu zwei Hit-Komödien die Chance auf Starkino-Regie verdient hat, dann hat er sie mit diesem lahmen Versuch auch gleich wieder verspielt. Dafür kriegt Polly definitiv keinen Keks.
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