Leute, was für ein Film!
Die Handlung sollte mittlerweile geläufig sein: GI´s landen im Zweiten Weltkrieg auf der japanisch besetzten Pazifikinsel Guadalcanar. Landungsboote schaukeln in Richtung Strand - und wo die Ähnlichkeiten mit dem Soldaten James Ryan ansetzen, da hören sie auch schon wieder auf: Denn in dem Moment, wo bei Spielberg das Sperrfeuer losbricht und amerikanische Fetzen fliegen, passiert bei Malick gar nichts. Der paradiesische Strand ist menschenleer, völlig sinnlos hechten die Marines über den Sand und wundern sich. Scheinbar ewig müssen sie nun über die Insel tapern, bis die ersten japanischen Granaten einschlagen: Endlich wieder Krieg.
Wo die Handlung bei "Saving Private Ryan" der elementare Bestandteil des Films ist, die Darstellung des Gemetzels ansich den Inhalt und die Botschaft ausmacht, da ist sie bei "Der schmale Grat" nur Beiwerk. Die brutal originalgetreue Darstellung des Sterbens fehlt ihm völlig, Malick benutzt den Krieg vielmehr virtuos als Kulisse für präzise Beobachtungen von Menschen und für ihre Philosophie. Dabei ist nicht etwa ein flammender Antikriegsfilm herausgekommen, sondern ein liebevoll gemachter, sehr lyrischer und ruhiger Film, den man von der ersten Minute bis zur letzten gierig aufnimmt.
Das Geschehen ist unterlegt mit einem sphärischen Klangteppich, der teilweise sogar Dialoge und Schlachtenlärm überlagert. Immer wieder spricht eine nicht zu identifizierende, sonore Stimme aus dem off und philosophiert über das Leben, das Sterben und die Liebe. Und ständig streut Malick metaphorische Beobachtungen von Tieren und Pflanzen ein. Durch diesen ruhigen, schwebenden Charakter des Films wirkt "Der schmale Grat" um so mehr auf den Zuschauer, nicht bedrückender als "Der Soldat James Ryan", sondern einfach anders.
In der ersten Stunde etwa bist Du verzweifelt bemüht, Gesichter, Namen und Stimmen auseinanderzuhalten. Ein aussichtsloses Unterfangen - denn die Soldaten sind allesamt dreckig und häßlich, einer ähnelt dem anderen. Das ist kein Zufall - Terrence Malick arbeitet die vielleicht einzige Botschaft des Films heraus: Die Menschheit besitzt eine einzige große Seele, wir sind allesamt Gesichter des selben Wesens. Leute, die Du für wichtig hältst, verschwinden innerhalb von fünf Minuten wieder aus der Handlung, und die Perspektive wechselt immer wieder.
Der Versuch, die Monologe aus dem off in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen, ist zwecklos: Sie kommen von verschiedenen Personen, befassen sich mit verschiedenen Dingen und driften teilweise ins Unsinnige und Kitschige ab - wie die Gedankengerüste von Menschen halt sind.
Zu diesem freakigen Charakter des Films, der Beliebigkeit der dahinvegetierenden Charaktere, trägt die Besetzung bei:
Als der grotesk medienscheue Kultregisseur Malick das erste mal nach 1979 wieder eine Produktion plante - übrigens erst seine dritte - stand halb Hollywood Schlange. Die Hauptrollen wurden aber an relative Nobodys verteilt- einzig Sean Penn und John Cusack bekamen solche als bekanntere Schauspieler. Ansonsten glänzen beispielsweise Leute wie James Caviezel und Elias Koteas - schon mal gehört?
Der ganze Rest begnügte sich bereitwillig mit Neben- und Kleinstrollen: Nick Nolte hat schon mal größere Parts gespielt, John "Pulp Fiction" Travolta tritt etwa zwei Minuten als General auf, Woody "Natural Born Killers" Harrelson hat nach einer Viertelstunde Feierabend, und George "From Dusk till Dawn" Clooney darf vier Sätze sagen (keine sechzig Sekunden). Wobei letzterer auch wirklich nicht länger in den Film gepaßt hätte.
Trotzdem: die Qualität der Darstellung ist fantastisch - Vor allem Sean Penn und James Caviezel kommen irre rüber, und die Beobachtung der Charaktere gründen tiefer als alles andere, was Hollywood in letzter Zeit hervorgebracht hat.
Ich hoffe, "Der schmale Grat" kriegt jeden Oscar, für den er nominiert wurde.
In dem Bewußtsein, daß dies wahrscheinlich ein frommer Wunsch bleibt, verabschiedet sich
Originaltitel
The Thin Red Line
Land
Jahr
1998
Laufzeit
170 min
Regie
Release Date
Bewertung
Bilder: Copyright
20th Century Fox
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