Jerry Bruckheimer muß
1998 ganz schön sauer gewesen sein. Als dieser blöde James
Cameron
ankam und einen Film machte, für den doch eigentlich er, der
Megamillionen-Produzent,
prädestiniert gewesen wäre: Die erste erfolgreiche
Verschmelzung von
Actionfeuerwerk und Melodrama,
im teuersten Film aller Zeiten, ein Machwerk von epochaler
Breite
und, vor allem, nie dagewesenem Umsatzrekord. Aber Cameron
war schneller,
mischte in Perfektion historisches Drama mit bedingungslos
aufwendigem
Action-Spektakel und hievte mit "Titanic" einen Film auf die
Leinwand,
der sehr viele Filmschaffende sehr neidisch gemacht hat.
Ganz besonders
wahrscheinlich Jerry Bruckheimer. Schon seit den ersten
Gerüchten
um "Pearl Harbor" haftete diesem Projekt der schnöde Geruch
eines
Nachdrehs an, zu nah war das Konzept einfach Cameron's
Eisberg-Epos.
Keine Punkte für Innovation soweit, aber das war noch nie
Bruckheimer's
Ding. Nein, die Herausforderung lag woanders: Zum ersten Mal
wagte
sich die Produzenten-Legende mit seinem Regie-Liebling
Michael Bay
vom reinen Spaß-Kino weg und wollte etwas Größeres schaffen.
Den schwierigen
Sprung, den Cameron gemeistert hatte, hin zu einem Film, bei
dem die
Story nicht mehr das Alibi für die Action ist, sondern die
Action
essentielle
hawaiianischen Hafen Pearl Harbor, wo die Amis ruhig schlafen ... |
Notwendigkeit der Story. Cameron gelang es, seine
Liebesgeschichte
vor den Eisberg zu schieben, und verhalf seinem Film erst
damit zum
ganz großen Durchbruch. Bruckheimer und Bay versuchen nun
das selbe,
scheitern jedoch an ihren eigenen Ansprüchen und
Unzulänglichkeiten,
und liefern somit ein Machwerk ab, das mehr "Armageddon" ist
als "Titanic",
obwohl es genau umgekehrt beabsichtigt war.
Allerdings kann man niemandem vorwerfen, sie hätten sich
keine Mühe
gegeben: Stolze 135 Millionen Dollar hat "Pearl Harbor" etwa
gekostet,
ein Budget, das nur erreicht werden konnte, weil alle
beteiligten
Stars auf ihre hohen Gagen verzichteten, zugunsten einer
Gewinnbeteiligung.
Anderswo wurde nicht gespart: Von der ersten Minute an wird
geklotzt
und nicht gekleckert, in
für Rafe (Ben Affleck) und Evelyn (Kate Beckinsale) |
bester Bruckheimer-Manier gibt es keine halben Sachen in puncto Inszenierung. Und dabei dauert es über eine Dreiviertelstunde bis zum ersten Action-Ansatz. Denn zu Beginn des Films herrscht zwar Krieg, aber nicht für die USA: Im Januar 1941 ist Europa längst ein erbittertes Schlachtfeld, doch die Großmacht hält sich noch aus allem raus, unterstützt Briten und Russen nur mit Materialspenden. Eine der ersten Hilfen militärischer Art ist die Übersendung von Piloten, die für die britische Royal Air Force gegen die deutschen Nazis fliegen. Zu ihnen gehört Rafe McCawley (Ben Affleck), der für diesen Einsatz nicht nur seinen besten Freund und Flieger-Kollegen Danny Walker (Josh Hartnett) zurückläßt, sondern auch seine neue Liebe Evelyn (Kate Beckinsale), mit der ihn eine typische Soldat-Krankenschwester-Eil-Beziehung verbindet, wie es sie in diesen Kriegstagen Tausende gab. Rafe geht also nach England - und wird über dem Ärmelkanal abgeschossen. Danny und Evelyn teilen erst die Trauer, und bald darauf eine gewisse Zuneigung. Doch als sie ihr Glück endlich gefunden zu haben glauben, taucht unverhofft Rafe wieder auf: Seit Monaten im besetzten Frankreich gestrandet, war es ihm nicht gelungen, ein Lebenszeichen zu übermitteln. Dem nun im Raum stehenden Problem kommen indes die Japaner in
Rafe raufen sich notgedrungen zusammen. Der Commander (Alec Baldwin, mi.) findet's gut. |
die Quere: Rafe und Danny haben sich gerade erst geprügelt,
da überraschen
rund 350 japanische Kampfflugzeuge die amerikanische
Pazifikflotte
mit runter gelassenen Hosen. Es ist der 7. Dezember 1941,
Tag des
legendären Angriffs auf Pearl Harbor, offizieller Beginn des
zweiten
Weltkriegs für alle Amerikaner, und das historische Setup
für Jerry
Bruckheimer's Opus Magnum.
Daß dies sich nicht würde mit "Titanic" messen lassen
können, war
zu erwarten. Doch der Anfang lässt auf mehr hoffen: Die
ersten zwanzig
Minuten haben einen hervorragenden Rhythmus, unterhalten mit
Schwung
und wirklich gutem Witz und zeigen, daß mit Randall Wallace
ein durchaus
begabter Schreiberling hier die Feder führte. Diese
Anfangsoffensive
verläuft sich jedoch bald in einem recht gemächlichen
Erzähltempo,
Tribut an den Versuch, große Gefühle aufzubauen. Daß dies
scheitert
und "Pearl Harbor" eben nicht zur größten Love Story seit
"Titanic"
wird (ein Vergleich, den sogar das begleitende
Pressematerial wortwörtlich
herauf beschwört), liegt nicht nur an dem wenig
einfallsreichen "Zwei
Freunde lieben das selbe Mädchen"-Plot, sondern auch daran,
daß Regisseur
Michael Bay schlichtweg nicht für Romantisches geboren ist.
Wie schon
bei "Armageddon" versaubeutelt er den emotionalen Wendepunkt
und sorgt
ungewollt für Lacher im Kinosaal, wenn Ben Affleck mit
versteinerter
Miene ein Gefühlschaos wiedergeben soll, das so kaum
einzufangen ist.
Spätestens
hier wird klar, daß es "Pearl Harbor" nicht gelingt, eine
eigenständig
funktionierende Geschichte zu entwickeln - womit der Film
seinen größten
Eigenanspruch bereits verfehlt hätte. Der Plot bleibt ein
Gimmick,
der mehr schlecht als recht über die 85 Minuten hinweg
tröstet, die
bis zur ersten japanischen Bombe vergehen.
Was dann folgt, ist wohl für die meisten Besucher der
eigentliche
Grund für den Erwerb einer Eintrittskarte, und enttäuscht in
dieser
Beziehung keinesfalls: Für knapp 40 Minuten wird gebombt und
geballert,
was Spezialeffekte und Digitalton hergeben. Was hier jedoch
ein wenig
ausbleibt, ist das große Whoah-Erlebnis, der richtige
Kracher von
Szene, der einen zumindest kurz im Kinosessel hochfahren
lässt, mit
zur Leinwand geballter Faust und einem begeisterten "Yes!"
auf den
Lippen. Dennoch: Dieser Mittelteil ist aufwendigstes
Action-Kino,
wie man es sehen wollte, und hier liefert "Pearl Harbor"
ohne Grund
zur Beanstandung.
Das immanente Problem des Films lauert in vorangegangenem
Satz, im
Wort "Mittelteil". Nachdem die Rauchschwaden verzogen, die
Japaner
wieder weg und Präsident Roosevelt's Appelle an die Nation
gehalten
sind, könnte "Pearl Harbor" durchaus zufriedene Zuschauer
entlassen,
und über
Affleck und Hartnett beim Zwischenspurt. |
dieser Rezension würden sieben, mit etwas Wohlwollen
vielleicht auch
acht Augen prangen.
Dem ist nicht so. Denn wie zu erwarten war, konnten
Bruckheimer und
Bay keinen ehrlichen Film machen. Der Angriff auf Pearl
Harbor war,
bildlich gesprochen, ein dreister Tritt in Amerikas Hintern.
Und wer
gerade in den Hintern getreten wurde, kann dabei nicht
wirklich gut
aussehen. So kann man einen vernünftigen Hollywood-Film
natürlich
nicht enden lassen. Und drum werden unsere wackeren Piloten
auf eine
gnadenlos zum moralischen Wendepunkt des Krieges
hochstilisierte Himmelfahrts-Mission
geschickt, auf das Moral, Pathos und Heldenmut nicht zu kurz
kommen
mögen und man am Ende voller Stolz die Flagge im Wind zeigen
kann.
Für diesen heuchlerischen Nachschlag läßt sich Bay fast eine
Stunde
lang Zeit, ein 60-minütiger Anti-Klimax, arm an Spannung,
Action oder
Emotionen, den weder die Handlung, noch der Film, noch das
Publikum
braucht, das mit zunehmender Ungeduld fortwährend auf die
Armbanduhr
linst.
Man kann sich über so manches an "Pearl Harbor" aufregen:
Über den
Part von Cuba Gooding jr. zum Beispiel, gerade mal fünf
Minuten Leinwandzeit
für ein lächerliches Alibi eines Quoten-
Cuba Gooding jr.'s Rolle als Alibi-Schwarzer ist ein schlechter Witz. |
Schwarzen. Über die Darstellung der Japaner, die vielleicht neutral und fair ausfallen sollte, jedoch in überästhetisierten Klischees erstickt (Krönung ist ein taktisches Modell im Freien, umgeben von wehenden Fahnen). Über die Unfähigkeit, dem Angriff als historisches Ereignis gerecht zu werden, anstatt ihn nur als Aufhänger für ein Spektakel zu benutzen. Über so viele Dinge, die ein Film hätte tun müssen, der den Ansprüchen gerecht werden wollte, die "Pearl Harbor" sich selbst gestellt hat. Doch am Ende sind es nicht diese verfehlten Ansprüche, die enttäuschen. Man konnte nie wirklich erwarten, daß das Duo Bruckheimer/Bay einen Film hinkriegen würde, der mehr ist als plakative Action, der tatsächlich von einer mitreißenden Liebesgeschichte getragen wird. Was enttäuscht ist die maßlose Selbstüberschätzung dieser Herren, die so sehr auf ihre zweifelsohne vorhandenen Talente vertrauten, daß sie sich alles zumuteten. Und das war einfach zuviel. "Pearl Harbor" ist in den Teilen, wo er feinstes Action-Kino sein soll, sicherlich sein Geld wert. Doch das Drumherum schwankt zwischen nett gemeintem Versuch und ebenso überflüssigem wie ärgerlichem Kriegskitsch. Wenn man bei einem Drei-Stunden-Epos schon nach zwei Dritteln meint, der Film könnte jetzt eigentlich gut aufhören, dann hat irgendwer bei der dramaturgischen Gewichtung Mist gebaut. "Pearl Harbor" ist der Beweis dafür, daß Bay und Bruckheimer für auf pure Unterhaltung fixiertes Popcorn-Kino geboren sind. Aber ganz sicher nicht für mehr. Meister, bleibt bei euren Leisten.
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