
Nun ist also endlich Richard Mathesons so berühmter wie stilistisch einflussreicher Roman über die Abenteuer des einzelnen Überlebenden einer weltweiten Apokalypse auch unter seinem Originaltitel adaptiert. Dabei ist Francis Lawrences Film keineswegs die erste Adaption von Mathesons Geschichte, bereits zweimal durften sich andere letzte Männer mit Mutanten und Isolation herumschlagen. Vincent Price war 1964 "The Last Man On Earth", Charlton Heston gab nur sieben Jahre später den "Omega-Mann". Und zumindest letzterer dürfte Genrefans ein Begriff sein als einer der Handvoll dystopischer Sci-Fi-Streifen, die der markige Heston in den frühen 70ern drehte. War das als Teenager ein saucooler Film, muss man bei nüchterner Betrachtungsweise aus der Warte des 21. Jahrhunderts feststellen, dass das eigentlich ganz schöner Trash war, dass der Film trotz gerade mal anderthalbstündiger Laufzeit ziemlich lahmarschig daherkommt und Heston als Titelheld entsetzlich eindimensional ist. Höchste Zeit also für eine Renovierung des alten Stoffes.
Die Grundgeschichte ist in etwa intakt geblieben. 2012: Drei Jahre, nachdem ein mutierter Virus fast die gesamte Menschheit ausgelöscht hat, kämpft der einzige Überlebende Robert Neville (Will Smith) in New York gegen diejenigen, die die Katastrophe auch überlebt haben, aber verändert wurden: Kannibalische, hyperaggressive, nur triebgesteuerte Mutanten, deren Empfindlichkeit das Sonnenlicht ist. Also macht sich Neville lediglich tagsüber mit seinem treuen Schäferhund Sam auf die Jagd nach frei umherlaufendem Wild, leiht sich DVDs in alphabetischer Reihenfolge aus einer Videothek, die er mit Schaufensterpuppen bevölkert hat, und wartet jeden Tag mittags am Hafenpier auf mögliche andere Überlebende, an die er Radiobotschaften ausschickt. Pünktlich vor Sonnenuntergang muss Neville zurück in seinem verbarrikadierten Haus sein, bevor die Mutantenmassen die Straßen übernehmen. Gleichzeitig versucht Neville, früher Militärwissenschaftler, ein Heilmittel gegen den Virus zu finden und die Mutation rückgängig zu machen. Und all das muss Neville bewältigen, ohne an der Einsamkeit oder den Erinnerungen an Frau und Kind zugrunde zu gehen.
Gerade in dieser letzten Herausforderung unterscheidet sich "I am Legend" positiv von den Vorgängerfilmen, denn zum ersten Mal wird versucht, der psychischen Ausnahmesituation Tribut zu zollen. Trotz oder gerade wegen der Routine, die das Leben Nevilles bestimmt, zeigt der Film überzeugend, welche Auswirkungen Isolation, Schuldgefühle und Paranoia auf seine Psyche haben. Und all das wird vor allem durch die hervorragende Leistung von Will Smith erreicht. Man mag es ja kaum glauben, aber dies ist tatsächlich ein Schauspielerfilm, zumindest für die Einmann-Show des Herrn Smith. Da er den Film quasi im Alleingang bestreitet, gibt es hier für ihn ausreichend Möglichkeit, sein Talent zu zeigen, ohne es unter den üblichen käsigen Onelinern oder seiner smooth operator-Fassade verstecken zu können oder zu müssen.
Denn zu lachen gibt es hier denkbar wenig, stattdessen darf Smith Angst, Panik, Verzweiflung darstellen; Dinge also, die man so von ihm noch nicht zu sehen bekam. Und Smith macht seine Sache hier wie gesagt hervorragend, weswegen "I am Legend" auch so gut funktioniert. Dies ist immer noch Popcornkino im weitesten Sinne, aber - und da liegt der Unterschied zum seelenlosen Kino der Herren Michael Bay, Brett Ratner & Co. - es geht hier um wirkliche Emotionen, die kreiert werden. Sei es durch die geschickt eingeflochtenen Flashbacks von Frau und Kind und deren Evakuierung oder die Szenen mit Sam, dem gefühlsmäßig niedlichsten Schäferhund der Filmgeschichte.
Und weil man so mit Neville mitfühlt, denkt man mit Grausen daran, was wohl aus dem Projekt geworden wäre, wenn tatsächlich Arnie Schwarzenegger den letzten Mann der Welt gegeben hätte. Das Muskelmonster aus der Steiermark hatte ja fast die kompletten 1990er vergeblich darauf gehofft, "I Am Legend" zu verfilmen, um dann ersatzweise in "End of Days" emotionale Tiefpunkte zu erleben. Hüstel. Man ist jedenfalls dankbar, dass das Projekt in den relativ fähigen Händen von Francis Lawrence und der Filmographie von Will Smith gelandet ist, dessen Hausautor Akiva Goldman ihm auch die Rolle auf den bemerkenswert geformten Leib geschneidert hat.
Allerdings kann der Rest des Films leider nicht ganz mit Smiths Leistung mithalten, zu oft baut Regisseur Lawrence auf Standard-Schockmomente, in denen das Monster mit viel Lärm plötzlich aus dem Schatten hüpft. Und auch der Film wird leider zunehmend konventioneller. Gerät die erste Stunde ausgesprochen düster und packend, nimmt man mit einer Storyentwicklung kurz nach der Stundenmarke den Weg in bekannte Plotbahnen, das Ende wirkt zudem etwas gehetzt. Der Film vermeidet hier zwar allzu große Spielberg-ismen, kann sich aber wie schon die anderen Verfilmungen nicht dazu durchringen, seinem Mainstream-Publikum Mathesons zynisch-bitteres Original-Ende zuzumuten (wo Neville schlussendlich erkennt, dass in dieser neuen postapokalyptischen Welt nicht die Mutanten, sondern er das atypische Monster ist - deswegen ist er die titelgebende Legende - und seinen Tod als notwendig akzeptiert).
Im Bereich Neuerungen haben wir immerhin zum ersten Mal eine glaubwürdige Erklärung für die Apokalypse, die auch dem Zeitrahmen angemessen ist. Und man sieht noch einmal, wie stilbildend die rasenden Wüteriche aus "28 Days Later" tatsächlich waren, denn die Mutanten hier sind in ihren Eigenschaften fast 1:1 aus Danny Boyles Film übernommen, von Haarausfall und Hautproblemen mal abgesehen. Zwiespältig bleibt dagegen Lawrences Entscheidung, die Mutanten hauptsächlich per CGI zum Leben zu erwecken, denn diese wirken zumeist doch sehr künstlich und wie aus einem Videospiel entfleucht. Wie sie auch dramaturgisch in sofern ein Problem darstellen, als dass sie kein Selbstverständnis und keine Persönlichkeit haben. So wäre es in der Tat schwierig gewesen, Mathesons Original-Ende umzusetzen, und die gewählte Lösung erscheint akzeptabel, auch wenn der ursprünglich noch bitter-ironische Titel dadurch hier eine sehr viel freundlichere und heroischere Note erhält.
Es gibt also ein paar Kleinigkeiten, die verhindern, dass "I am Legend" eine komplett runde Sache geworden ist, aber die exzellente Leistung des Hauptdarstellers lohnt den Kinobesuch allemal und auch der Film hat ganz starke Momente. Legendär wird "I am Legend" also nicht werden, aber er ist vielleicht für das Filmjahr 2008 ein gutes Omen, wenn jetzt auch Popcornfilme düster sein dürfen und emotionale Tiefe haben. Nur die CGI-Monster überlegen wir uns nochmal.
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