
Es darf mal wieder lustig sein: Regisseur Marc Rothemund startete
seine Karriere mit dem beachtlichen Erfolg seiner
Episoden-Komödie
"Das merkwürdige Verhalten geschlechtsreifer Großstädter
zur Paarungszeit" und der frivolen Teenie-Klamotte "Harte
Jungs", bevor er schlagartig
ernsthafter wurde und für das Mobbing-Drama "Die Hoffnung
stirbt zuletzt" den Grimme-Preis erhielt. Vorläufiger
Höhepunkt war dann 2004 "Sophie
Scholl - Die letzten Tage", der nach
Festival-Auszeichnungen
und Europäischen Filmpreisen auch als bester
fremdsprachiger
Film für den Oscar nominiert wurde. Nach solch schwerer
Kost
ist es nur zu verständlich, dass sich Rothemund als
nächstes
ein Projekt gönnte, bei dem von Ernsthaftigkeit weit und
breit
keine Spur ist - und das auch entsprechend gut zu
unterhalten weiß.
"Pornorama - Die Bekenntnisse der mannstollen Näherin
Rita Brauchts" verweist schon mit seinem zauberhaften
Untertitel
in die Ära, in der er spielt: Ende der 60er Jahre stellen
Studentenbewegung
und Hippie-Kultur die Normen und Werte der Gesellschaft in
Frage,
und Deutschlands Kinos erleben den Siegeszug der
sogenannten "Aufklärungsfilme",
semi-dokumentarische Werke, die den Deutschen die
Mysterien der
Sexualität näher bringen wollen, dabei aber vor allem
dank der vielen nackten Haut enormen Zulauf genießen. Solch
einen Film will auch der ausgefuchste Freddie (Benno
Fürmann)
drehen, um seinen Finanznöten zu entkommen. Als Regisseur
engagiert
er seinen filmbegeisterten kleinen Bruder Bennie (Tom
Schilling),
der allerdings kurz vor Abschluss seiner
Polizei-Ausbildung steht
und sich eigentlich weder mit dem Schmuddel-Dreh noch mit
der Kommunen-Bewohnerin
Luzi (Karoline Herfurth) abgeben sollte, in die er sich
beim Observieren
einer Demo verliebt hat. Aber für die Liebe und den großen
Bruder tut man ja fast alles. Und so beginnen die
Dreharbeiten -
mit einem Pizzeria-Besitzer als Produzent, einem
Filmvorführer
und einem bekifften Pärchen als Crew und einer
italienischen
Hauptdarstellerin, die weder deutsch spricht noch bereit
ist, sich
vor der Kamera auszuziehen. Und das sind nur die kleinsten
Probleme….
"Pornorama" macht Spaß, und hat damit seine Zielsetzung
bereits erreicht. Tiefsinnigkeiten gibt's hier natürlich
keine,
nur nett gemachte Unterhaltung mit einer tollen Grundidee,
die dank
bestens
gepflegtem und zum Leben erwecktem Zeitkolorit auch
hervorragend
funktioniert. Wo sich vor ein paar Jahren die Neue
Deutsche Welle-Retrokomödie
"Verschwende deine Jugend" noch etwas schwer tat, seine
ironische Nostalgie in passende Gags umzumünzen, kommen
die
Lacher bei "Pornorama" quasi von ganz alleine. Einfach
zu putzig und hölzern sind die damaligen
"Aufklärungsfilme"
aus heutiger Sicht (was "Pornorama" mit ein paar
Best-of-Montagen
auch gut zu nutzen weiß), und über die Konfrontation
zwischen bayrischer Polizei und den ersten Auswüchsen der
sexuellen
Befreiungsbewegung lässt sich nach wie vor prima
schmunzeln.
Das Erfolgspotential hat auch Super-Produzent Bernd
Eichinger erkannt
und genau das gemacht, was die Amis aus Hollywood auch zu
tun pflegen:
Eine an sich harmlos-nette Komödie mit griffigem Thema mit
möglichst vielen berühmten Namen ausstatten, für
maximale Publikumswirkung. Und diese Namen hatten
sichtlich auch
großes Vergnügen an ihrer Arbeit: Tom Schilling und
Karoline
Herfurth (ohnehin die vielleicht beste Jungschauspielerin,
die Deutschland
dieser Tage zu bieten hat) funktionieren als Paar ganz
wunderbar
und sprühen vor Spielfreude. Benno Fürmann ist mit der
dritten Geige als Bennies Bruder eigentlich unterfordert,
bringt
seine Vorstellung aber
routiniert und charmant über die Bühne, während es
einzig bei den Nebenrollen etwas wackelig wird: Dieter
Landuris
darf wie schon für Rothemunds "Merkwürdiges Verhalten…"
seinen aufgesetzten italienischen Akzent auspacken, was
ebenso wenig
überzeugend wirkt wie der seltsam anmutende Ossi-Dialekt,
mit
dem sich der sonst so souveräne Michael Gwisdek hier
abmüht.
Das tut dem Vergnügen am Gesamtwerk aber keinen Abbruch, ebenso wenig wie die insgesamt etwas holprig erzählte Geschichte, die jedoch mit genug netten Einfällen und tollen Szenen-Ideen aufwartet, um über ihre Schwachstellen hinweg zu trösten. Für "Pornorama" wird Marc Rothemund zwar ganz sicher keinen Oscar bekommen. So gut unterhalten wie beim "Merkwürdigen Verhalten…" wird man hier aber mindestens, und drum wäre ein ähnlicher Erfolg auch verdient für einen Streifen, der unter anderem herrlich anschaulich demonstriert, was man auch als Amateur-Sexfilmer noch vom Großmeister der Montage-Theorie Sergei M. Eisenstein lernen kann.
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