Lustige Sünder

MOH (72): 9. Oscars 1937 – "Lustige Sünder"

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 10. September 2024

In unserer letzten Folge hatte Frank Capras Komödie “Mr. Deeds geht in die Stadt“ mit seinem großen Star ja so seine Probleme. Auf gleich vier sehr bekannte Gesichter treffen wir nun heute in der Screwball-Komödie “Lustige Sünder“. Davon können zwar auch nicht alle glänzen, das Ergebnis ist aber trotzdem eine richtig spaßige Angelegenheit.

Lustige Sünder

Originaltitel
Libeled Lady
Land
Jahr
1936
Laufzeit
98 min
Regie
Release Date
Oscar
Nominiert "Outstanding Production"
Bewertung
8
8/10

Das Genre der Screwball-Komödie wird heutzutage ja schmerzlich vermisst und so ist es immer eine kleine Freude in dieser Reihe auf ein paar alte Genrevertreter zu treffen. Noch dazu, wenn diese so namhaft besetzt daherkommen wie “Lustige Sünder“. Das Studio Metro-Goldwyn-Mayer handelt nämlich auch hier getreu seinem damaligen Slogan “More stars than there are in heaven“ und holte mit Jean Harlow, William Powell, Myrna Loy und dem aufstrebenden Spencer Tracy jede Menge Starpower auf die Leinwand. Nach etwas holprigem Beginn spielt sich dabei vor allem das Duo Powell-Loy in einen kleinen Rausch und serviert uns einen unterhaltsam-chaotischen Filmabend.

Auslöser für das Chaos ist eine im Klatschblatt “The New York Evening Star“ veröffentlichte Skandalgeschichte rund um die Affäre der Millionärstochter Connie Allenbury (Myrna Loy, “Der dünne Mann“) mit einem verheirateten Mann. Leider entspricht die aber nicht der Wahrheit und Connies reicher Vater (Walter Connolly, “Es geschah in einer Nacht“, “Lady für einen Tag“) reagiert so postwendend mit einer Klage, die nicht nur das Ende der Zeitung sondern auch das Ende der Karriere dessen Chefredakteurs Dan Haggerty (Spencer Tracy) bedeuten würde. In seiner Verzweiflung wendet sich Dan an den charismatischen Autor Bill Chandler (William Powell), der Connie in eine kompromittierende Situation bringen soll. Dazu überredet Dan seine eigene Verlobte Gladys (Jean Harlow) Bill “übergangsweise“ zu heiraten, so dass ein von der Presse entdeckter Flirt zwischen Connie und Bill die Millionenerbin in ein schlechtes Licht rücken würde – und man damit die Erfolgschancen der Klage minimieren könnte.
 


Das klingt nun wirklich nach einem sehr komplizierten Plan mit zahlreichen Unwägbarkeiten. Das ist aber wiederum für eine Komödie eher ein Vorteil, denn schließlich möchte man ja Chaos entfachen. Genau das folgt auch bald, weil sich die zahlreichen Schwächen des Plans schnell zeigen, unsere Figuren ganz unterschiedliche Ziele verfolgen und sich natürlich Menschen ineinander verlieben, die das eigentlich nicht tun sollten. Doch zu Beginn hält sich der Spaß noch etwas in Grenzen, da man erstmal darum bemüht ist dieses Szenario und seine Protagonisten zu etablieren. Das wirkt stellenweise leider etwas zu bemüht und wir treffen hier auch wieder auf die Tendenz der damaligen Zeit auch dann ein Dialogfeuerwerk abzubrennen, wenn vielleicht mal eher ruhigeres Tempo angesagt wäre.

Bestes Beispiel für die Probleme des Films zu Beginn ist die Rolle von Spencer Tracy. Wir hatten in dieser Reihe ja schon ein paar Blicke in den Arbeitsalltag von Boulevard-Zeitungen werfen dürfen (“The Front Page“, “Spätausgabe“). Stets sind die Angestellten dort vom gleichen Schlag: laut, vulgär, moralisch korrupt und immer auf der Suche nach einem möglichst coolen Spruch. Das wirkt immer mehr erzwungen als natürlich und bremst auch hier ein wenig die Geschichte. Weil es eben sehr klischeehaft wirkt und es Tracy auch nicht wirklich gelingt irgendwelche interessanten Facetten an dieser Figur herauszuarbeiten. Für Tracy war “Lustige Sünder“ trotzdem einer der ersten großen Erfolge einer Karriere, die später mit Klassikern wie “Wer den Wind sät“, “Urteil von Nürnberg“ oder “Rate mal, wer zum Essen kommt“ zu einer der ganz großen Hollywoods werden sollte. Davon ist hier allerdings noch nicht viel zu spüren.
 


Eher routiniert als interessant ist auch die Darstellung von Jean Harlow als Gladys. Harlow, die nur ein Jahr später mit 26 Jahren überraschend an Nierenversagen starb, war damals eine der beliebtesten Schauspielerinnen und galt als Prototyp der blonden Sexbombe – was angesichts ihrer ordentlichen Leistung hier aber ein unfaire Reduzierung ihres Könnens ist. Vermutlich tut man ihr und Tracey auch alleine deswegen schon unrecht, weil auf der Gegenseite einfach ein kaum zu überbietendes eingespieltes Team steht. William Powell und Myrna Loy galten seit “Der dünne Mann“ als eines der Filmtraumpaare Hollywoods und “Lustige Sünder“ ist nichts anderes als eine kleine Machtdemonstration in Sachen Charisma und Timing.

So gibt William Powell auf wundervoll entspannte Weise den eleganten Gentleman-Hochstapler. Sicher, er hat den Vorteil mit die besten Dialogzeilen in den Mund gelegt zu bekommen. Aber er serviert diese dann halt auch immer perfekt temperiert und stets mit einem wundervollen Schuss Ironie obendrauf.  Myrna Loy wiederum steht dem gerade in Sachen cleverem Sarkasmus um nichts nach und ergänzt das in ihrem Spiel noch um genau die richtige Dosis Arroganz. Nicht zu viel, um unsympathisch zu wirken, aber genug, um einfach souverän und cool daherzukommen. Je länger der Film dauert desto mehr Leinwandzeit bekommt das Paar und das hebt den Film, nach dem etwas schwerfälligen Start, schon bald spürbar auf ein komplett neues Level.
 


Unterstützt werden Loy und Powell dabei von einem Drehbuch, das einen Haufen cleverer One-Liner unterbringt und eine schöne Mischung aus intelligenten Wortgefechten und klassischem Slapstick formt. So darf Bill seine vorgetäuschten Angelkenntnisse bei einem Besuch im Sommerhaus der Allenburys live und in Farbe unter Beweis stellen, was zu einer wirklich sehr unterhaltsamen Zwischensequenz führt. Womit wir bei einer weiteren Stärke des Films angelangt sind: bei aller Cleverness der Dialoge ist sich hier keine Schauspielerin oder Schauspieler dafür zu schade sich auch mal komplett lächerlich zu machen.

Das größte Plus des Filmes ist aber der kleine Spritzer Ernsthaftigkeit, den man hier und da unterbringt und der gerade Bill und Connie erst zu wirklich dreidimensionalen Figuren werden lässt. Beide zeigen Momente von Verletzbarkeit, was dafür sorgt, dass es einem tatsächlich nicht egal ist wer hier mit wem zusammenkommt. So steuert man dann auch souverän auf ein Ende zu, dass sowohl Zeit für das große Comedy-Chaos als auch einen etwas nachdenklicheren Moment findet. Und wieder stimmt die Dosis, denn dieser ruhigere Moment ist lang genug um uns kurzzeitig zu berühren aber nicht zu lang, um uns komplett aus dem Comedy-Flow rauszuwerfen.
 


Aus dem Flow geraten wir in der zweiten Hälfte nur, wenn die Auftritte von Dan und Gladys ein wenig die Story ausbremsen. Wobei man hier noch von Glück sprechen kann, da ursprünglich eigentlich Harlow die Rolle von Loy übernehmen wollte, um mehr Leinwandzeit mit ihrem damaligen Verlobten (William Powell) zu erhalten. Hier legte das Studio aufgrund des Wissens über die Chemie zwischen Loy und Powell auf der Leinwand aber ein Veto ein und dürfte diese Entscheidung wohl kaum bereut haben. “Lustige Sünder“ wurde einer der erfolgreichsten Filme des Jahres und ist auch heute noch ein wundervoller Zeitvertreib, auch wenn es am Ende ganz knapp nicht für einen Eintrag in den Pantheon der Screwball-Komödien reicht.

"Lustige Sünder" ist aktuell auf Amazon Prime in Deutschland verfügbar.

 


Ausschnitt "Hochzeitsangebot"

 


Trailer zu "Lustige Sünder"


Ausblick
In unserer nächsten Folge wartet die nächste Starbesetzung und wieder Spencer Tracy auf uns – diesmal aber an der amerikanischen Westküste.

Bilder: Copyright

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