Nachtzug nach Lissabon

Originaltitel
Nighttrain to Lisbon
Jahr
2013
Laufzeit
111 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Volker Robrahn / 4. März 2013

nachtzug 1Raimund Gregorius (Jeremy Irons) unterrichtet als Lehrer an einem Schweizer Gymnasium. Sein geregelter Tageablauf wird jäh unterbrochen, als er eine junge Frau davon abhält sich von einer Brücke in den Tod zu stürzen. Er kümmert sich um sie, doch kurz darauf ist die Unbekannte verschwunden und nur ihr Mantel bleibt zurück, darin ein schmales Buch und eine Zugfahrkarte nach Lissabon. Raimunds Hoffnung, die Verschwundene am Bahnhof wiederzufinden, erfüllt sich nicht, und so entschließt er sich kurzerhand schließlich selbst in den Zug zu steigen. Auf der Fahrt liest er das Werk des portugiesischen Autors Amadeu de Prado (Jack Huston) und ist sofort fasziniert von der dramatischen und tragischen Geschichte dieses Mannes. In Lissabon angekommen sucht der neugierig gewordene Schweizer dann nach Spuren dieses bereits jung verstorbenen Schriftstellers, der vor allem auch als Arzt und Revolutionär im diktatorisch regierten Portugal der 70er Jahre aktiv war. Durch die Gespräche mit Zeitzeugen entfaltet sich vor Raimund ein abenteuerliches Panorama über eine Gruppe von Menschen, deren Leben ihm so viel bedeutender und aufregender vorkommt als sein Eigenes.
 

nachtzug 2Der dänische Filmemacher und Oscar-Preisträger Bille August hatte seine größten Erfolge in den 90er Jahren mit den Literaturverfilmungen „Das Geisterhaus“ sowie „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“. Ersteren drehte August ebenfalls mit Jeremy Irons, auf den er nun erneut als Hauptdarsteller zurückgreift. Der Roman „Nachtzug nach Lissabon“ von Pascal Mercier verkaufte allein im deutschsprachigen Raum mehr als zwei Millionen Exemplare und so ist es kein Wunder, dass auch diverse deutsche Firmen, vor allem das Studio Hamburg, an dieser europäischen Koproduktion beteiligt sind. Dem Team August/Irons gelingt dabei eine weitgehend überzeugende Adaption, welche die starken Emotionen und reizvollen philosophischen Gedanken, die bereits bei so vielen Lesern einen Nerv trafen, auch auf die Leinwand überträgt.

Die schwierigste Aufgabe hat dabei zweifelsohne  Jeremy Irons zu bewältigen, der hier selbst praktisch ausschließlich passiv agiert, während sich die dramatischen und äußerlich aufregenden Momente nur in den Rückblenden der Vergangenheit abspielen. Der britische Schauspieler legt seinen Raimund Grigorius dabei als einen auf den ersten Blick eher farblosen, unauffälligen und oft gebeugt gehenden Mann an, der sich selbst für „langweilig“ hält und nur sehr langsam mitbekommt, dass auch er in seinen Gesprächspartnern etwas auslöst, was deren Leben eine neue Richtung gibt. Sein Gregorius rennt weder, noch brüllt er, und so arbeitet Irons fast ausschließlich mit seiner Stimme, Blicken und einigen sparsamen Gesten.

nachtzug 3Die Möglichkeiten zu glänzen für den Rest des internationalen Casts bleiben demgegenüber schon deshalb begrenzt, weil es hier für jede Rolle zwei verschiedene Darsteller gibt, die ihre Figur einmal in der Gegenwart und einmal in der Version vor 40 Jahren portraitieren. Während Jack Huston als junger und unglücklich verliebter Arzt dabei genauso ein wenig blass bleibt wie das Objekt seiner Begierde Mélanie Laurent („Inglourious Basterds“), punktet vor allem August Diehl als dessen unberechenbarer Freund und Nebenbuhler Jorge, trotz überschaubarer Leinwandzeit. Dass neben Diehl mit Martina Gedeck, Bruno Ganz und Burghart Klaußner (um nur die bekanntesten zu nennen) noch diverse weitere deutsche Schauspieler mitwirken, erklärt sich durch die oben erwähnte Co-Finanzierung und wirkt innerhalb der portugiesischen Altstadt zunächst etwas überraschend, aber keineswegs befremdlich. Die sich zart entwickelnde Romanze zwischen dem (vermeintlich) biederen Raimund und der Augenärztin Mariana (Gedeck) bleibt dabei durchaus glaubhaft, auch wenn im Bezug auf deren familiäre Verbindungen zu den Protagonisten vergangener Zeiten der Zufall hier mitunter etwas arg strapaziert wird.

nachtzug 4Obwohl nicht jedes Hintergrunddetail glasklar erläutert wird, erweist sich der Ausflug in das zu jener Zeit noch dem Spanien unter Franco ähnelnde Portugal kurz vor der „Nelkenrevolution“ als hochinteressant und wirkt in den gewählten Kulissen und Schauplätzen absolut glaubhaft. Das lässt sich nicht zu einhundert Prozent über die Motivation der Hauptfigur sagen, deren Ausbruch aus dem geregelten Leben lediglich aufgrund eines eher wirren und zunächst viele Fragen offenlassenden Büchleins sicher nicht für jedermann nachvollziehbar ist. Was sich daraus entwickelt ist allerdings allemal lohnend, sofern man denn ein gewisses Faible für fast schon etwas altmodisch ruhig erzählte Geschichten mit vielen Dialogen besitzt. Aber gut, es handelt sich hier schließlich um eine Literaturadaption und um die Geschichte von ein paar über ihr Leben reflektierenden, meist schon etwas älteren Menschen. Da kann man das dann schon genau so umsetzen. 

Bilder: Copyright

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