In Japan ist er schon lange eine Legende, doch bis auch der Westen in größerem Maße etwas von der Genialität Hayao Miyazakis mitbekam, dauerte es eine ganze Weile. Als "Prinzessin Mononoke" (entstanden 1997) im Jahr 2001 als erster Miyazaki auf deutschen Leinwänden lief, nahm davon noch kaum jemand Notiz. Erst der Oscar- und Berlinale-Gewinner "Spirited away - Chihiros Reise ins Zauberland" und sein Nachfolger "Das wandelnde Schloss" konnten auch hierzulande einen Achtungserfolg erzielen, und die wachsende Anime-Fangemeinde bekommt jetzt nach und nach auch die früheren Meisterwerke des Ausnahmeregisseurs in hervorragender Aufmachung präsentiert. Sein Durchbruchserfolg "Nausicaä - Im Tal der Winde" (1984) und "Kikis kleiner Lieferservice" von 1989 sind bereits in tollen Editionen auf DVD erschienen, mit "Das Schloss im Himmel" erlebt die erste Produktion von Miyazakis längst legendärem Studio Ghibli (kreatives und strukturelles Vorbild für Pixar-Gründer John Lasseter) mit 20 Jahren Verspätung nun sogar ihre Kino-Premiere in Deutschland. Das titelgebende Schloss trägt den schönen Namen Laputa und ist so eine Art Atlantis in den Wolken, eine sagenumwobene schwebende Insel, die aber noch nie ein Mensch gesehen hat. Das kleine Waisenmädchen Sheeta und ein magischer Stein, den sie an einer Kette trägt, scheint der Schlüssel zu sein, um Laputa (und den obligatorischen, dazugehörigen Schatz) zu finden - weshalb nicht nur der hinterhältige Regierungsbeamte Musca sie auf sein Luftschiff gekidnappt hat, sondern auch die Piratenbande von Mama Dora sie von eben dort wieder zu entführen versucht. Während dem entstehenden Kampf hoch in den Lüften kann Sheeta fliehen, stürzt jedoch in die Tiefe. Aber der Stein um ihren Hals lässt sie unverletzt zu Boden schweben, wo sie von Pazu (auch er ein Waisenkind) aufgelesen wird. Zusammen versuchen die beiden nun, dem Rätsel um Laputa und Sheetas Herkunft auf die Spur zu kommen, wenn sie nicht gerade vor Musca und Doras Piratenbande flüchten, die ihnen permanent auf den Fersen sind. Permanent ist hier wirklich nicht untertrieben, denn "Das Schloss im Himmel" ist streckenweise eine einzige Verfolgungsjagd. Mit Rasanz und Schwung hetzt Miyazaki seinen quirligen Helden dabei durch eine Fantasiewelt, wie sie in ihren Grundzügen allen Freunden seiner Filme bekannt vorkommen dürfte. Seine charakteristische Mischung einer traditionellen, handwerklich geprägten Lebenswelt mit wunderhaften Maschinen, die aus einem Jules Verne-Roman oder den Entwürfen von Leonardo da Vinci entsprungen zu sein scheinen, präsentiert dem Zuschauer auch hier ein Universum, das ihm gleichermaßen vertraut ist und ihn dennoch in eine völlig neue Welt entführt. Das Tempo, mit dem Pazu und Sheeta mit diversen Fluggeräten und Fortbewegungsmitteln vor ihren Verfolgern fliehen, lässt atemberaubende und furiose Action-Sequenzen entstehen, von denen sich mancher Hollywood-Regie-Zampano unserer Tage noch immer ein paar Scheiben abschneiden könnte. Miyazaki legt auch hier wie in seinen späteren Filmen wert darauf, einen komplexen Kommentar über das Mit- und Nebeneinander von Natur, Mensch und Technologie abzuliefern, doch diese ernsteren Facetten der Geschichte dominieren eher den Schlussteil des Films. Zuvor darf sich der Zuschauer an Miyazakis leichtfüßigstem Film erfreuen, der mit seinen schrägen Charakteren (besonders knuffig: Mama Dora und ihre zwei depperten Piraten-Söhne), enormem Einfallsreichtum und stellenweise fast frivolem Witz (über die Piraten-Bande darf und soll man auch dann noch lachen, wenn sie die beiden Kinder mit Handgranaten bewerfen) auch bei zwei Stunden Laufzeit durchweg kurzweilige und allerbeste Unterhaltung bietet. Auch wenn es fast schon langweilig ist, dass jeder Miyazaki-Film bei Filmszene zehn Augen erhält - verdient ist nun mal verdient. Auch "Das Schloss im Himmel" ist ein weiterer Beweis für sein absolutes Ausnahmetalent und seine kaum zu leugnende Stellung als der wohl kreativste, einflussreichste und beste Animations-Regisseur der Filmgeschichte. Heute wie schon vor 20 Jahren. Konstant so brillant und so herausragend ist kein anderer Filmemacher auf der Welt. Wer Miyazaki also immer noch nicht entdeckt hat, sollte spätestens diese Gelegenheit nutzen, um das endlich nachzuholen. |
Bilder: Courtesy of Universum Film, Copyright 1986 |
Originaltitel
Tenkuu No Shiro Rapyuta
Land
Jahr
1986
Laufzeit
124 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
Bilder: Copyright
Universum Film
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