
Was ist bloß los mit den Coen Brüdern? Erst letztes
Jahr enttäuschten sie viele ihrer Fans mit der Durschnittskomödie
"Ein (un)möglicher Härtefall".
Eigentlich hätten wir uns dafür nun eine extra-schwarze
Komödie oder gar einen Thriller verdient. Stattdessen kommt
jetzt wieder eine Komödie ins Kino, die den Erwartungen kaum
gerecht wird: "Ladykillers". Darin mietet eine Gruppe
von Gangstern unter der Leitung von Professor Goldthwait Higginson
Dorr (Tom Hanks) sich einen Raum im Haus der Witwe Marva Munson
(Irma P. Hall) um dort angeblich Kirchenmusik zu spielen. In Wirklichkeit
planen sie allerdings, vom Keller aus einen
Tunnel zum Tresor eines Kasinos zu graben. Die alte Dame, deren
Leben sich um Kirche, Spenden und ihre Katze Pickles dreht, halten
sie für harmlos. Dies soll sich als gravierende Fehleinschätzung
herausstellen, denn Mrs Munson kann ordentlich zuschlagen, vor allem
wenn sie Schimpfwörter aus "Hippity-Hop-Music" hört.
Das nächste Problem ist Dorrs wenig kompetente Truppe: Lump,
ein Footballspieler ohne Hirn für's Grobe (Ryan Hurst), Garth
Pancake, ein Sprengstoffexperte der ständig von seinem Reizdarm
redet (J.K. Simmons), ein südvietnamesischer General für
die Logistik (Tzi Ma) und dann noch Gawain, ein Hip Hopper, der
als Hausmeister ins Kasino eingeschleust werden soll (Marlon Wayans).
Als die gottesfürchtige Dame ihre Pläne durchkreuzt, stehen
die fünf vor einem Problem....
Obwohl das Setting zunächst an "O
Brother Where Art Thou?" erinnert, gibt es hier weder herrlich
absurden Humor noch bissige Gesellschaftssatire, dafür aber
flache Witze und Fäkalhumor satt. Das ist aber bei weitem noch
nicht alles, denn "Ladykillers" enttäuscht nicht
nur eingefleischte Coen-Fanatiker, sondern auch Freunde des Originals,
einer der beliebtesten englischen Komödien aus den 50er Jahren.
Ein misslungenes Remake von den Coen Brüdern, die sonst vor
Kreativität und Originalität nur so sprühen - das
ist doch sehr bedauerlich.
Ein Wort zu Remakes. Natürlich ist es falsch, ein Remake immer
mit dem Original zu vergleichen, denn er sollte als eigenständiges
Kunstwerk gesehen und bewertet werden. Nun ist es aber leider so,
dass in den USA ständig schlechte Remakes erfolgreicher europäischer
und asiatischer Filme gedreht werden, da Untertitel außerhalb
von Greenwich Village offenbar als nicht zumutbar gelten. Noch ärger
wird es, wenn auch noch die gleichen Schauspieler und/oder Regisseure
verpflichtet werden, zum Beispiel Penelope Cruz in "Abre los
Ochos"/"Vanilla Sky".
Jüngstes Beispiel: Der japanische
Film "Ju-On: The Grudge" war so erfolgreich, dass Regisseur
Takashi Shimizu ihn gleich noch mal drehen darf, zwar in Japan,
aber auf Englisch und mit Sarah Michelle Gellar in der Hauptrolle.
Dabei gibt es so viele Kreative, deren originelle Drehbücher
von den Studios abgelehnt werden, da diese lieber mit erprobten
Stoffen arbeiten.
Aber zurück zu den Coens. Übrigens zitierten die Brüder
den Original-"Ladykillers" bereits in ihrem allerersten
Film, "Blood Simple"
("Who looks stupid now?"). Auf einen Vergleich mit Alexander
Mackendricks Original kann leider nicht ganz verzichtet werden,
da Joel und Ethan einige Szenen und Dialoge 1:1 übernommen
haben - sie haben's also nicht anders gewollt. Und obwohl Tom Hanks
behauptet, er hätte sich das Original gar nicht angesehen,
ist seine Gestik und Mimik identisch mit der des altehrwürdigen
Alec Guinness (unvergessen als Obi Wan Kenobi aus "Star Wars"),
der sich schon im Original als Professor wichtig machte und durch
seine falschen Zähne gekünstelt daherredete.
Jedoch standen Alec Guinness auch so hochkarätige Schauspieler
wie Peter Sellers und Herbert Lom zur Seite, die den Film zum Erfolg
machten. Genau diese Ensemblearbeit fehlt den neuen "Ladykillers".
Zugegebenerweise ist Tom Hanks in seiner Rolle fantastisch, sein
überdrehtes Gehabe, Kichern und Hecheln gibt dem Film allen
Charme, den er hat. Auch Professor Dorrs Wortwahl ist skurril: ein
Keller ist bei ihm kein "basement",
sondern "a root cellar", eine Leiche kein "body"
sondern "a carcass". Leider sind seine Mitstreiter aber
so schlecht besetzt, das der ganze Film mit ihm steht und fällt.
Man sehnt sich nach der Stammgarde der Coen-Brüder wie John
Turturro, John Goodman und sogar nach George Clooney - waren die
etwa alle nicht verfügbar? Besonders J.K. Simmons ("Spiderman")
und Marlon Wayans ("Scary Movie")
nerven mehr, als dass sie zur Komik des Films beitragen. Simmons'
lustigste Szene ist seine erste, in der er einem Hund eine Gasmaske
verpasst und die Konsequenzen ausbaden muss. Die Qualitäten
des Generals beschränken sich auf's Zigarette-im-Mund-verschwinden-lassen,
was nach dem dritten Mal langweilig ist.
Selbst die Auseinandersetzung zum Thema Mountain Girl, in der Gawain
immer wieder "He brought his bitch to the waffle hut!!"
sagt, kommt nicht an die Schlagabtausche in früheren Coen-Filmen
ran. Auch Irma P. Hall ist schlecht besetzt, denn die Pointe des
Films sollte sein, dass eine scheinbar hilflose alte Dame den Gangstern
durch eine Verkettung von Zufällen zum Verhängnis wird.
Ein Blick auf Mrs Munson (siehe auch das Filmplakat) und keiner
wird behaupten, mit ihr sei irgendwie zu spaßen. Der Star
unter den Nebendarstellern ist sowieso die über allem wachende
Katze Pickles.
Zur
Inspiration bedienten sich die Coens auch am eigenen Repertoire:
Professor Goldthwait Higginson Dorr ist eine neue Version des Klugscheißers
und Schönredners Ulysses Everett McGill (George Clooney) aus
"O Brother Where Art Thou?", der sich ähnlich kompliziert
und gestelzt ausdrückt. Wer sich in der Southern Gothic Literatur
der USA auskennt, kann neben den direkt zitierten Gedichten viele
Details aus den Kurzgeschichten "The Black Cat" von Edgar
Allan Poe und "A Rose for Emily" von William Faulkner
erkennen. Diese Zitate geben dem Film gelegentlich eine schaurige
Atmosphäre, was sehr zu begrüßen ist.
Wie immer bei den Coen Brüdern spielt Musik eine wichtige Rolle.
Die Folk und Gospel Musik aus "O Brother Where Art Thou?"
ist mittlerweile einer der meistverkauften Soundtracks aller Zeiten,
und auch die Mischung aus Gospel, Blues, Klassik und Hip Hop der
"Ladykillers" ist hitverdächtig. Schon die Anfangssequenz,
die uns eine gotische Brücke mit Gargoyles und Müllbooten
auf dem Mississippi als einen der zentralen Handlungsorte vorstellt,
wäre ohne den Gospel "Come let us go back to God"
gar nicht denkbar. Immerhin wird auch kurz Boccherinis Menuett gespielt
- ein erstklassiger Ohrwurm, der als springende Schallplatte im
Original fast zum Auffliegen der Tarnung geführt hatte - als
CD im Ghettoblaster hat das Ganze natürlich etwas weniger Charme.
Kurz und gut - "Ladykillers" ist zwar keine schlechte Komödie, aus dem Hause Coen aber eine herbe Enttäuschung, denn sie ist nicht mal annähernd schwarz, sondern höchstens grau. Wer trotzdem rein will: UNBEDINGT auf Englisch, denn synchronisieren kann man Tom Hanks' Leistung in diesem Film nicht, und ohne diese kann man es wirklich ganz sein lassen.
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