Lady für einen Tag

MOH (37): 6. Oscars 1934 - "Lady für einen Tag"

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 20. Januar 2024

In "Die 42. Straße" durfte in unserer letzten Episode freudig getanzt werden, nun überträgt sich diese Leichtigkeit scheinbar auch auf unseren heutigen Oscar-Kandidaten der sechsten Academy Awards. Regisseur Frank Capra lädt uns in "Lady für einen Tag" ein zu einem kleinen Großstadtmärchen.

Lady für einen Tag

Originaltitel
Lady for a Day
Land
Jahr
1933
Laufzeit
96 min
Genre
Regie
Release Date
Oscar
Nominiert "Outstanding Production"
Bewertung
7
7/10

Mit “Lady für einen Tag“ erhielt das Studio Columbia Pictures seine erste Oscar-Nominierung in der Kategorie “Outstanding Production“ (Bester Film). Es war aber auch der erste große Wurf des Regisseurs Frank Capra, der nur ein Jahr später mit “Es geschah in einer Nacht“ das Genre der Screwball-Komödie begründen und mit “Ist das Leben nicht schön“ einen der wohl berühmtesten Weihnachtsfilme erschaffen sollte. Auch wenn Capra in unterschiedlichen Genres unterwegs war ist er heute vor allem für seine Komödien und dem oft darin versprühten idealistisch-märchenhaften Optimus in Erinnerung geblieben – wofür man eigens das Label "Capraesque" erfand. Genau davon bekommt man in der Komödie “Lady für einen Tag“ einen ordentlichen Vorgeschmack.

Die arme Obsthändlerin “Apple“ Annie (May Robson) erhält hier eines Tages die Nachricht vom anstehenden Besuch ihrer seit langem in Spanien lebenden Tochter Louise (Jean Parker). Problem an der Sache, Annie hat dieser aus Scham jahrelang in Briefen ein eindrucksvolles Leben in der New Yorker High-Society vorgegaukelt. Nun hat aber Louise auch noch ausgerechnet ihren Verlobten Carlos (Barry Norton) und deren adligen Vater (Walter Connolly) im Schlepptau, der erst einmal die Familienverhältnisse von Louise unter die Lupe nehmen möchte, bevor er deren Hochzeit zustimmt. Annie ist verzweifelt, doch ausgerechnet der ihr wohlgesinnte Gangster Dave the Dude (Warren William) entwickelt einen Plan, mit dem man den Verwandtschaftsbesuch aus Europa erfolgreich an der Nase herumführen könnte. Warum Annie nicht einfach mit vereinten Kräften für ein paar Tage zur Lady herausputzen?


Irgendwie ja schon eine süße und im Vergleich zu den sonst hier diskutierten Filmen frische Idee, die man sich hier ausgedacht hat. Eine alte weibliche Hauptfigur sieht man ja auch heute leider nicht alle Tage. Die Freude über das Novum ist aber ein wenig verfrüht. May Robson spielt die Figur zumindest zu Beginn eher nervtötend schrill, was einen ziemlich holprigen Start und deutlich weniger Sympathie als erhofft für diese Figur zur Folge hat. Das ändert sich glücklicherweise als Annie dann ihre Verwandlung erfährt und nun deutlich zurückhaltender agiert. Gleichzeitig rückt Annie jetzt aber auch überraschenderweise eher in den Hintergrund und der Film widmet sich stärker der Frage, wie Dave die ganze Scharade organisieren kann ohne erwischt zu werden.

Da darf man dann auch einmal kritisch einhaken, denn das Annie eigentlich nur erträglich ist nachdem sie “zivilisiert“ wurde und man am Ende lieber einen coolen Gangster als die alte Dame in den Mittelgrund stellt, ist dann schon wieder ziemlich konservativ und mutlos. Der Ärger darüber verfliegt aber bald, weil man nach dem holprigen Beginn einfach gute Unterhaltung serviert bekommt. Zwar dauert es ein bisschen, bis man den (typisch für damals) übertrieben cool agierenden Dave in seiner Rolle lieben lernt, dann fiebert man aber bei dessen Plänen doch sehr gerne mit.


Das wiederum liegt an vielen netten kleinen Einfällen und Gags, die oft in Verbindung mit dem wundervoll spielenden Guy Kibbee, der sich als wortgewandter Ehemann von Annie ausgeben soll, auftreten. Je mehr die Handlung dabei in Richtung großes Finish rückt, welches in Sachen Aufbau ein klein wenig an “Der Clou“ erinnert, desto mehr Spaß hat man. Und am Ende wartet dann eine Auflösung, die nun wirklich dem heutigen Bild von Capra alle Ehre macht und schon sehr stark in Richtung märchenhaft tendiert. Da man aber das alles mit einem kleinen Augenzwinkern und unglaublich viel Liebe präsentiert, muss man schon aus hartem Holz geschnitzt sein, um nicht am Ende mit einer kleinen Freudenträne in den Augen diesen seltenen Moment herzerwärmender Großstadt-Utopie zu genießen.

Für das damalige Publikum war das angesichts einer gerade überstandenen Wirtschaftsdepression sicher Balsam auf die wunde Seele. “Lady für einen Tag“ ist aber auch für das heutige Publikum noch ein über weite Strecken gelungener Wohlfühlfilm geworden. So ganz unreflektiert und uneingeschränkt wollen wir anhand der inhaltlichen Degradierung der weiblichen Hauptfigur hier zwar nicht in Begeisterung ausbrechen, lassen uns am Ende dann aber immer noch sehr gerne von Capra in eine kitschige Parallelwelt entführen.

"Lady für einen Tag" ist aktuell als DVD-Import auf Amazon in Deutschland verfügbar. Alternativ ist der Film auch auf Youtube abrufbar (Suchbegriff "Lady for a day 1933").

 


Ausblick
In unserer nächsten Folge lädt man uns zu einem kleinen Jahrmarktsrummel ein. Dabei wird deutlich, dass die sechsten Academy Awards bei der Auswahl ihrer Nominierungen sich in diesem Jahr definitiv nicht von zu viel Zuckerguss abschrecken ließen.   


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