Was kommt dabei heraus, wenn ein Regie-Debütant einen angeblich unverfilmbaren autobiografischen Debüt-Roman verfilmt? In diesem Fall ein kleines Meisterwerk. Jonathan ist Sammler (Elijah Wood, Frodo aus "Herr der Ringe"), und das mit Leib und Seele. Alles, was ihm wichtig ist, wird in kleinen Plastiktüten aufbewahrt und geordnet. Als seine Großmutter stirbt, erhält er ein neues Stück, ein Photo von seinem Großvater und einer unbekannten Frau, von der er glaubt, dass sie seinem Großvater das Leben gerettet hat. Jonathan beschließt, diese Frau und damit auch das Heimatdorf seiner Familie in der Ukraine zu finden. So kommt es, dass der stets in Anzug gekleidete, bebrillte seltsame Amerikaner die Reise in die "alte Welt" antritt. Stets gut organisiert hat er sich schon im Voraus ein Team von Helfern der "Jewish Heritage Tours" gemietet. Dass sich dahinter ein angeblich blinder Mann mit seinem Adidas-gestreiften Enkel und einem Hund namens Sammy Davis Jr. Jr. im himmelblauen Trabbi verbirgt, hätte wohl keiner vermutet. Jonathan ist entsetzt, zudem pflegt sein "Dolmetscher" Alex (grandios: Eugene Hutz) auch noch einen äußerst kreativen Umgang mit der englischen Sprache. Da er aber keine andere Wahl hat, akzeptiert der sonderbare Junge sein Schicksal und beginnt seine "sehr gründliche Suche" nach den Wurzeln seiner Familie in Trachimbrod. Leichter gesagt als getan: Da dieser Ort von den Nazis ausradiert wurde, ist er seitdem auch von allen Karten verschwunden. Trotz vorgetäuschter Blindheit und vorgetäuschtem Antisemitismus scheint der Großvater aber irgendwie zu wissen, wo es langgeht. Fans der mehrfach ausgezeichneten Romanvorlage sollten sich vorsehen: Liev Schreibers Film konzentriert sich ausschließlich auf den Plot in der Gegenwart und verzichtet auf die Passagen aus dem Stetl im 18. Jahrhundert. Ansonsten würde es diesen Film vermutlich auch nicht geben. Jedoch hat der Regisseur (dessen Großvater übrigens ebenfalls aus der Ukraine stammt) vor allem mit den drei Hauptdarstellern eine großartige Wahl getroffen. Der gebürtige Ukrainer Eugene Hutz "ist" Alex, wie er im Buche steht. Ob er nun seine Liebe zu Michael Jackson erklärt oder Großvaters Obszönitäten entschärft wiedergibt, Alex ist das Herzstück des Films. Zudem sorgt Eugene Hutz mit der Folk-Punk-Musik seiner Band Gogol Bordello für den intensiven Soundtrack des Films, der übrigens sehr an die Musik des Regisseurs Emir Kusturica (vor allem in "Super 8 Stories") erinnert. Obwohl die Musik anfangs etwas gewöhnungsbedürftig ist, kann man sich den Film hinterher kaum ohne sie vorstellen, denn sie trägt maßgeblich zur gleichermaßen durchgeknallten wie leidenschaftlichen Atmosphäre bei. Faszinierend an "Alles ist erleuchtet" ist, wie Schreiber es schafft, aus der grotesk inszenierten "Amerikaner-fährt-nach-Osteuropa"-Farce der ersten Hälfte des Films ein einfühlsames Familiendrama zu machen, ohne dass der Übergang dem Publikum groß auffällt. Der Kontrast zwischen Sequenzen, in denen Alex vorgestellt wird oder Jonathan um ein vegetarisches Essen kämpft, und der letzten halben Stunde des Films könnte gar nicht größer sein, und trotzdem fügt sich alles mühelos zu einem schlüssigen Ganzen zusammen. Vielleicht ist der absurde Ton des Anfangs auch nötig, um die tragischen Ereignisse der zweiten Hälfte erträglich zu machen. Ein grandioser Film, der gleichzeitig radikal und konventionell, komisch und traurig, ernst und albern, laut und leise ist. |
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