Hand aufs Herz, es gibt Ereignisse, denen der Kinoliebhaber in diesem Jahr mehr entgegengefiebert hat als dem Auftritt von Disney's pubertierenden Superhelden in "Sky High". Eine Ansammlung allzu vertrauter Storyelemente, ein weitgehender Mangel an etablierten Darstellern und ein Regisseur, dessen Referenzliste einzig den Rob Schneider-Streifen "Deuce Bigalow: Male Gigolo" und den Ben Affleck-Flop "Surviving Christmas" vorzuweisen hat - da mag nur schwerlich echte Vorfreude aufkommen. Eher dagegen das Gefühl, dass Disney mit relativ wenig Aufwand auf die lukrative Superhelden-Welle aufspringen möchte.
Doch wie uns Angela Merkel sicher bestätigen kann, Gefühle und Prognosen können manchmal auch ganz schön in die Irre führen, und so steht man nach dem Kinobesuch von "Sky High" vor dem Scherbenhaufen seiner gedämpften Erwartungshaltung. Da besitzt der Film doch tatsächlich die Frechheit sich völlig unerwartet als intelligentes, charmantes und familienfreundliches Unterhaltungskino zu entpuppen, welches nicht nur der Marke Disney ein gehöriges Stück alten Glanz zurück verleiht, sondern gleichzeitig auch noch zu einer der positivsten Überraschungen dieses Kinoherbstes avanciert.
Überrascht dürfte auch der junge Will Stronghold (Michael Angarano) gewesen sein, als er das erste Mal mit den übernatürlichen Fähigkeiten seiner Eltern konfrontiert wurde. Als schlagkräftiger Commander (Kurt Russell) und fliegende Jetstream (Kelly Preston) bewahren diese nämlich die Stadt regelmäßig vor Ungeheuern der übelsten Sorte. In der sicheren Überzeugung, dass ihr Sohn eines Tages mit an ihrer Seite kämpfen wird, haben die beiden Will dann auch gleich bei der örtlichen Superhelden-Schule "Sky High" angemeldet. Das ist allerdings wiederum ein großes Problem für Will, der seinen Eltern bisher erfolgreich seinen Mangel an jeglichen übernatürlichen Talenten verheimlichen konnte. Das Entdecken der eigenen Superkräfte ist aber nur eine von vielen Hürden, die der "Schulalltag" für Will bereithält. Nicht nur reagiert Wills beste Freundin Layla (Danielle Panabaker) eifersüchtig auf die Verführungskünste der attraktiven Gwen (Mary Elizabeth Winstead), Will sieht sich und seine Clique auch schnell dem Spott der restlichen Schule ausgesetzt. Ganz zu schweigen davon, dass ein alter Erzfeind seiner Eltern auch noch seine ganz persönlichen Pläne mit Will hat….
Diese Zeilen lassen es bereits erahnen, "Sky High" schenkt dem altbekannten Kampf Gut gegen Böse weniger Aufmerksamkeit als den Problemen eines pubertierenden Highschool-Schülers. Spektakuläre Effekte und mitreißende Action-Sequenzen sind daher auch eher Mangelware, stattdessen werden wir mit einem Hauptcharakter konfrontiert, dessen größten Probleme das richtige Date für den Abschlussball, die Anfeindungen der Mitschüler und der Erwartungsdruck der Eltern sind. Doch was aussieht wie eine lauwarme Brühe aus "The Incredibles", "Spy Kids" und Highschool-Klamotte verwandelt sich dank einer gehörigen Portion Dialogwitz, Charme und Selbstironie zu einem erstaunlich schmackhaften Genre-Eintopf. Ein Film, bei dem ein Rädchen ins andere greift und der als Paradebeispiel dafür dienen kann, wie sich aus altbekannten Zutaten doch noch ein leckeres Süppchen brauen lässt.
Dabei lassen sich die Qualitäten von "Sky High" bestens am Beispiel Kurt Russells veranschaulichen. Obwohl der einzig wirklich große Name des Ensembles, gibt sich Russell nicht nur mit einer Nebenrolle zufrieden, er absolviert seinen Part auch noch mit einer Freude und Selbstironie, die einem den Commander bereits nach wenigen Minuten ins Herz schließen lassen. Obwohl in ein erbärmlich anmutendes 80er-Jahre-Superheldenoutfit gepackt, schafft Russell dank leichtfüßigem Charme und einem Koffer voller ironischer One-Liner stets den schwierigen Balanceakt zwischen Lächerlichkeit und Glaubwürdigkeit. Damit steht die ehemalige Klapperschlange symbolisch für das Geheimnis des Erfolges von "Sky High", dessen Charme nur wenige Familienfilme der letzten Jahre das Wasser reichen können.
Das dickste Lob darf dabei den Drehbuchautoren zuteil werden, die altbekannten Bausteinen aus Highschool-Klamotten einen erfrischenden übernatürlichen Anstrich verpasst haben. Von Randerscheinungen wie sich selbst vervielfachenden Cheerleadern bis hin zu zentralen Elementen wie der Klasseneinteilung in Sidekicks und wahre Helden - "Sky High" ist eine augenzwinkernde Hommage an die Welt der Superhelden. Insbesondere die "Superman"-Filme sind hier im Visier der Macher, was nicht nur die Kostümauswahl sondern auch der schmissige 80er-Soundtrack unterstreichen. Dass größte Ass im Ärmel der Autoren ist aber ein Dialogwitz, der mit geradezu erschreckender Präzision immer die richtige Note trifft. Dabei ist es weniger lautes Gelächter als vielmehr ein breites Grinsen, welches dem Publikum in aller Regelmäßigkeit erfolgreich entlockt wird.
Die besondere Stärke von "Sky High" liegt aber nun auch darin, dass der Humor für alle Altersgruppen funktioniert und den Film somit zu einem mehr als empfehlenswerten Reiseziel für den nächsten Familienausflug macht. Ein gutes Beispiel für die charmante Handhabung der Probleme eines pubertierenden Superhelden ist die Reaktion von Wills Eltern, nachdem dieser zum ersten Mal seine wahren Fähigkeiten entdeckt und dabei gleich die halbe Schule zertrümmert hat. Während Jetstream ihrem Sohn eine ernste Standpauke hält, bestellt der Commander Will ärgerlich zu einem Vier-Augen Gespräch - nur um ihn dann voller Stolz in die Arme zu schließen. Neben zahlreichen dieser charmanten Szenen streut der Film aber auch immer wieder, oft kunstvoll in Dialoge eingeflochten, ironische Seitenhiebe auf das Superhelden-Genre ein, die ab und zu sogar in die Richtung schwarzer Humor tendieren und deutlich an den "erwachsenen" Zuschauer gerichtet sind.
Doch bevor "Sky High" Gefahr läuft in einem Meer aus purer Ironie zu versinken, wechselt die Geschichte in regelmäßigen Abständen in einen etwas ernsteren Tonfall, um sich zum Beispiel Wills Liebesproblemen oder anderen seiner Teenager-Nöte zu widmen. Dieser Drahtseilakt gelingt dem Film ebenfalls ausgezeichnet, da er seinen Figuren selbst in den absurdesten Situationen und lächerlichsten Outfits stets Respekt entgegenbringt und man so auch in den etwas ernsteren Passagen Mitgefühl und Interesse für die Figuren und ihre Probleme entwickelt.
Doch selbst ein derart fürsorgliches Drehbuch benötigt ein Ensemble, das den Charme und die Energie der Vorlage auch verlustfrei auf die Leinwand übertragen kann. Hier entpuppt sich vor allem die Wahl der Nebendarsteller als reinster Glücksgriff. "Evil Dead"-Legende Bruce Campbell darf endlich mal wieder mehr als nur einen "Spiderman"-Gastauftritt hinlegen und nutzt dies für die famose Darstellung des selbstbeweihräuchernden Lehrers Captain Boomer. Veteranin Cloris Leachman gibt die charmante Schulärztin mit Röntgenblick und der bis dato völlig unbekannte Kevin Heffernan macht Busfahrer Ron Wilson nicht nur zum heimlichen Highlight des Films, sondern liefert auch gleich noch den wohl markantesten One-Liner. Die junge Garde, allen voran Hauptdarsteller Angarano, absolviert ihre Aufgabe ebenso fehlerlos und die Tatsache, dass manch eine Figur etwas stark nach Klischee gecastet zu sein scheint, verfliegt spätestens gegen Ende, wenn der Film so manche Überraschung bezüglich seiner Charaktere bereit hält.
Regisseur Mitchell darf sich ebenfalls ein Schulterklopfen abholen und seiner Referenzliste eine gefühlvolle und der Geschichte gerecht werdende Inszenierung hinzufügen. Dazu sind die wenigen Action-Sequenzen ordentlich, und die Effekte mögen vielleicht kein Neuland betreten, werden aber gut in die Geschichte eingebunden und dienen so nicht nur zum reinen Selbstzweck. So braucht man schon eine Lupe, um ein Haar in der Suppe zu finden, welches dann lediglich die etwas nervige Darstellung des Erzfeind-Assistenten ist.
Aber das kann das Fazit nicht wirklich trüben, und so bleibt zu konstatieren: "Sky High" ist eine überraschend charmante und humorvolle Mixtur aus Teenager-Film und Superhelden-Abenteuer. Mancher mag ihn "nur" als harmlosen Familienfilm betrachten, doch an dem Spagat sowohl jung als auch alt gleichermaßen erfolgreich unterhalten zu können sind schon viele vor ihm gescheitert. So entpuppt sich "Sky High" als einer dieser Filme, bei denen man als Erwachsener im nachhinein nur zögernd zugibt, wie viel Spaß man mit ihnen gehabt hat: "Ist schon ganz nett, aber halt natürlich eher für Kinder". Stimmt nicht, dieser Film ist für alle.
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