Russendisko

Originaltitel
Russendisko
Jahr
2012
Laufzeit
100 min
Genre
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Margarete Prowe / 7. April 2012

Was lange währt, wird nicht immer gut: Nach 11 Jahren erfolgloser Drehbucharbeit durch so ziemlich jeden Drehbuchautor sowie den Schriftsteller und Produzenten selbst, wurde Oliver Ziegenbalgs Adaption von Wladimir Kaminers „Russendisko“ schließlich eine so watteweiche und simpel gestrickte Liebesgeschichte mit Buddy-Movie-Elementen, dass man doch lieber zum Original, der Buchvorlage des Berliner Kultrussen greifen oder einfach selbst auf die Russendisko-Party im Berliner Café Burger gehen sollte.

Kaminers Kurzgeschichten aus dem Alltag in Deutschland voller Irrsinn und herrlicher interkultureller Missverständnisse sind kleine Leckerbissen, besonders dann, wenn sie der Autor selbst in seinem schweren, russischen Dialekt vorträgt. Regieneuling und Drehbuchautor Oliver Ziegenbalg („Friendship!“, „1 ½ Ritter“) zielte jedoch bei seiner Filmfassung der „Russendisko“ auf ein Großstadtmärchen á la „Die zauberhafte Welt der Amélie“. Leider brachte das Werk am Ende weder die Schönheit des französischen Filmmärchens noch den wilden Witz des zugrunde liegenden Episodenbandes zuwege. „Russendisko“ ist nun frei ab 6 und dabei so brav, wie man das Berlin kurz nach der Wende wohl noch nie gesehen hat. Der russische Akzent Kaminers ist dem Schauspielerhochdeutsch von Matthias Schweighöfer und Co. gewichen, wie auch die russische Seele hinter den absurden Geschichten verflogen ist.


1990 geht in Moskau das Gerücht um, dass Ostdeutschland Juden aus der Sowjetunion aufnimmt, da sich die DDR nie an Zahlungen für Israel beteiligt hat. Sofort machen sich die Freunde Wladimir (Matthias Schweighöfer, „Rubbeldiekatz“, „What a Man“, „Friendship!“), Mischa (Friedrich Mücke, “What a Man, “Friendship!”) und Andrej (Christian Friedel, “Das weiße Band”) auf den Weg nach Berlin. Ihnen wird ein Wohnheimzimmer in Marzahn gestellt, in dem verschiedenste Nationalitäten possierlich zusammenwohnen und von wo aus sie die Stadt erobern wollen: Mischa will Musiker werden, Andrej reicher Geschäftsmann und Wladimir hilft beiden, solange er noch keinen eigenen Traum hat. Da begegnet ihm seine Traumfrau Olga, deren Eroberung sein großes Ziel wird.


Schweighöfer und Mücke spielten in „Friendship!“, ebenfalls geschrieben von Oliver Ziegenbalg, auch schon zwei Ostjungs, dort jedoch aus der DDR, die westwärts ziehen, dort in die USA statt nach Berlin, und durch diverse kulturelle Missverständnisse in lustige Situationen kommen. Passten beide da noch ganz gut ins Bild, so wirken sie in „Russendisko“ als Russen fehlplatziert. Viel passender ist da die Angebetete Wladimir Kaminers, Olga, mit Peri Baumeister besetzt. Die Liebesgeschichte ist der Buchvorlage jedoch durch das Filmskript aufgepfropft worden und fügt sich einfach nicht in den Rest ein.

Die Straßenkulisse ist wiedererkennbar als die „Berliner Straße“ des Studio Babelsberg, in der schon zahllose 'historische' Filme wie „Sonnenallee“, Polanskis „Der Pianist“ und „Rosenstraße“ gedreht wurden. Sogar das mittlerweile zur Pseudoruinen-Tourismusfalle verkommene Künstlerhaus Tacheles kommt in einer märchenhaft aufgeräumten Form daher. Die Kameraarbeit von Tetsuo Nagata ist schön, ebenfalls hübsch anzuschauen ist die Animationssequenz der Insel Sachalin, auf der Olga aufgewachsen ist, gezeichnet von der russischen Animatorin Alla Churikova („Hexe Lilli“). Das Schönste ist natürlich die Musik von „Russendisko“, wie man es auch erwarten konnte. Deren Schwung vermisst man im Rest des Films allerdings schmerzlich. Von „Russendisko“ hätte man doch eher das Feuer und das Tempo von „Bube, Dame, König, Gras“ oder die Anarchie des Balkan-Pop-Chaos zu Beginn von „Alles ist erleuchtet“ erwartet, doch stattdessen gibt es hier nur zahmes Komödienfutter. Die episodenhaften Sequenzen mit dem Voiceover von Matthias Schweighöfer bremsen die Liebesgeschichte dauernd wieder ab, so dass sich jedes Tempo danach neu bilden muss.

So ist es am Ende auch nicht verwunderlich, dass das Witzigste an „Russendisko“ die kurzen Szenen mit dem „Russischen Radio-Doktor“ sind, der auf alles eine Lösung weiß, die meistens Wodka enthält: Gesprochen wird dieser von Wladimir Kaminer selbst - mit russischem Akzent natürlich.

Bilder: Copyright

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