MOH (11): 2. Oscars 1930 - "Alibi"
In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".
Das Teilnehmerfeld der zweiten Academy Awards von 1930 hat uns bisher ja nicht gerade zu Jubelstürmen hinreißen lassen. Eine durchschnittliche Musical-Revue, ein schrecklicher Western und der wohl künstlerisch vielversprechendste Kandidat für immer verschollen – das läuft bisher nicht. Und wird es auch heute nicht, wenn wir uns gleich durch die nächste cineastische Enttäuschung schleppen.
Alibi
Einen deutlichen Qualitätsabfall erlebt man auch mit dem diesjährigen Academy-Beitrag aus dem Gangster-Genre. “The Racket“ war im Vorjahr ja eine ziemlich unterhaltsame Sache, doch weder das Skript noch die Inszenierung von “Alibi“ erreichen ähnliche Höhen. Der Film wirkt ähnlich simpel gestrickt wie die junge Joan (Eleanor Griffith), die sich hier in den gerade erst aus dem Gefängnis entlassenen Gangster Chick (Chester Morris) verliebt. Nach dem Tod eines Polizisten gerät Chick aber bereits nach kurzer Zeit unter Mordverdacht. Ironischerweise sind sowohl Joans Vater (Purnell Pratt) als auch der in Joan verliebte Tommy (Pat O'Malley) ebenfalls Polizisten, weswegen die Motivation der beiden Cops, Chick der Tat zu überführen, ziemlich hoch ist. Doch ausgerechnet Joan scheint Chick das perfekte Alibi für die Tatnacht liefern zu können.
Eigentlich klingt das ja nach spannenden und hochemotionalen Verstrickungen. Doch die Story und das namensgebende Alibi unseres Gangsters fallen so banal aus, dass weder ordentlicher Rätselspaß noch ein gescheiter Spannungsbogen entstehen. Die Inszenierung sorgt auch nicht gerade für frischen Fahrtwind und auch mehrere kleine eingestreute Tanzeinlagen wirken eher unpassend und bremsend.
Zumindest wird hin und wieder der ein oder andere kreative Einsatz der neuen Tontechnik eingestreut, wie zum Beispiel das Spiel mit dem rhythmischen Trommeln der Polizeischlagstöcke. Natürlich, dass “Alibi“ als einer der ersten Filme seiner Zeit Ton vor allem für Dialoge und nicht hauptsächlich eine Aneinanderreihung langer Gesangseinlagen einsetzt ist löblich. Aber ohne richtig überzeugende Story gibt es eben nur Bonuspunkte für die technische Pionierarbeit.
Was dem Film am Ende aber das Genick bricht sind neben der zäh umgesetzten Story die Nebenrollen. Während Hauptdarsteller Chester Morris durchaus charismatisch agiert, sieht es beim Rest seiner männlichen Kollegen diesbezüglich teils schon sehr düster aus. Vor allem der Auftritt eines Undercover-Cops, der auf gruselige Art und Weise versucht einen Betrunkenen zu mimen, lässt einen direkt in die Tischkante beißen. Dass dem Kollegen dann auch noch eine der gefühlt längsten und peinlichsten Todesszenen der Filmgeschichte spendiert wird macht die Sache nur noch schlimmer.
Die weiblichen Protagonisten sind aber auch nicht besser dran, denn deren Naivität und Dummheit dient hier stets als Auslöser für heldenhafte Taten oder Tode des männlichen Geschlechts. Machen wir es kurz, auch wenn die technische Umsetzung des Sounds für damalige Verhältnisse natürlich bahnbrechend war, es gibt einfach keinen guten Grund sich “Alibi“ knapp 100 Jahre später anzutun. Noch so ein Fall, bei dem man Filmgeschichte ruhig Filmgeschichte sein lassen kann.
"Alibi" ist aktuell in Deutschland nicht auf DVD verfügbar. Alternativ ist er aber auf Youtube zu finden (Suche nach “Alibi 1929“).
Für einen kleinen Blick in "Alibi", hier ein Vorher-Nachher Vergleich der Restoration des Filmes.
Ausblick
In unserer nächsten Folge kommen wir dann mit “The Broadway Melody“ zum Gewinner-Beitrag des Jahres 1930. Und ja, es wird wieder einmal gesungen und getanzt.
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