Mulan

Originaltitel
Mulan
Land
Jahr
2020
Laufzeit
115 min
Regie
Release Date
Streaming
Bewertung
7
7/10
von Frank-Michael Helmke / 14. Dezember 2020

Es hätte der Film sein können, der dem Kino den endgültigen Todesstoß verpasst. Als Disney im Sommer ankündigte, dass sie ihr extrem teures Remake des eigenen Trickfilm-Klassikers "Mulan" Corona-bedingt gar nicht mehr ins Kino bringen, sondern als Exklusiv-Premiere auf dem hauseigenen Streamingdienst Disney+ veröffentlichen würden, machte sich gleich leichte Panik breit - denn sollte sich das als funktionale und vor allem rentable Strategie erweisen, könnte sich ein Domino-Effekt entwickeln und den ohnehin schon angeschlagenen Lichtspielhäusern endgültig den Garaus machen: Wenn nächstes Jahr vielleicht irgendwann sowas wie Normalität im Kinosaal einkehrt, aber bis dahin alle großen Studios entschieden haben, dass sie ihre Blockbuster direkt oder zeitgleich fürs Heimkino streamen - quo vadis, Multiplex?

Seit letzter Woche kann man etwas durchatmen: Bei der jährlichen Investorenkonferenz erklärte Disneys Konzernchef Bob Chapek, dass Disney auch 2021 und auf absehbare Zeit aufs Kino als exklusive Erstverwertungsstelle setzen wird. Wohl vor allem aus rein wirtschaftlichen Gründen: Auch wenn man bei Veröffentlichung von "Mulan" in den USA 30 Dollar extra zur üblichen Abo-Gebühr berappen musste, um den Film zu streamen (bei uns waren es "nur" 22 Euro), soll die Sache trotzdem ein ziemlicher Erfolg gewesen und gut 100 Millionen Dollar eingebracht haben - allein, das ist in Relation zu einem erwarteten Kinoerlös von 300 Millionen Dollar und mehr immer noch viel zu wenig, um eine ernsthafte Wachablösung einzuläuten. Zumindest für Disney. Der neue Buhmann der Kino-Branche ist daher Warner Bros., die kurz vor Disneys Bekanntmachung ihre Pläne öffentlich machten, ihre Blockbuster nächstes Jahr (u.a. die Neuverfilmung von "Dune") parallel zum Kinostart auch schon auf ihrem Streamingdienst HBO Max zur Verfügung zu stellen, womit sie den Kinos den Heiligen Gral des Erstauswertungsfensters entreißen - quasi die Existenzgrundlage der Lichtspielhäuser. Das Kinosterben könnte also weitergehen. Aber zumindest ist es dann nicht Disneys Schuld. Und auch nicht die von "Mulan".

Der Film, der diese ganzen kontroversen Entwicklungen losgetreten hat, ist seit dem 4. Dezember für Abonnenten von Disney+ mittlerweile auch ohne Extrazahlung verfügbar. Und wird definitiv nur aufgrund seiner Pandemie-bedingten Sonderrolle in die Filmgeschichte eingehen. Denn jenseits davon ist "Mulan" ein Film, gegen den man eigentlich nix sagen kann, der aber auch mit nichts so richtig vom Hocker reißt. 

Was für die Neuinszenierung durch die neuseeländische Regisseurin Niki Caro spricht: Im Vergleich zu den teilweise sklavisch an ihrer Vorlage klebenden Disney-Realverfilmungen wie "Die Schöne und das Biest" oder "König der Löwen" ist der neue "Mulan" wirklich eine Neuauflage, die den Namen auch verdient, und ihre eigene Herangehensweise an den Stoff zu finden versucht. Das Produktionsniveau ist erwartbar enorm, die handwerkliche Ausführung makellos. Caro gelingt überzeugend aufgezogenes, episches Kino (ja, das darf man auch auf Fernsehdimensionen runtergedimmt so nennen), das mit berauschenden Farben, einer agilen Kamera und einigen tollen set pieces durchaus zu beeindrucken weiß. "Mulan" ist definitiv nicht langweilig und durchaus ein lohnenswerter Film. 

Aber. Die ganze Sache kommt auch mit einer fast schon heiligen Ernsthaftigkeit daher, die dem Film jede Spur jener Unbeschwertheit nimmt, die klassische Disney-Animationsfilme auch stets ausgezeichnet hat, vor allem erzeugt durch die typischen Musical-Einschübe. Die gibt es hier nicht, ebenso wenig wie so etwas wie schräge Sidekicks, die bei Disney auch immer gern das Salz in der Suppe waren und ernsten Geschichten ein gesundes Maß an anarchischem Witz verpassten (Timon und Pumbaa, anyone?). Hier gibt es nur einen leicht tollpatschigen, leicht dicken Jungen in Mulans Armee-Einheit. Aber der ist natürlich auch nicht zu tollpatschig und zu dick, denn das wäre dann ja "fat shaming" und geht selbstverständlich nicht. Man fühlt "Mulan" schon sehr deutlich an, dass der Film unbedingt alles richtig machen und niemandem auf die Füße treten will. Was zum Resultat hat, dass er sich schon fast zu brav anfühlt. 

Selbstredend ist die alte Sage vom chinesischen Mädchen, das sich als Junge verkleidet in die Armee rekrutieren lässt, um ihren gebrechlichen Vater vor der Einziehung zu bewahren, und dann zur Kriegsheldin avanciert, mehr denn je auf der Höhe der Zeit. Mulans Geschichte von Emanzipation und Selbstermächtigung, auf Seite der nominell Bösen dann auch noch gespiegelt von einer unterdrückten Hexe, hat Vorbildfunktion und eine Botschaft zu erzählen. Aber die wiederum wird so erwartbar und verbissen-entschlossen präsentiert, als ob der Film wirklich glauben würde, Geschichten von "female empowerment" seien der innovativste, heißeste Scheiß der Welt.

Ein bisschen weniger bierernste Dramatik und ein bisschen mehr mitreißende Action hätten dem Film nicht geschadet. So ist der neue "Mulan" doch arg stromlinienförmig und überkorrekt, um ein echtes Herz und eine richtige Vision aufbringen zu können. 

Bilder: Copyright

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