Die ganz große Zeit des einst als Regie-Wunderkind gefeierten Paul Thomas Anderson scheint vorbei zu sein. Das große Publikum strömte eh nie in Andersons Filme, aber seit „The Master“ mochte auch die Zunft der Kritiker zumindest nicht mehr uneingeschränkt in Begeisterung verfallen. Die scheint nun aber wieder versöhnt, denn „Licorice Pizza“ wird recht einhellig als einer der besten Filme des Jahres abgefeiert und gilt als Mitfavorit für diverse in den nächsten Monaten zu vergebende Preise. Die großen Namen innerhalb der Besetzungsliste tauchen dabei diesmal nur in den Nebenrollen auf und alles wirkt doch mehrere Nummern kleiner als bei einem Epos wie „There will be blood“.
Die an sich also recht unspektakuläre Geschichte über die On- and Off-Beziehung des zu Beginn der Handlung erst 15jährigen Gary Valentine (Cooper Hoffman) mit der einige Jahre älteren Alana (Alana Haim) bildet dabei nur den Rahmen für eine liebevoll detaillierte Darstellung des Kalifroniens der frühen siebziger Jahre, in das man sich auch tatsächlich hineinversetzt fühlt. Das Eintauchen in diese Welt war ganz offensichtlich der Hauptaufhänger und Anlass für Anderson, sich diesem Projekt zu widmen. Was fast zwangsläufig zu Vergleichen mit in der gleichen Ära angesiedelten Werken wie Cameron Crowes „Almost Famous“ und vor allem natürlich Quentin Tarantinos „Once upon a time in Hollywood“ führt, der nur wenige Jahre früher spielt und genauso episodisch angelegt ist.
Für den trotz seiner Jugend und seinem gar nicht mal so attraktiven Äußeren enorm selbstbewussten Gary spielen allerdings Themen wie der Vietnam-Krieg oder die Nixon-Regierung kaum eine Rolle, sein Desinteresse daran führt sogar zur vorübergehenden Entfremdung von Alana, die sich im Verlauf stärker politisch engagiert. Für Gary steht dagegen das Ausleben gewagter bis verrückter Geschäftsideen, das Sammeln von Leuten, die ihm folgen, und eine Inszenierung als charmantes Alpha-Tier im Vordergrund.
Obwohl sie auf den ersten Blick überhaupt nicht zueinander passen wird spürbar, weshalb der Eine hier dennoch den notwendigen Gegenpol des Anderen bildet, und dazu trägt die Leistung der beiden Jungschauspieler entscheidend bei. Die Debütanten tragen dabei beide einen Nachnamen, den man kennen könnte. Denn bei Alana Haim handelt es sich um ein Mitglied der populären, aus drei Schwestern bestehenden Indie-Rockband HAIM, und bei Cooper Hoffman um den offenbar ähnlich begabten Sohn des verstorbenen Philip Seymour.
Die prominenteren Namen geben sich dagegen mit großer Spielfreude für die schrägen Nebenfiguren her, sowohl Sean Penn als gealterter Filmstar (gemeint ist William Holden) und Bradley Cooper mit einer wilden Performance als cholerischer Lover von Barbra Streisand bringen noch ein wenig mehr Irrsinn in das eh oft schon sehr abgedrehte Geschehen. Das aber auch sehr leicht und liebenswert daherkommt, was dann doch einen Unterschied zum Hollywood-Film von Tarantino darstellt. An dessen Intensität und Tiefe Anderson nicht ganz herankommt, was hier aber vermutlich auch gar nicht das Ziel war. Wer sich darauf einlassen mag bekommt von ihm stattdessen eine amüsante und sehr warmherzige Geschichte serviert – in der die titelgebende Lakritz-Pizza übrigens überhaupt keine Rolle spielt.
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