Als durch die Affäre um gehackte E-Mails beim Medienkonzern Sony herauskam, dass eine Jennifer Lawrence für den Film „American Hustle“ deutlich weniger Gage einstrich als ihre männlichen Co-Stars, sorgte dies für eine neu entfachte Diskussion über die (Un-)Gleichbehandlung der Geschlechter in Hollywood. So war Miss Lawrence dann auch nicht mehr bereit noch irgendwie über die ihr zugesagten 20 Millionen Dollar für ein weiteres Projekt zu verhandeln, obwohl diese exorbitante Gage eine Zeit lang die Produktion des Films „Passengers“ gefährdete. Denn ein teures Zwei-Personen-Kammerspiel im Weltraum, dieses Skript schien genauso reizvoll wie riskant, weshalb es ein paar Jahre auf der berüchtigten „Blacklist“ der besten unverfilmten Drehbücher verbringen durfte. Schließlich ging „Passengers“ dann doch in Produktion und mit Chris Pratt ("Guardians of the Galaxy", "Jurassic World") gönnte man sich auch noch für die männliche Hauptrolle einen der aktuell angesagtesten Namen des Filmgeschäfts. Ob die Rechnung letztlich für Sony aufgeht bleibt abzuwarten und ist letztlich auch nicht das Problem des Publikums. Für dieses macht sich die Investition in eine prächtige Ausstattung sowie in die überdurchschnittlichen Darsteller aber auf jeden Fall bezahlt.
Die Kolonisation des Weltraums hat begonnen und an Bord des Riesenraumschiffs Avalon verbringen mehr als 5.000 Passagiere und Crewmitglieder stolze 120 Jahre im Schlaf, bevor sie ihre neue Heimat, den Planeten „Homestead II“ erreichen sollen. Die Vorgänge an Bord sind vollautomatisiert, allen potentiellen Hindernissen geht die Avalon mit ihrem wirksamen Schutzschirm aus dem Weg. Doch nach dem Kontakt mit einem Meteoritensturm erwacht plötzlich der Mechaniker Jim Preston (Chris Pratt) viel zu früh in seiner Kapsel – und zwar genau neunzig Jahre zu früh. Ohne Chance wieder in den Tiefschlaf zurück zu gelangen und mit dem sicheren Wissen, das Ende der Reise nicht mehr zu erleben, nimmt die Depression für ihn schließlich lebensbedrohliche Ausmaße an, woran auch sein einziger „sozialer“ Kontakt in Form von Gesprächen mit dem Androiden Arthur (Michael Sheen) auf Dauer nichts ändern kann. Bis Jim plötzlich doch nicht mehr alleine ist und eine potentielle Gefährtin in Person von Aurora (Jennifer Lawrence) vor ihm steht. Auch sie ist vorzeitig erwacht, doch wie kann das möglich sein?
Oder wie wahrscheinlich ist es wohl, dass als Zweites ausgerechnet jemand aufwacht, der einen möglichen Partner darstellt und nicht etwa ein, sagen wir mal, übergewichtiger Rentner? Der Zuschauer kennt zu diesem Zeitpunkt bereits die Hintergründe, und wenn man „Passengers“ irgendetwas kritisch vorhalten kann, dann dass der Verlauf der Geschichte im Prinzip schon nach zwanzig Minuten klar und vorhersehbar ist. Man ahnt ziemlich genau was passieren wird, sowohl im „zwischenmenschlichen“ Bereich als auch was die unvermeidliche Kulmination in einem Action-Finale angeht – denn schließlich wird man nur wenig subtil immer wieder darauf hingewiesen, dass mit dem vermeintlich so perfekten Raumschiff offenbar doch irgendwas nicht stimmt. Bis zu diesem Punkt gibt es allerdings vor allem visuell doch so Einiges zu bestaunen. Denn die „Avalon“ ist schon ein beeindruckendes Konstrukt, das sich mit Macht seinen Weg durchs All bahnt, gigantisch in seinen Ausmaßen und im Inneren eingerichtet wie ein hypermodernes Kreuzfahrschiff, schließlich sollen die Passagiere vor ihrer Ankunft noch ein paar Monate an Bord genießen und auch für ihre neue Aufgabe geschult werden.
Was sich allerdings seit „Titanic“-Zeiten nicht geändert zu haben scheint, ist die Existenz der Klassengesellschaft. So hat der arme Jim zwar praktisch das gesamte Schiff für sich, als einfacher Maschinenbauer aber dennoch keinen Zugriff auf die für besser betuchte Gäste vorgesehenen Luxuskabinen oder Leckereien – für Jim gibt es jeden Tag nur das einfache, rustikale Frühstück ohne Extras. Erst durch die aus wohlhabenden Kreisen stammende Aurora kommt er schließlich in den Genuss gewisser Privilegien (auch wenn er seinen Kabinenstatus schon vorher durch den Einsatz einiger wirksamer Bohrgeräte verbessert hatte). In diesen Szenen bietet der Film einen Humor, der stellenweise an „Wall-E“ erinnert, wandelt sich dann im Mittelteil zu einer RomCom unter etwas anderen Umständen, bevor er kurzfristig zum Drama wird und schließlich noch zum Actionreißer mutiert. Das alles geht in einem ordentlichen Tempo vonstatten, so dass während der einzelnen Abschnitte keine Langeweile aufkommen kann und es ja außerdem auch immer wieder noch etwas Neues zu Bestaunen gibt (Stichwort „Schwerkraftverlust im Swimming-Pool“).
Und einfach mit zu staunen macht eindeutig mehr Freude als sich z.B. allzu lange darüber Gedanken zu machen, wie effektiv es eigentlich funktionieren soll, so ein Geschäftskonzept, bei dem man die Gewinne einer angebotenen Reise erst nach weit mehr als einhundert Jahren einstreichen kann – da erhält die Devise „vorausschauendes Wirtschaften“ eine ganz neue Dimension. Und ob man wirklich alle Unwägbarkeiten eines derart langen Fluges mit einem autonom vor sich hin rotierenden Raumschiff kontrollieren kann? Nee, so wirklich realistisch scheint das entworfene Szenario in der hier dargebotenen Form nicht, aber faszinierend ist es ganz ohne Zweifel. Zum grundsätzlichen Funktionieren des Films und zum „Verkaufen“ des Plots trägt ganz wesentlich auch das Hauptdarsteller-Duo bei (charmant unterstützt durch den an „Shining“ erinnernden künstlichen Bar-Mann von Michael Sheen). Denn Chris Pratt (der hier eindeutig die erste Hauptrolle inne hat) und Jennifer Lawrence harmonieren ganz prächtig miteinander und vermitteln die wechselnden Aggregatszustände ihrer emotionalen Verfassung überzeugend. Dank Design und Darstellungskunst erweist sich „Passengers“ daher als absolut lohnendes Kinovergnügen, dem man seine im Grunde doch arg konventionelle Handlung daher recht leicht nachsieht.
Neuen Kommentar hinzufügen