Rot

Originaltitel
Turning Red
Land
Jahr
2022
Laufzeit
100 min
Regie
Release Date
Streaming
Bewertung
8
8/10
von Frank-Michael Helmke / 15. März 2022

Man bekommt ein wenig das Gefühl, als wäre Pixar Konzern-intern klammheimlich degradiert worden zum reinen Content-Lieferanten für den Disney-Streamingdienst: Nachdem "Soul" noch Corona-bedingt eher ungeplant seine Premiere nicht auf der Leinwand, sondern gleich auf der Streaming-Plattform feierte, ist der neue Pixar-Film "Rot" nach dem letztjährigen "Luca" schon die dritte Pixar-Produktion, die wie ganz gewöhnlicher Streaming-Content veröffentlicht wird und gleich für alle Kunden frei verfügbar ist, während um Disneys Nicht-Pixar-Animationswerk "Raya und der letzte Drache" noch großes Brimborium gemacht wurde und man diesen zwar parallel zum Kinostart streamen konnte, aber nur gegen einen gehörigen Extra-Preis. 

Gerecht wird diese etwas stiefmütterliche Behandlung den Pixar-Produktionen natürlich nicht, und das gilt auch für "Rot". Denn auch wenn der Film ebenso wie "Luca" Story-mäßig deutlich "kleiner" daherkommt und nicht thematisches Gewicht oder inhaltliche Tiefe von Pixars größten Würfen vorweisen kann, so hat auch dieser Film wieder einen einnehmenden Charme und lebt von sehr authentisch und liebevoll gezeichneten Figuren.

Die junge Heldin von "Rot" ist die 13-jährige Meilin, asiatisch-stämmige Kanadierin und geprägt von einer Kultur, in der Respekt vor den Eltern ganz groß geschrieben wird. Was für Meilin wie für so viele Kinder (nicht nur ihres Kulturkreises) bedeutet: Immer brav das tun, was die Eltern (bzw. in ihrem Fall vor allem ihre gestrenge Mutter) sagen, und Mama und Papa mit einwandfreien schulischen Leistungen stolz machen. Meilins Dasein als Vorzeige-Tochter gerät jedoch ordentlich aus den Fugen, als sie eines Tages nach einem aufwühlenden Traum plötzlich als riesengroßer, flauschiger roter Pandabär erwacht - und erfährt, dass die weiblichen Mitglieder ihrer Familie quasi mit einem Fluch belegt sind: Mit Einsetzen der Pubertät verwandeln sie sich jedes Mal in solch ein Tier, wenn ihre Emotionen mit ihnen durchgehen. Was in der Pubertät ja durchaus häufiger mal vorkommt...

An sich ist "Rot" thematisch nicht weit von der deutschen Komödie namens "Das Pubertier" entfernt - dass Meilin sich im Sturm der Hormone in ein kaum noch wiederzuerkennendes Tier verwandelt, ist ja eine recht offensichtliche Metapher für die wilden Veränderungen, die die Pubertät mit sich bringt. Trotz der extremen Überhöhung von "In der Pubertät fängt dein Körper an, durchzudrehen" behandelt "Rot" aber dennoch sehr einfühlsam und warmherzig den damit einhergehenden Konflikt, den jede/r junge Teenager/in auch im wahren Leben durchläuft: Wie sehr verändert man sich, wieviel bleibt von dem Kind erhalten, das man bisher war - und was macht das mit dem Verhältnis zu den eigenen Eltern, bzw. sind diese in der Lage, die Veränderungen hinzunehmen, die das eigene Kind durchläuft?

Abnabelungsprozesse, das Streben nach Unabhängigkeit, das Suchen des eigenen Selbst und wie schwer sich Eltern damit tun, zu begreifen und zu erlauben, was da im Nachwuchs auf einmal vor sich geht - das alles findet sich in "Rot" wieder und wird in gewohnt großartiger Pixar-Manier mit soviel Liebe und Einfühlungsvermögen erzählt, dass sich hier nicht nur jede aktuelle Teenagerin wiederfinden und verstanden fühlen wird, sondern auch alle, die dieses Alter irgendwann mal durchlaufen sind. 

"Rot" kann nicht mit einem ausgefeilten oder wendungsreichen Plot punkten, letztlich verläuft der Film bis zum Ende hin in ziemlich vorhersehbaren Bahnen, und wenn man die einsetzenden Nöte der Pubertät thematisch jetzt nicht sooo spannend findet, dass man da emotional mitgehen kann, wird man dem Film vermutlich nicht wirklich viel abgewinnen können. Dennoch ist "Rot" erzählerisch und handwerklich von gewohnt hoher Pixar-Qualität. Und hätte es damit definitiv verdient gehabt, als echter Kinofilm wahrgenommen und gestartet zu werden.     

Bilder: Copyright

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