Man kennt das als Filmjournalist inzwischen: Wenn ein Verleiher die Pressevorführungen eines neuen Films erst wenige Tage vor dem Kinostart ansetzt und diese dann auch noch erst um 20 Uhr beginnen (normalerweise sind Pressevorführungen tagsüber), dann weiß man: Das kann nicht gut werden. Mit den knapp terminierten Vorführungen umgeht der Film kritische Besprechungen in allen nicht-tagesaktuellen Medien, die trotzdem noch berichtenden Journalisten sollen dann mit dem Abendtermin milde gestimmt werden, denn dann gibt man bei den Gratisgetränken auch Bier aus und bemüht sich um eine gewisse Feierabend-Stimmung, auf dass die Damen und Herren von der Presse das folgende von vornherein eher als Freizeit-Spaß denn als Arbeit aufnehmen und dementsprechend netter reagieren.
Die Filme, die man bei solchen Anlässen zu sehen bekommt, sind eigentlich immer aus derselben Richtung: Horror- oder Action, gerne mit viel Geprügel und/oder schnellen Autos, meistens mit etwas extremeren Gewaltdarstellungen, häufig angemischt mit grobschlächtigem Humor. Reine Männerfilme, wie sie sich das Zielpublikum gern am Wochenende "mit den Jungs" anguckt, im Optimalfall schon ein wenig angetrunken.
All das trifft auch auf "Drive Angry 3D" zu, das nächste Kapitel aus der traurigen Seite der Filmographie von Nicolas "Alle Welt weiß, dass ich pleite bin, also wundert euch nicht, dass ich wirklich jeden Scheißjob annehme, um zu Geld zu kommen" Cage. Der liefert in den letzten Jahren für jeden "Bad Lieutenant" oder "Kick-Ass" gleich zwei Filme des Kalibers "Next", "Ghost Rider", "Wicker Man" oder "Duell der Magier" ab. Zu dieser unrühmlichen Liste zählt nun auch Cages erster Versuch im 3D-Kino.
Die Story ist so simpel wie Banane: Der geheimnisumwitterte Milton (Nicolas Cage) will seine neu geborene Enkelin aus den Fängen einer satanischen Sekte befreien, die Miltons Tochter (und Mutter des Babys) brutal ermordet haben und das Kind beim nächsten Vollmond dem Teufel opfern wollen. Als Kompagnon für diesen Feldzug rekrutiert Milton die beinharte Kellnerin Piper (Amber Heard), die praktischerweise über ein extrem heißes Fahrgestell verfügt (gemeint ist ihr Auto! Was du Ferkel wieder denkst…). Ihnen auf den Fersen ist der mysteriöse "Buchhalter" (William Fichtner). Und dann geht's halt los mit dem Jagen, Abknallen, Sprüche klopfen.
Langsam wird dann auch klar, dass hier einige übersinnliche Elemente im Spiel sind, womit sich der Film dann vollends einem thematischen Spektrum hingibt, dem er mit seiner Inszenierung in keinster Weise gerecht wird. Das ist von vornherein das größte Minus an "Drive Angry 3D", der Punkt, der dies hier zu einem schlichtweg schlechten Film macht: Auf der einen Seite eine schnittige, gut ausgeleuchtete, auf Spaß und einfach gestrickte Witze ausgerichtete Inszenierung. Auf der anderen Seite: Satanskult, Höllendämonen, Menschenopfer.
Bild und Inhalt passen hier einfach nicht zusammen. Dieser Film kann überhaupt keine Atmosphäre erzeugen, weil sich seine zwei Seiten die ganze Zeit gegenseitig im Weg stehen. Entsprechend gelingt es Regisseur Patrick Lussier ("Bloody Valentine 3D") auch in keinem einzigen Moment, mit den vermeintlich düsteren Elementen seines Films auch nur einen Hauch von Horror zu erzeugen. Dies allein ist bereits so miserables filmisches Handwerk, dass dieser Film als nicht mehr denn bestenfalls mittelmäßig eingestuft werden kann.
Dass es auch dafür bei weitem nicht reicht, dafür sorgt "Drive Angry 3D" dann mit seiner generellen Ideenlosigkeit. Das fängt schon bei den Grundzügen der Story an. Ein so richtig überzeugender Grund, warum die eigenständige Piper (die wahrlich genug andere Probleme hat) sich dafür entscheidet, dem merkwürdigen Milton spontan und ohne jedwede Bedenken auf eine ganz offensichtliche Selbstmordmission zu folgen, ist Lussier und seinem Autoren-Kollegen Todd Farmer nicht eingefallen. Dann kommt sie eben einfach so mit und redet irgendwann mal schwülstiges und inhaltsleeres Zeug darüber, dass sein Auftauchen ihrem Leben auf einmal ein Ziel gegeben hat. Aha.
Nun ja, man braucht halt einen scharfen Hasen dabei, so ist das halt. Amber Heard ist dann immerhin so ziemlich die einzige Dame im Cast, die mehr sein darf als eine dialoglose Befehlsempfängerin oder eine dauergeile, sich geradezu für einen schnellen Fick aufzwingende Super-Schlampe. Wie dreist und direkt sich hier ein paar Damen an Nicolas Cage ranschmeißen soll witzig sein, bleibt aber ein viel zu durchschaubares Gimmick, um diesen filmischen Frontalangriff aufs männliche Reizzentrum auch noch mit ein paar deftigen Bettszenen und nackten, prallen Brüsten anzureichern. Was unter anderem zu einer Schießerei führt, während der Nicolas Cage gerade Sex hat. Das hat man allerdings bereits in "Shoot 'em up" gesehen, und zwar wesentlich beeindruckender. Und das nicht nur, weil die Frau dort Monica Bellucci hieß.
"Drive Angry" pflegt einen ähnlich aggressiv-vulgären Stil wie die Filme des Duos Mark Neveldine & Brian Taylor ("Crank 1 & 2", "Gamer"), allerdings bei weitem nicht so grell und schlussendlich auch bei weitem nicht so konsequent krass. "Drive Angry" gibt sich ungestüm und ungezogen, aber jeder derbe Spruch, jede exzessive Gewaltaktion wirkt so auf ihre kalkulierte Publikumswirkung hin berechnet wie das erste Objekt, das dem Publikum dank 3D-Brille ins Gesicht zu fliegen scheint: Eine per Schrotflinte abgetrennte Hand.
Damit hat sich die "innovative" Anwendung von 3D-Effekten in diesem Genre-Werk dann auch bereits erschöpft. Regisseur Lussier fällt absolut nichts anderes ein als der Ich-bin-so-alt-wie-die-3D-Brille-selbst-Effekt "Dinge fliegen auf den Zuschauer zu". In diesem Fall sind es halt bevorzugt Körperteile sowie Patronen oder andere Dinge, mit denen jemand gerade umgebracht wird oder wurde. Das macht die Sache aber weder aufregender noch abwechslungsreicher. Jeder Euro, den man hier für die 3D-Version an der Kinokasse draufzahlt, ist verschwendetes Geld.
Und schlussendlich kann man dem Film sogar ein wenig Etikettenschwindel vorhalten: Da hat man sich beim Titel "Drive Angry" auf eine ordentliche Portion satte Auto-Action eingestellt, und bekommt in dieser Hinsicht dann so erschreckend wenig, dass man sich nachher kaum mehr an einen wirklich spektakulären Stunt erinnern kann. Der Drive-Aspekt von "Drive Angry" beschränkt sich größtenteils darauf, dass Cage und Heard sich in einem sehr stylishen 69er Dodge Charger fortbewegen. Sonderlich tolle Dinge stellen sie damit nicht an.
So brav und langsam, wie der Charger hier die meiste Zeit über die Straßen rollt, kommt auch der ganze Film nie richtig in Gang, braucht viel zu lange, bevor es auch nur ansatzweise Tempo aufnimmt, und kann mit seinem Arsenal an derben Sprüchen nicht die schlichte Lahmheit seiner Geschichte kaschieren. Natürlich steht über diesem Film ganz groß "Exploitation!" und er schwimmt letztlich in denselben Gewässern wie seine billigst produzierten historischen Vorfahren aus den 1970ern oder deren Huldigung durch Robert Rodriguez und Quentin Tarantino im Grindhouse-Projekt. Aber selbst im direkten Genre-Vergleich ist "Drive Angry" einfach nur eine lahme Gurke, der das knackige Tempo abgeht, das erfolgreiches Trash-Kino ausmacht. Wer sein Publikum auf simpelste Weise unterhalten will, der kann sich keinen Leerlauf leisten.
Und so erinnern wir uns leise wehmütig an den komplett hirnfreien Exploitation-Auto-Actionfilm mit Nicolas Cage, der richtig gut war (nämlich "Gone in 60 seconds"), und versuchen, diesen unseligen Schund so schnell wie möglich zu vergessen. Sollte nicht sehr schwer fallen.
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