
Alle Nase lang kommt ein Debütfilm daher, bei dem man schlicht nur staunen kann, welch unglaubliche inszenatorische Sicherheit da von einer Person gezeigt wird, die diese Arbeit zum allerersten Mal macht. Jüngstes, herausragendes Beispiel: "Frau im Dunkeln", das Erstlingswerk als Autorin und Regisseurin von Maggie Gyllenhaal (die ältere Schwester von Jake), die schon in Teenager-Jahren mit ihrer Schauspielkarriere begann und im Alter von 44 Jahren nun ihre erste Arbeit als Regisseurin vorlegt. Und was für eine.

Gyllenhaals fast 30 Jahre vor der Kamera sind dabei ein kaum zu unterschätzender Erfahrungsschatz, der es ihr überhaupt erst ermöglicht, das einzufangen, was ihr hier gelingt. Denn "Frau im Dunkeln", eine Adaption eines Romans der ebenso weltbekannten wie geheimnisumwobenen Italienerin Elena Ferrante, ist kein Film, der sein Publikum mit markigem Plot und wendungsreichem Geschehen einfängt. Stattdessen ist es ein ausgefeiltes kleines Drama, ein detailtiefes Psychogramm, bei dem fast alles, was wirklich wichtig ist, zwischen den Zeilen steht, und die Augen der Darsteller viel mehr erzählen als ihre Worte. Gyllenhaals Meisterschaft findet in diesen Details statt, in ihrer eindeutig beachtlichen Fähigkeit, ihre Darsteller haargenau anzuleiten und ihnen genau das Spiel zu entlocken, das sie braucht und haben will. In all seiner inszenatorischen Reduktion (keine Filmmusik, keine selbstgefälligen Kameratricks, keine effektvollen Spielereien mit Licht oder Ton) spricht aus "Frau im Dunkeln" eine Vision von bestechender Klarheit, die Arbeit einer Regisseurin, die ganz präzise weiß, was sie möchte, und auch genau das umsetzt. Mit beeindruckender Wirkung.
Hauptfigur von "Frau im Dunkeln" ist die Literaturprofessorin Leda (nächste Oscar-Nominierung sicher: Olivia Colman), die auf einer verschlafenen griechischen Insel einen ausgedehnten Arbeitsurlaub machen will und sich auf ungestörte Ruhe freut - bis eine vulgäre amerikanische Großfamilie am selben Strand einfällt und es zu enervierenden Reibereien kommt. Zu diesem Clan gehört auch Nina (Dakota Johnson), die offensichtlich sehr mit ihrer Mutterrolle für ihre anstrengende kleine Tochter zu kämpfen hat - was bei Leda wiederum Erinnerungen an ihre eigene Vergangenheit als junge Mutter weckt...

Spätestens, als Leda in einem vermeintlich oberflächlichen Small-Talk das Mutter-Dasein als eine "erdrückende Verantwortung" bezeichnet, lässt sich erahnen, worum sich diese Geschichte im Kern drehen wird: "Regretting Motherhood", ein Terminus, der seit einer 2015 erschienenen soziologischen Studie zusehends in aller Munde ist, und Frauen bezeichnet, die ihre Mutterrolle als negativ erleben und es im Nachhinein bereuen, Kinder bekommen zu haben. "Frau im Dunkeln" stellt uns genau solch eine Frau vor, gewährt tiefe Einblicke in ihre Psyche und illustriert durch Flashbacks in Ledas Vergangenheit (hier dargestellt von der ebenfalls preiswürdigen Jessie Buckley) , wie sie ihr eigenes Mutter-Dasein erlebt hat - und wohin es sie getrieben hat.
Es sind Szenen, die ihre stille Wucht auch und vor allem durch die Nüchternheit entfalten, mit der Gyllenhaal das alles einfängt - sicherlich angetrieben von ihren eigenen Erfahrungen als zweifache Mutter und dem Wissen, dass alle ZuschauerInnen, die selbst Eltern sind (und ja, da schließe ich mich als Mann ganz bewusst mit ein), aus ihren persönlichen Erlebnissen nur allzu gut nachvollziehen können, wie die junge Leda sich in der einen oder anderen Situation gefühlt hat. "Frau im Dunkeln" ist auch deshalb ein so packender und beeindruckender Film, weil er die feinen Nuancen der inneren Konflikte wohl der meisten Eltern ausleuchtet - die Zerrissenheit zwischen der unbestreitbaren Liebe zu seinen Kindern und der gleichzeitigen Sehnsucht, weiterhin ein selbst bestimmtes Leben führen zu können, das man für seine Kinder nun mal unweigerlich aufgibt. Zu welchen Konsequenzen einen dieser Konflikt treiben und wie einen das für den Rest des Lebens verfolgen kann, das ist der Kern dieses meisterhaft ausgeführten und bis in die Nebenrollen grandios gespielten Films. Ein in all seiner vermeintlichen Schlichtheit fulminantes Debüt, das jetzt schon gespannt auf Gyllenhaals nächstes Werk macht.
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