Übersetzung in 31 Sprachen, zahlreiche Auszeichnungen sowohl für Roman als auch Autor (unter anderem Jugendbuchpreise, Bundesverdienstkreuz), etablierte Schul-Lektüre - so liest sich die Erfolgs-Story von Otfried Preußlers "Krabat" (1971), der Adaption einer sorbischen Sage, die in der Lausitz spielt und von einem 14-jährigen Waisenjungen erzählt, der in die Fänge der Schwarzen Magie gerät. Bereits 1977 ist ein auf dem Roman basierender tschechischer Trickfilm entstanden, gut 30 Jahre später erscheint nun die erste Real-Verfilmung. Während Sage und Roman um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert spielen, wurde die Handlung für den Film um mehr als ein halbes Jahrhundert vorgezogen. Regie führt Marco Kreuzpaintner, der durch "Sommersturm" einem größeren (deutschen) Publikum bekannt wurde.
Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) verliert Krabat (David Kross) seine Mutter an die Pest und zieht fortan, gemeinsam mit zwei anderen Jungen, bettelnd durch die Lande. Bei Nacht suchen ihn Visionen heim, Stimmen sprechen zu ihm. Diese führen ihn in die Mühle eines geheimnisvollen, unheimlichen Meisters (Christian Redl). Krabat bekommt ein warmes Bett und muss nicht mehr hungern, hat dafür aber tagsüber harte Arbeit zu leisten. Diese teilt er sich mit elf Gesellen, die ihm zunächst wenig wohl gesonnen begegnen. Lediglich zu Tonda (Daniel Brühl), der unter den Gesellen eine Führer-Rolle einnimmt, entwickelt sich eine engere Freundschaft. Doch mit der Zeit bessert sich das Leben in der Mühle, ebenso wie das Verhältnis zu den anderen Gesellen. Und schließlich weiht der Meister auch Krabat in die Geheimnisse der Dunklen Künste ein. Was der Waise jedoch nicht ahnt: Unwissentlich ist er mit dem Meister einen Pakt eingegangen, der ihn sehr bald das Leben kosten könnte.
Woran es ja schon bei "Sommersturm" wenig auszusetzen gab, das waren Kreuzpaintners Fertigkeiten als Regisseur. Und diese präsentieren sich auch bei "Krabat" als fast makellos. Er fängt die atemberaubende Landschaft der vermeintlichen Lausitz (in Wahrheit wurde in den Karpaten in Rumänien gedreht) in großartigen Kamerafahrten (beziehungsweise -flügen) ein und lässt seinen Film nicht nur dadurch - für eine deutsche Produktion - enorm gut aussehen. Bei seiner Arbeit legt er aber auch einen Minimalismus an den Tag, der für Vertreter des Fantasy-Genres untypisch ist, aber umso sympathischer erscheint. Das Geschehen beschränkt sich im Grunde auf zwei Schauplätze: ein kleines Dorf, aber vor allem die Mühle. Und die und ihre nähere Umgebung sind so wunderschön gestaltet - im Sommer ebenso wie im Schnee bringenden Winter - dass wohl nicht wenige gern sofort den Kinositz mit einem Platz auf der Holzbank tauschen würden. Rustikal und sicher nicht sehr bequem, aber gemütlich ohne Ende. Die Welt in "Krabat" präsentiert sich als klein und beschaulich, als atmosphärisch dicht und glaubwürdig.
Einen kleinen Schnitzer hat sich allerdings auch der Regisseur Kreuzpaintner erlaubt. Wenn die Gesellen in das Dorf ausrücken, um die Bewohner mit ihren Fähigkeiten vor übel gesonnenen Eindringlingen zu schützen, driftet das Geschehen leicht ins Lächerliche ab. Es ist zwar lobenswert, dass die Jungs nicht plötzlich überdimensionierte Superkräfte aus dem Hut zaubern, aber das, was sich als ihre Taktik herausstellt, verdient eher die Bezeichnung "hat sich halt so ergeben".
Die wirklich erfreuliche Erkenntnis an "Krabat" ist nun die, dass Kreuzpaintner vor allem als Geschichten-Erzähler dazugelernt hat, auch wenn ihm natürlich ein mehrfach prämierter Roman als Vorlage dient. Krabats Reise, seine Wandlung vom Bettler-Jungen zum rebellierenden Gesellen ist ebenso glaubwürdig wie das ganze Drumherum. Also wie das Handeln der anderen Gesellen oder wie die Reaktionen des Meisters auf bestimmte Ereignisse. Da dürfen die Kollegen von "Narnia" & Co. durchaus mal neidisch rüberschauen.
Doch auch hier geht's nicht ganz ohne kleinen Haken: Dass sich Krabat in die Dorfbewohnerin Kantorka (Paula Kalenberg) verliebt, wirkt zunächst wie ein absoluter Fremdkörper. Aufgrund der enormen Bedeutung, die diese Liebe allerdings für die spätere Entwicklung gewinnt, darf man hier ruhig mal ein Auge zudrücken. Überraschend ist übrigens die Konsequenz, mit der der Plot voranschreitet, denn nicht für alle Charaktere gibt es ein Happy End. Speziell das, was sich Mitte des Films Schreckliches ereignet, kommt ziemlich unerwartet und verschärft den ohnehin schon angenehm düsteren Grundton noch mal um ein gutes Stück.
Während es also an Kreuzpaintners Arbeit wenig zu meckern gibt, spucken ihm die anderen Köche ein wenig in die Suppe. Als größte Schwäche - über die gesamte Dauer des Films gesehen - erweist sich nämlich ausgerechnet Hauptdarsteller David Kross. Der hat als Neuling im Berliner Problem-Viertel Neukölln in Detlev Bucks Sozial-Drama "Knallhart" eine beeindruckende Vorstellung abgeliefert, wirkt hier jedoch fehlbesetzt. Immerzu beobachtet er das Geschehen ungläubig, schüchtern, auch mal wutentbrannt, insgesamt aber einfach wenig ausdrucksstark. Krabat ist als Hauptcharakter - anders ausgedrückt - schon ein kleiner Langweiler. Viel lieber hätte man da Daniel Brühl im Mittelpunkt gesehen, der einmal mehr seine Stellung als einer der Besten seiner Generation untermauert. Ebenso wie Kross wirkt auch Mühlen-Meister Christian Redl nicht immer glücklich. Seine Präsenz ist beeindruckend und das Bild gehört in der Regel ihm, sobald er es betritt, doch in manchen Szenen wäre er gern böser und finsterer als er es letzten Endes ist. Doch insgesamt bleibt festzuhalten, dass sich hier ein durchaus fähiger Cast zusammengefunden hat, der sich zu Teilen (Robert Stadlober, Hanno Koffler) auch aus "Weggefährten" von Marco Kreuzpaintner zusammensetzt.
Neben einigen kleineren Unzulänglichkeiten, die den Film-Genuss allesamt nur wenig trüben, hat "Krabat" aber auch ein richtig großes Problem: sein Ende. All das, was sich hier über 100 Minuten sorgsam aufbaut, wird anschließend binnen weniger Minuten zunichte gemacht. Das Finale ist ein riesengroßer Witz. Eine so simple Lösung, eine so schlichte Moral ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Und das hätte den Verantwortlichen eigentlich auch bewusst sein müssen. Normalerweise werden Abänderungen gegenüber der Vorlage ja eher skeptisch beäugt, hier wären sie mehr als angebracht gewesen. Wenn dann der Abspann läuft und darin billigster, schrecklich unpassender Pop die Ohren beleidigt, ist die Stimmung endgültig am Nullpunkt angekommen. Das erinnert fast an Shyamalans "Signs": in Sachen Spannungs-Aufbau große Klasse, doch die letzten fünf Minuten ruinieren vieles.
Ist "Krabat" deshalb nun missraten? Natürlich nicht. Marco Kreuzpaintners aktueller Film ist souverän inszenierte, überraschend düstere und sehr stimmungsvolle Fantasy-Unterhaltung, die zwar nicht mit großen Schlachten à la "Herr der Ringe" aufwartet oder sich überhaupt an einer epischen Geschichte versucht. Das ist aber auch gar nicht von Nöten, denn dieses kleine, klar abgesteckte Szenario gibt genügend Stoff für zwei volle Stunden her und hält so einige (böse) Überraschungen bereit. Ein Fantasy-Film, der zu den wirklich nennenswerten Vertretern seines Genres zählt, ist es aber eben nicht geworden. Dazu hätte "Krabat" zu einem vernünftigen Ende finden müssen, was leider nicht mal im Ansatz der Fall ist. Otfried Preußler hat sich übrigens vollends zufrieden über die Umsetzung seines Romans geäußert. Wäre ja auch sehr merkwürdig gewesen, wenn ihm der Schluss ebenfalls so gar nicht gefallen hätte. Schließlich ist es seiner.
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