Er ist der letzte der großen Comic-Helden, der es auf die große Leinwand schafft, und dass man mit diesem Film so zögerlich war, liegt schon im Namen seines Helden begründet. Denn "Captain America" ist ein durch und durch patriotischer Held, die muskulöse Verkörperung ur-amerikanischer Werte und Ideale, einst erdacht als unverhohlene Propaganda-Figur während des Zweiten Weltkriegs, und somit aus heutiger Perspektive nicht nur ein bisschen anachronistisch und überernst, sondern vor allem ein arg unkritischer Repräsentant einer Supermacht, deren Status als Retter und Beschützer der Welt in weiten Teilen des Globus inzwischen doch deutlich skeptisch gesehen wird. Da machte man sich im Marvel-Verlag doch so seine Gedanken, ob man "Captain America" eigentlich genauso erfolgreich wie seine Vorgänger auf dem weltweiten Kinomarkt würde verkaufen können.
Letztlich führte aber doch kein Weg an diesem Film vorbei, denn er ist das letzte Puzzlestück für Marvels Großprojekt, auf das man seit dem ersten "Iron Man" gezielt hinarbeitet: Die Kino-Version von "The Avengers", jene Zusammenstellung von Marvels großen Superhelden in einer gemeinsamen Comic-Reihe, bzw. nun bald einem gemeinsamen Kinofilm. Unter der Regie von "Buffy"- und "Firefly"-Erfinder Joss Whedon wird bereits gedreht, und nächstes Jahr werden dann Iron Man, Thor, der Hulk und Captain America gemeinsam über die Leinwand springen. In immenser Vorfreude auf diese ultimative (und womöglich finale) Superbombe des Comicfilm-Booms kann man sich denn auch "Captain America" als eine nicht wirklich außergewöhnliche, aber durchaus schmackhafte Vorspeise schmecken lassen.
Die Geschichte von "Captain America" beginnt kurz nach Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg, als jeder körperlich halbwegs tüchtige amerikanische Mann sich ohne mit der Wimper zu Zucken freiwillig zur Arme meldet, um seine patriotische Pflicht zu tun. Auch Steve Rogers (Chris Evans, der als menschliche Fackel Johnny Storm in den "Fantastischen Vier" bereits Comic-Erfahrung gesammelt hat) würde nur allzu gerne das Gewehr in die Hand nehmen und für die Freiheit gegen Nazis kämpfen, doch ist er ein dermaßen schwächlicher und kränklicher Hänfling, dass ihn die Armee bei jedem Versuch abweist. Steve zieht jedoch mit seinem erstaunlichen Moralbewusstsein und Opferbereitschaft die Aufmerksamkeit von Dr. Abraham Erskine (Stanley Tucci) auf sich, der Steve als Versuchskaninchen für sein neu entwickeltes Wunderserum auswählt, welches einen unscheinbaren Burschen wie Steve in Sekundenschnelle in ein übermenschlich starkes und agiles Wunderwesen verwandelt, quasi einen Supersoldaten - tada, geboren ist "Captain America". Dieser Name wird Steve jedenfalls alsbald aufgedrückt, denn dank der Intervention böser Nazi-Schergen im Auftrag des größenwahnsinnigen Johann Schmidt ("Agent Smith" Hugo Weaving) wird sichergestellt, dass Steve der Einzige seiner Art bleibt, und so findet die US-Armee einen ganz besonderen Einsatz für ihren Supersoldaten….
Man kann es den Machern von "Captain America" definitiv zugute halten, dass sie den Ursprung ihrer Figur als Propaganda-Held mit durchaus selbstironischem Augenzwinkern in ihren Film integrieren, denn als Colonel Chester Phillips (Tommy Lee Jones) dem zu purer Muskelmasse mutierten Steve klar macht, dass er zu wertvoll für den "normalen" Soldateneinsatz ist und darum auf das "wichtigste Schlachtfeld des Krieges" geschickt wird, findet sich Steve schwudiwupp in ein albernes Kostüm (oder auch: das original "Captain America"-Outfit) gesteckt wieder, als Hauptattraktion einer Werbe-Propaganda-Show, in der er einen kostümierten Hitler vermöbelt und die Amerikaner dazu animiert, Kriegsanleihen zu zeichnen.
Das hat geschickten Witz, bleibt aber leider einer der raren Momente, in denen man bei "Captain America" auch mal lachen kann - zu sehr wird der Film und sein Tonfall dominiert vom absolut ironiefreien Heldenmut und Moral-Ethos seiner Hauptfigur. Ja, man muss diesen Steve Rogers dafür bewundern, wie uneigennützig er für die richtige Sache kämpfen und einstehen will, weshalb er sich letztlich auch nicht lange vor den Propaganda-Wagen sperren lässt, sondern in den richtigen Kampf zieht. Dies macht Steve leider Gottes aber auch zu einem relativ farblosen Helden, der mit keinem inneren Dämon zu kämpfen hat (nachdem er seinen schmächtigen Körper los ist, hat Steve eigentlich kein persönliches "Problem" mehr) und dem auch der Unterhaltungswert eines launischen Tony Stark ("Iron Man") oder der Hau-drauf-Arroganz eines "Thor" fehlt.
So lässt sich schon ahnen, wer bei den "Avengers" am Ende eher in der zweiten Reihe landen wird, ebenso wie dieser Film nie so ganz verhehlen kann, dass er eigentlich nur eine Pflichtübung, eine Ouvertüre ist, zusammengehalten von einer Klammer an Anfang und Ende, die zwar zum einen dafür sorgt, dass der Captain auch in derselben Zeit landet wie seine Superhelden-Kompagnons und somit für "The Avengers" bereit steht, zum anderen aber auch von der ersten Szene an klar macht, dass alles, was in diesem Film folgt, letztlich ziemlich irrelevant ist. So braucht man sein Herz gar nicht erst an die aparte Agentin Peggy Carter (Hayley Atwell) zu verlieren, weiß man doch von Beginn an, dass die schüchterne Romanze zwischen ihr und Steve zu keinem glücklichen Ende finden wird.
Trotz dieses allgegenwärtigen Gefühls einer besseren Aufwärmübung kann man "Captain America" seinen ordentlichen Unterhaltungswert nicht absprechen. Die Herren von Marvel wissen inzwischen ziemlich gut, wie man einen ansprechenden Comic-Film macht, haben mit Joe Johnston ("Jurassic Park 3", "Jumanji", "The Wolfman") auch wieder einen fähigen Regisseur ausgewählt und liefern einen stimmigen und visuell durchweg starken Film ab. So stark, dass selbst die mal wieder nachträglich erfolgte 3D-Konvertierung aus dem Film doch noch ein definitives optisches Plus rausholt, dank konsequent inszenierter Tiefeneffekte.
Ein uneingeschränktes Lob haben sich auch die Tricktechniker verdient, die Chris Evans für die ersten 20 Minuten des Films mit einem erbärmlich schmächtigen und zugleich absolut echt erscheinenden Körper herumlaufen lassen, so dass man sich nach der "Verwandlung" erstmal fragt, wie Evans eigentlich nun wirklich aussieht.
Ansonsten gibt es hier nichts wirklich Überraschendes zu sehen. In inzwischen gewohnter Comic-Film-Manier hantiert man mit einem Superschurken (Johann Schmidt mutiert zum gefürchteten "Red Skull"), der mit mythisch angehauchter Superwaffe nichts weniger als die Unterwerfung/Vernichtung der gesamten Welt plant (immerhin: ein Nazi-Scherge, der schlussendlich auch Hitler platt machen will, ist mal was anderes). Dass der große böse Plan von "Red Skull" dabei ein bisschen schwammig bleibt - sei's drum. Letztlich ist es wie gesagt eh egal, denn am Ende sind Captain America und sein Publikum ganz woanders. Und endlich bereit für die große Sause, die uns dann hoffentlich nächstes Jahr erwartet.
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