The Broadway Melody

MOH (12): 2. Oscars 1930 - "The Broadway Melody"

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 24. Oktober 2023

Im ersten Beitrag zu den zweiten Academy Awards im Jahre 1930 hatten wir ja bereits über ein paar der weitreichenden Auswirkungen der neuen Tontechnik gesprochen. Deren Siegeszug und das damit verbundene Ende des Stummfilms treten nun auch bei der Verleihung des Hauptpreises deutlich zu Tage, der in diesem Jahr schon fast zwangsläufig an eine der vielen in dem Jahr produzierten Musikproduktionen gehen sollte. Doch auch der Blick auf “The Broadway Melody“ unterstreicht, man hätte damals den Fokus lieber mehr auf Figuren und Story und nicht primär die neue Technik richten sollen.


The Broadway Melody

Land
Jahr
1929
Laufzeit
110 min
Genre
Release Date
Oscar
Gewinner "Outstanding Picture"
Bewertung
4
4/10

Nicht ganz überraschend ging die Trophäe für den besten Film bei den zweiten Academy Awards an ein Musical. Musik- und Tanznummern hatte man damals schnell als den großen Aufhänger für die neuen Talkies ausgemacht und so wird schon in der ersten Szene von “The Broadway Melody“  die neu hinzugewonnene Tonspur ziemlich strapaziert, wenn im Büro eines Musikverlages gleich mehrere Komponisten lautstark ihre neuesten Werke proben lassen. Darunter ist auch das Allroundtalent Eddie Kearns (Charles King), der sich für die Begleitung seiner neusten Revue gerne die Dienste der Mahoney Sisters Hank (Bessie Love) und Queenie (Anita Page) sichern möchte.

Die Tanzkünste der beiden gerade von der Provinz nach New York gezogenen Schwestern überzeugen die Produzenten aber erst einmal nicht, auch wenn Eddie vor allem für seine Verlobte Hank kräftig die Werbetrommel rührt. Noch komplizierter wird es allerdings, als Eddie sich plötzlich stärker zu deren Schwester Queenie hingezogen fühlt. Die wiederum möchte aber ihrer eigenen Schwester nur ungern den Mann ausspannen und lässt sich darum lieber auf eine Affäre mit dem reichen Womanizer Jacques Warriner (Kenneth Thomson) ein.
 


Der Großteil der Handlung spielt sich auf und hinter der Bühne der titelgebenden Revue ab, doch mit dem Glamour der damaligen Zeit kann die Story leider nicht mithalten. Eigentlich birgt die komplizierte Dreiecksbeziehung jede Menge Ansatzpunkte für ordentliches Drama, was aber natürlich nur funktioniert, wenn man halbwegs mit den Figuren mitfühlen kann. Das gelingt eigentlich fast nur mit Hank, deren selbstbewusste und doch auch verletzliche Art durchaus charismatisch von Bessie Love transportiert wird. Schon bei deren Schwester Queenie sieht es da aber schwieriger aus, da deren Rolle als tumbes Dummchen zu oft Kopfschütteln auslöst, als dass deren moralisches Dilemma einen irgendwie emotional berühren kann.

Deutlich schlimmer sind aber die männlichen Rollen, die hier einfach zu creepy ausfallen (wie bereits beim ebenfalls nominierten Film “In Old Arizona“ schon gesehen). Gefühlt stehen Eddie und vor allem auch Jacques Warriner immer kurz davor sich mit Gewalt iüber die Damen her zu machen, was manche Szenen eher schwer zu ertragen macht. Man kriegt zwar immer noch irgendwie die Kurve, doch gerade der Figur des Eddie raubt dessen animalisches Verhalten jegliche Leichtigkeit. Mal abgesehen von der Frage, warum man als Frau nun an diesen Männern interessiert sein sollte. Vielleicht hätte das in einem düsteren Drama ja noch halbwegs gut funktioniert, doch dafür schlägt man hier zu oft seicht-fröhliche Töne an.
 


Dabei wirken vor allem manche kleinere Nebenrollen, wie ein stotternder Onkel und ein stets betrunkener Zeitgenosse, schon sehr bemüht lustig. Weder der Humor noch die dramatischen Momente können dabei so richtig zünden, da nichts wirklich hängen bleibt und am Ende sich sowieso alle wieder liebhaben, egal wer hier wen vorher böse hintergangen hat. Wer sich wenigstens ein paar echte Showstopper auf der Bühne erhofft hat, wird allerdings ebenfalls enttäuscht werden. Da zu Beginn des Tonfilms die Kamera kaum bewegt werden konnte finden sich hier viele sehr statisch inszenierte Szenen, die meist auch nicht durch wirklich kreative Choreographien aufgefangen werden können.

Ironischerweise ist der gelungenste musikalische Auftritt eine Nummer, an der keine einzige der Hauptpersonen beteiligt ist. Warum diese Darbietung im Film ist, obwohl weder irgendeine Hauptfigur darin vorkommt noch es die Handlung vorantreibt, verstehe wer will. Aber zumindest hat man für ein paar Minuten das Gefühl gut unterhalten zu werden. Das reicht aber leider nicht um hier den Daumen nach oben zeigen zu lassen und so kann der diesjährige Sieger der Kategorie “Outstanding Picture“ nicht mehr als ein Schulterzucken hervorrufen. Was aber irgendwie ganz gut zu einem Jahrgang passt, der mit dem Wechsel zum Tonfilm spürbar überfordert war.

"The Broadway Melody" ist aktuell als DVD auf Amazon verfügbar.


Überblick 2. Academy Awards
Und nun noch einmal die Kategorie “Outstanding Picture“ mit allen nominierten Filmen der zweiten Academy Awards 1930 auf einen Blick:


Ausblick
In unserer nächsten Folge werfen wir, in der Hoffnung auf deutlich bessere Filme, ein Auge auf die dritten Academy Awards, die noch im selben Jahr (1930) stattfanden. Und gleich der erste Beitrag rund um ein paar richtige harte Jungs wird uns wieder deutlich milder stimmen.


10
10/10

Der Film mag eine Gurke sein, das Format MOH ist hingegen super. Ich freue mich über jede neue Vorstellung eines alten Streifens. Vielen Dank an den Autor.

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